Israel - Wann werden die kritischen Freunde die Gefahr erkennen?

Außenminister Heiko Maas hat sich vorgenommen, das deutsch-israelische Verhältnis zu verbessern. Dafür aber müsste Deutschland die Gefahr ernster nehmen, die Israel aus Iran droht. Ein offener Brief von Elio Adler von der deutsch-jüdischen Werteinitiative

Schon die pure Existenz des jüdischen Staates provoziert die Gegner Israels / picture alliance
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Autoreninfo

Elio Adler, 48, ist Gründer und Vorsitzender des Vereins „WerteInitiative – jüdisch-deutsche Positionen“, der sich als eine zivilgesellschaftliche Stimme jüdischer Deutscher versteht. Im Mai wurde er als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ vom gleichnamigen Bündnis ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Berlin. Foto: Privat

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Liebe Israel-Kritiker,

die ihr euch ja in der Regel „Freunde Israels“ nennt, es gibt ein Problem: Wie soll sich Israel angesichts der akuten Kriegsgefahr verhalten? Im Moment herrscht zwar noch kein Krieg, dieser kann aber absehbar kommen. Und daher gilt es, sich jetzt schon „richtig“ zu verhalten, um später für euch nichts falsch gemacht zu haben.

Es ist der Krieg zwischen Israel und Iran, beziehungsweise dessen Stellvertreter-Armee, der Hisbollah. Sowohl Iran, als auch Hisbollah äußern unmissverständlich, eindeutig und regelmäßig, dass sie beabsichtigen, Israel zu vernichten. Dabei machen sie sich nicht einmal die Mühe, vorgeschobene Gründe für ihre Aggression zu nennen, sondern sind sehr ehrlich: Sie fühlen sich schon durch die pure Existenz des jüdischen Staates unermesslich provoziert. Dieser Logik folgend, haben sie weit mehr als 100.000 Raketen im Süden Libanons einzig dafür positioniert, sie gen Israel abzuschießen. 

Es droht ein Krieg, den die Experten als schrecklicher, opferreicher und von längerer Dauer vorhersagen, als die vielen früheren Kriege, die Israel in den 70 Jahren seiner Existenz um eben dieser Existenz willen schon führen musste. 

Die „kritischen Freunde“ gehen auf Distanz

Da man davon ausgehen darf, dass sich Israel und seine Bevölkerung auch dieses Mal nicht einfach so wegbomben lassen werden, fragt man sich ernsthaft, welches israelische Verhalten ihr denn gerne hättet? Ihr macht es einem wirklich schwer, denn auch sehr übersichtliche Situationen deutet ihr in einer Weise, die man nicht vorhersagen kann:

Als zum Beispiel eine iranische Drohne in den israelischen Luftraum eindrang und Israel daraufhin deren mobilen, iranischen Abschusscontainer auf syrischem Boden zerstörte, empfandet ihr das als unangemessene Eskalation. Und als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein Stück dieser Drohne in die Luft hielt und eindringlich beschrieb, wie hoch die Gefahr für sein Land sei, in einen Krieg verwickelt zu werden, war euch das zu dick aufgetragen. Wenn israelische Offizielle bei jeder halbwegs passenden Gelegenheit die Nachricht aussenden, Iran solle besser nicht auf die Idee kommen, ihr Land anzugreifen, wird das als Provokation interpretiert. Dass die Kurden als einige der wenigen die Bedrohungslage ähnlich artikulieren wie Israel, wird locker unter „Zweckgemeinschaft“ verbucht.

Wie soll sich ein Land verhalten, welches im übertragenen Sinne die Waffe eines anderen an der Schläfe hat, damit seine „kritischen Freunde“ das tun, was man von Freunden erwarten würde? Nämlich, an der Seite des akut bedrohten Freundes stehen? Wenn schon nicht aus Freundschaft, dann wenigstens aus Eigennutz, denn der Hunger Irans nach Macht- und territorialer Ausweitung ist längst Realität geworden und wird weitere Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa treiben. 

Die Angst vor der eigenen Schwäche

Aus Deutschland kam bisher vor allem eins: Appeasement. Weder die vom Verfassungsschutz aufgedeckten 32 Ankaufversuche von Atom- beziehungsweise Raketentechnik allein in Deutschland, noch die Anschlagspläne des iranischen Geheimdienstes auf deutsche Ziele und deutsche Staatsbürger haben für wesentliche Störungen der Beziehungen zum Mullah-Staat gesorgt. Und dass Iran bei Tests seine Raketen mit „Israel muss ausradiert werden“ beschriftet, stört auch nicht weiter.

Warum das so ist? Man möge den Begriff „Stockholm Syndrom“ googeln und sich über die Liebe zu dem zu informieren, der einen in Wahrheit massiv und Angst einflößend bedroht. Würde die Welt die iranisch-islamistische Bedrohung anerkennen, könnte sie nicht einfach „weitermachen“. Eine derart skrupellose, expansionistische Politik sollte eigentlich reflexartig einen Handlungsappell in anderen Staaten auslösen. Um diesen Reflex zu unterdrücken, braucht es eines: viel Angst vor der eigenen Schwäche.

Man mag sich gar nicht ausmalen, was im Falle eines Krieges passieren wird, wenn Israel sich gezwungen sehen wird, dieser Angst nicht nachzugeben und dadurch so manch anderen an seine eigene Angst erinnert. Diese eigene Angst fühlen zu müssen, werden die kritischen „Freunde Israels“ dem Land besonders übel nehmen.

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