Juden in den USA - Gespaltene Glaubensgemeinschaft

Trotz seiner eigentlich pro-israelischen Politik schürt US-Präsident Donald Trump antisemitische Narrative. Die jüdischen Amerikaner sind gespalten in zwei Gruppen. Das bekommen auch immer mehr Medien zu spüren, allen voran die „New York Times“. Nun versucht man, empörte Leser zu versöhnen

Israel calling: Der Nahe Osten prägt auch den Präsidentschaftswahlkampf in den USA / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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In der Park Avenue Synagoge an New Yorks Upper East Side, gegründet von liberalen deutsch-jüdischen Immigranten, haben die Großeltern von Arthur Gregg Sulzberger, der Verleger der New York Times geheiratet. An diesem Wochenende sitzt der Enkel in dem frisch renovierten Saal zwischen Rabbi Elliot Cosgrove und Jodi Rudoren. Rudoren ist die neue Chefredakteurin der jüdischen Wochenzeitung Forward; zuvor war sie Bürochefin der Times in Jerusalem, der „härteste Job im Journalismus“, wie sie dem Blatt Jewish Boston sagte. Es geht um Journalismus heute, aber die Mitglieder der Synagoge, die im Saal sitzen, treibt etwas anderes um: Wie berichten Zeitungen, vor allem liberale, über Israel?

Die New York Times ist eine Art Bibel für amerikanische Juden. Rabbi Cosgrove, der aus Chicago kommt, hatte sich damals überlegt, sich um eine Stelle anderswo zu bewerben. Seine Frau legte ihm eine Zeitungsseite auf den Tisch mit den Städten, wo die New York Times ausgeliefert wird. „Du kannst einen Job annehmen, wo du willst, aber wenn es keine von diesen Städten ist, kommen ich und die Kinder nicht mit.“ Jahre später, die Cosgroves leben inzwischen in New York, kam die Times eines Morgens nicht. „Ich habe sie abbestellt“, teilte die Frau des Rabbiners kühl und knapp mit. Der Grund: Das Foto einer trauernden palästinensischen Mutter um ihren Sohn, der von Israelis als Terrorist getötet wurde. Damit würden Täter als Opfer dargestellt, kritisierte sie.

„Naivlinge“ vs. „Faschisten“

Nicht der erste oder einzige Streit. A.G. Sulzberger musste sich vor ein paar Monaten mit einem Cartoon herumschlagen, der Trump als Blinden zeigt, von Bibi Netanyahu geführt. Über den empörten sich viele Leser, weil der antisemitisch sei. „Als ich noch in der Lokalredaktion arbeitete, riefen dauernd erboste Leser bei mir an, weil die Telefonzentrale mich mit meinem Vater verwechselte, der damals Verleger war“, erzählt Sulzberger.

Die große Mehrheit habe sich über die Israel-Berichterstattung beschwert. „Fünfzig Prozent fanden die anti-israelisch und fünfzig Prozent anti-palästinensisch. Auch Jodi Rudoren erlebt dauernd derlei Beschwerden – etwa, als in einem Reisetipp nach Israel nicht erwähnt wurde, dass dort auch Araber lebten. „Ich sage allen Reportern immer: Wenn es um so heiße Eisen geht, legt das erst uns vor.“ Zwischen rechten pro-israelischen und linken amerikanischen Juden kracht es schon vielen Jahren. Die Rechten beharken die Linken als Naivlinge, Verräter oder „Kapos“ die in den KZs die Befehle der Wächter ausführten. Die Linken werfen den Rechten vor, Faschisten zu sein. Aber erst mit Donald Trump hat sich das derart zugespitzt.

Trump, der Israel-Freund 

Wie wichtig sind die jüdischen Stimmen überhaupt für die Präsidentschaftswahl? Traditionell stehen jüdische Amerikaner den Demokraten nahe. Franklin D. Roosevelt bekam 90 Prozent der jüdischen Stimmen; hingegen erhielt selbst der israelfreundliche Republikaner George W. Bush nur 24 Prozent, desgleichen Trump. Aber es geht nicht um Masse. Die acht Millionen jüdische Amerikaner repräsentieren nur etwa drei Prozent der Stimmen. In knappen Staaten wie Florida, wo Trump nur gut 70.000 Stimmen mehr hatte als Hillary Clinton, kann das zwar durchaus den Ausschlag geben. Wesentlich wichtiger für Trump ist aber die starke, gut vernetzte Evangelikale Rechte in den USA, mit der er steht und fällt. Und das sind treue Verteidiger Israels, vornehmlich aus biblischen Gründen. Dazu kommt, dass Trump Wahlkampfspenden braucht, und hier sind jüdische Spender überproportional vertreten — aber eher für die Demokraten. Trumps einziger jüdischer Spender von Rang ist der Casinomogul Sheldon Adelson.

Adelson war auch an diesem Samstag beim Nationalen Treffen des Israeli American Council in Florida dabei, als der Präsident sich brüstete, alle israelischen Forderungen durchgesetzt zu haben, von der Tolerierung jüdischer Siedlungen auf der Westbank über den Bruch des Iran-Abkommens, den Mittelstreichungen für Palästinenser bis zum Umzug der Botschaft nach Jerusalem. Trump beschwerte sich auch, dass amerikanische Juden Israel nicht genug liebten. Dabei sind es eigentlich Antisemiten, die behaupten, dass Juden Israel mehr lieben als ihr Heimatland. Dann sattelte Trump noch eins drauf: Er kenne die jüdischen Immobilienentwickler – von denen viele im Saal waren – sehr gut, das seien „brutale Killer“. Aber die sollten auf jeden Fall für ihn stimmen, denn Demokraten wie  Elizabeth Warren würden ihnen den Reichtum zu 100 Prozent wegbesteuern. Und Geld sei ihnen doch sicherlich das Wichtigste. So redet einer, dessen eigene Tochter Ivanka ihrem Ehemann zuliebe zum Judentum konvertierte.

Krach in der jüdischen Diaspora 

Dass sich jüdische Demokraten über diese Worte empören, überrascht nicht. Die jüdische Diaspora in Amerika ist durchaus keine Außenstelle von Israel. Im Gegenteil, vielen liberalen Juden in den USA ist die rechte israelische Regierung genauso peinlich wie Trump im Weißen Haus – und mehr noch Trumps Berater Stephen Miller, ein Enkel von Holocaust-Überlebenden, der zum Vertreter der neurechten AltRight-Bewegung mutierte. Sie finden es schrecklich, dass der Präsident Immigrantenfamilien trennt und Kinder die Käfige sperrt. Und seine Israelpolitik halten sie für gefährlich und unverantwortlich. Kritik gibt es übrigens nicht nur von linksliberalen jüdische Stimmen; sondern auch von Neokonservativen – Jennifer Rubin in der Washington Post, David Brooks in der New York Times oder der frühere Bush-Redenschreiber David Frum sind alles Never-Trumper.

Auch Bernie Sanders, der linke jüdische Kandidat der Demokraten, spricht sich gegen die israelische Besatzungspolitik aus. Nicht nur das, er hat nun Linda Sarsour als Beraterin geholt, eine umstrittene Aktivistin, die früher Direktorin der Arab American Association of New York war. Sarsour unterstützt sogar BDS (Boycott, Divestment, Sanctions), die Boykottkampagne gegen die Besatzung der Westbank. Das hat Sanders bei seinen zahlreichen jüdischen Fans bisher nicht geschadet.

Die Times wird israel-freundlich

Auch der Forward, der in den vergangenen Jahren vor sich hin kümmerte, war unter der früheren Chefin Jane Eisner Teil dieser kritischen Stimmen. Eisner allerdings wurde nach einem rapiden Auflagenschwund entlassen, zusammen mit einem Drittel der Belegschaft. Rudoren gilt als israelfreundlicher; ob aber die Leserschaft des traditionell linken Blatts das honoriert, bleibt abzuwarten.

Auf einen ähnlichen Weg hat sich die New York Times begeben. A.G. Sulzberger hat nun, um Kritikern entgegenzukommen, zwei israelfreundliche Kolumnisten angestellt; Bari Weiss, eine ausgesprochene Zionistin, die vom Tablett Magazine kommt, und Bret Stephens, ein Never-Trumper und Neokonservativer, der zuvor für das Wall Street Journal und die Jerusalem Post gearbeitet hat. Rabbi Cosgrove, immerhin, liest die Times nun wieder. Allerdings nur hinter dem Rücken seiner Frau.

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