Medienschelte - Die Prinzen und die BBC

Die Untersuchung eines legendären BBC-Interviews mit Lady Diana beschädigt das Image des britischen Staatssender. Aber auch die königliche Familie verliert bei ihren Untertanen an Ansehen. Nur ein Drittel der jungen Briten hält der Monarchie noch die Treue.

Prinz William gibt eine Presseerklärung ab und kritisiert die British Broadcasting Corporation / dpa
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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Selbst Prinz William sucht neuerdings das Rampenlicht. „Meine Mutter wurde nicht nur von einem schurkenhaften Reporter reingelegt, sondern auch von BBC-Chefs, die weggeschaut haben, statt harte Fragen zu stellen“, gab er in einem kurzen Fernsehstatement am Donnerstagabend zu Protokoll. Der 38-jährige, älteste Sohn von Prinz Charles, Enkel von Queen Elizabeth II. und künftiger König, ist der als brav bekannte Thronfolger, der die goldene Regel der Royals internalisiert hat: Schweigen, solange es geht.

Doch nichts ist mehr im Vereinigten Königreich wie es einmal war. Seit sein kleiner Bruder Prinz Harry und dessen Frau Meghan alias „The Sussexes“ offen über die Probleme innerhalb „Der Firma“, der Institution der königlichen Familie, sprechen, wirkt das donnernde Schweigen der Paläste gegenüber den dröhnenden Boulevardmedien des Vereinigten Königreichs nicht mehr zeitgemäß.

„In unserer Ehe waren wir zu dritt“

Im Zentrum des jüngsten Skandals steht ein Interview, das Williams Mutter Lady Diana 1995 der BBC gegeben hatte. Diana, damals bereits von Prinz Charles getrennt, sprach darin über ihre Bulimie, ihre Depressionen und über die Beziehung ihres Ehemannes zu Camilla Parker-Bowles: „In unserer Ehe waren wir zu dritt, es war also etwas überfüllt.“ Zwei Jahre später starb Diana Spencer bei einem Autounfall in Paris.

Warum dieses Interview 26 Jahre nach Ausstrahlung immer noch für Schlagzeilen sorgt, hat verschiedene Gründe. Erst jetzt wurden die Umstände untersucht, unter denen das Interview zustande gekommen war. Der Bericht unter Aufsicht von Lord Dyson wurde am Donnerstag präsentiert. BBC-Reporter Martin Bashir hatte demnach Dianas Bruder gefälschte Bankausszüge vorgelegt, um Kontakt zur Schwester zu erhalten. Dies gelang. Diana musste annehmen, dass ihr Umfeld gegen Geld Informationen über sie weitergab. Sie schlug mit ihrer eigenen Sicht der Dinge via BBC zurück.

Journalistischer Scoop

Die BBC hat diese unrühmliche Vorgangsweise lange vertuscht. Das Interview mit Diana war ein journalistischer Scoop. 23 Millionen Zuschauer saßen bei der Ausstrahlung vor dem Fernsehgerät. BBC-Journalist Martin Bashir wurde über Nacht berühmt – später aber auch berüchtigt, als intern bekannt wurde, wie das Interview zustande gekommen war. Zuletzt arbeitete Bashir sogar wieder bei der BBC, zog sich allerdings vor einigen Tagen aus gesundheitlichen Gründen zurück. Er ahnte wohl, welcher Mediensturm auf ihn und die BBC zukommen wird.

„Vor allem der implizite Vorwurf von Prinz Williams, dass die BBC Fake News verbreite, beschädigt die BBC schwer“, sagt Thatcher-Biograf und Kolumnist der konservativen Zeitung The Spectator Charles Moore im Gespräch mit Cicero. „Die BBC bekommt als nationaler Sender Lizenzgebühr und damit auch die Pflicht, die königliche Familie mit Respekt zu behandeln.“

Genau das ist im Falle des Diana-Interviews nicht passiert. Prinz William hält die Folgen für seine Mutter für dramatisch: „Das Versagen der BBC hat zu ihrer Angst, ihrer Paranoia und ihrer Isolation beigetragen.“ Sein kleiner Bruder Harry meldete sich auch mit einem Statement zu Wort und ging noch weiter: „Der Effekt dieser Kultur der Ausbeutung und unethischen Praktiken hat ihr Leben gekostet.“

Sicherheitskräfte schützten Diana nicht

Beide Brüder machen deutlich, dass das „Tell-All“-Interview die Beziehung ihrer Eltern deutlich verschlechtert hatte. Diana zog sich nach heftigen Angriffen immer mehr aus der königlichen Familie zurück. Sie wurde nicht mehr von den staatlichen Sicherheitskräften geschützt, die der königlichen Familie auch gegen den Ansturm von Paparazzi beistehen. Als sie Ende August 1997 in Paris vor einer Meute von Paparazzi flüchtete, hatte sie auch einen Bodyguard der Familie ihres damaligen Gefährten Dodi Al-Fayed dabei. Die Hetzjagd endete tödlich für Diana, Dodi Al-Fayed und den Fahrer.

Prinz Harry kritisiert in seinem Statement die Medien scharf: „Die Praktiken sind noch heute weit verbreitet.“ Harry und seine Frau Meghan empfanden die Berichterstattung, vor allem die von Boulevardblättern wie der „Daily Mail“ rund um die Hochzeit von Harry und Meghan und die Geburt ihres Sohnes Archies als feindlich und teilweise rassistisch. Anders als sein Bruder zielt Harry deshalb in seinem Statement nicht nur auf die BBC: „Dabei geht es nicht nur um eine Rundfunkanstalt.“

Auch ein politischer Hintergrund

Der Skandal wirft nicht nur ethische Fragen über das Verständnis von Journalismus und Recherchepraktiken auf. Die Aufregung um die BBC hat auch einen politischen Hintergrund. „Ich hoffe, die BBC wird alles unternehmen, dass so etwas nie wieder passiert“, sagte Premierminister Boris Johnson am Freitag.

Seit Boris Johnson in Downing Street als Regierungschef eingezogen ist, steht die BBC vermehrt unter Beschuss. Als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist sie zur Ausgewogenheit verpflichtet. Aber wer bestimmt darüber, was ausgewogen ist? Johnson hat die Tory-Partei im Zuge des Brexit-Prozesses aus der sozialliberalen Mitte-Rechts-Position in eine konservativere und nationalistischere Richtung gezogen. Gleichzeitig rückt er im Bemühen, ehemalige Labour-Wähler zu gewinnen und wirtschaftliche Folgen der Pandemie auszugleichen  sozialdemokratische Spendierprogramme ins Zentrum seiner Finanzpolitik. In diesem fluiden politschen Umfeld ist Ausgewogenheit der Berichterstatter noch mehr als bisher eine Frage der Perspektive.

„Boris Johnson will die BBC nicht abschaffen, aber einige in seinem Umfeld möchten sie gerne zähmen“, sagt Kolumnist Charles Moore. Er selbst wurde als einer jener Männer beschrieben, die in den Aufsichtsrat der BBC geschickt werden sollten. „Ich werde das nicht tun“, sagt er bestimmt. Doch mit der „Operation Zähmen” hat er an sich kein Problem: „Die BBC ist wie Fox-News nur von der anderen Seite. Sie hat zu viel Macht und sie ist im Kulturkampf auf der linken Seite. Sie ist unkritisch bei grünen Positionen, bei Transgender-Debatten und bei der 'Black lives matter'-Bewegung.“ 

Ausgerechnet der ehemalige Chefredakteur der „Daily Mail“, Paul Dacre, soll nun nach dem Willen der Regierung Chef des Medienregulators Ofcom werden, der auch über die BBC wacht. Redaktionell will die Regierung ebenfalls mehr Einfluss nehmen und ihr genehme Personen in den BBC-Aufsichtsrat entsenden.

Regierung will Lizenzgebühr kippen

Zusätzlich machen Angriffe aus Regierungsnähe auf die Lizenzgebühr, die BBC-Seher entrichten müssen, die Sache für die BBC nicht leichter. Der Mitgliedsbeitrag hat es dem weltweit für seine Professionalität und Breite bekannten Sender ermöglicht, ohne Werbung auszukommen. Johnsons Regierung würde die Lizenzgebühr gerne kippen. Das würde die BBC gegenüber privaten Kanälen schwächen.

Das Fiasko um das Diana-Interview kommt für die unter Beschuss stehende BBC gerade besonders ungelegen. BBC-Generaldirektor Tim Davie entschuldigte sich: „Es tut uns sehr leid.“ Der Chef des staatlich regulierten Senders verspricht Besserung.

Aber auch die Reputation der königlichen Familie ist bedroht. Nach der jüngsten Umfrage des Instituts YouGov wollen 41 Prozent der 18- bis 24jährigen Briten lieber ein gewähltes Staatsoberhaupt als die Queen, ihren Sohn Charles oder in ferner Zukunft Prinz William. Nur ein Drittel der Jungen hält der Monarchie noch die Treue.

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