Iowa Caucus - Nah wie nie an der Demokratie

Wer unter den Demokraten bei den beginnenden Vorwahlen im US-Bundesstaat Iowa gut abschneidet, darf sich Hoffnung machen, im November gegen Donald Trump anzutreten. Dabei ist der Iowa Caucus gar nicht repräsentativ für den Rest der USA. Doch das Geheimnis für Gewinner liegt hier auf der Straße

Merchandise für Demokraten in Des Moines, Iowa / dpa
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Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Politik ist manchmal nichts weiter als ein einfaches Spiel aus Erwartungen. Wer landet wo, wer schneidet wie ab, und vor allem: wer wird überrannt und fällt hinten ab? Es ist eine alte amerikanische Erzählung, die gern in Sieger und Verlierer einteilt. In Iowa, wo am Montagabend die Demokratischen Vorwahlen losgehen, werden in der Nacht und in den kommenden Tagen aus diesen Erwartungen erste Prognosen gemacht: Wer setzt sich durch unter den Kandidaten und Kandidatinnen, wer fordert am Ende Donald Trump heraus?

Seit 1972 werden im jeweiligen Präsidentschaftswahljahr hier die allerersten Vorwahlen abgehalten, weshalb diesem relativ kleinen und ansonsten politisch unbedeutenden Bundesstaat im mittleren Westen derart große Aufmerksamkeit teil wird. Iowas ist die erste bedeutende Temperaturnahme innerhalb des Bewerberfeldes. Die vorangehenden Monate des Wahlkampfes, die vielen TV-Debatten, Interviews, und Auftritte spitzen sich alle nur auf diesen einen Moment zu, weil Erwartungen hier zu Aussichten werden.

Wer in Iowa, der allerersten Etappe, gut aus dem Startblock kommt, hat gar nicht mal so geringe Chancen, schlussendlich gegen den Präsidenten im November anzutreten. Seit den 80er-Jahren wurde eine Vielzahl der Sieger in Iowa auf dem Sommerparteitag zum nominierten Kandidaten im Kampf um das Weiße Haus gekürt.

Nirgends ist der Wahlkampf so traditionell

Aber nicht immer. Barack Obama gewann 2008 den Bundesstaat, Donald Trump wurde 2016 zweiter hinter Senator Ted Cruz. In Iowa zu gewinnen, ist eine komplizierte Angelegenheit. Das System sieht hier keine geheime Urnenwahl vor, sondern ein öffentliches Austauschen. Beim sogenannte caucus versammeln sich alle Wahlberechtigten in ihren zugewiesenen Wahlkreis (mehr als 1600 in Iowa) – das kann in Hörsälen oder Turnhallen sein, in Büchereien oder Gemeindehäusern. Die Wahlhelfer der Kandidaten und Kandidatinnen stellen sich jeweils in eine Ecke. Die Wähler und Wählerinnen stellen sich ihrer politischen Vorliebe nach dazu. Dann wird ausgezählt. Wer am Ende weniger als 15 Prozent der „Stimmen“ in einer Ecke hat, muss aufgeben. Diese Wähler können sich nach einer gewissen Diskussionszeit anderen Kandidaten anschließen und so das vorherige Mehrheitsverhältnis komplett kippen. Wer bei der zweiten Auszählung vorne liegt, gewinnt den Wahlbezirk und bekommt eine bestimmte Anzahl an Delegierten zugewiesen. Die erste und zweite Wahl für Wähler in Iowa ist also ganz entscheidend.

So funktioniert Demokratie hier, man kann das live mitverfolgen. Und das ist ein Grund, warum sogenanntes retail politics in Iowa so wichtig ist. Der traditionelle Wahlkampf, das Schütteln der Hände, das Küssen der Babys, das Melken der Kühe, das Besuchen der Feuerwachen – hier wird um jede Stimme gebuhlt. Nirgendwo kann man den Kandidaten und Kandidatinnen vielleicht näher kommen als hier. Mit Bernie Sanders und 80 anderen Menschen in einem Café stehen und Gesundheitspolitik diskutieren? Kein Problem. Mit Elizabeth Warren und 100 Interessierten in einem Vorgarten über die Auswüchse der Wall Street sprechen? Gut möglich. Und weil Iowa seit Jahrzehnten den Auftakt macht, sind sich die Bürger ihrer Verantwortung durchaus bewusst. Wenn man durch den Bundesstaat reist und mit Wählern spricht, hört man immer und immer wieder, dass sie noch unentschlossen sind und lieber genau abwägen wollen, für wen sie stimmen.

Diese Startschuss-Rolle bringt nur ein Problem mit sich: sie verzehrt das eigentliche Bild und schürt Erwartungen, die sich nicht immer erfüllen lassen.

Warten auf das politische Momentum

Iowa ist ein kleiner Bundesstaat, etwa 90 Prozent der Anwohner sind weiß, relativ alt, und in eher ländlichen Gegenden zuhause. Die Vereinigten Staaten an sich und die Demokraten insbesondere sind jedoch alles andere als nur das. Sie sind: junge Wähler, konservative Demokraten im Süden, religiöse Afro-Amerikaner und Latinos, liberale Weiße, nicht-religiöse Stadtmenschen, und so weiter. Mit anderen Worten: Iowas ist nicht sonderlich repräsentativ für das Land.

Was es gewissen Kandidaten erlaubt, sich in Iowa mehr zu strecken als wenn das Aussieben des Kandidatenfeldes woanders seinen Anfang nähme. Jemand wie Pete Buttigieg, der moderate Bürgermeister aus Indiana, wird deshalb als ernstzunehmender Kandidat gehandelt, weil er in Iowa gut ankommt. Würde er zuerst in South Carolina bestehen müssen, wo er unter Afro-Amerikanern, die dort die Mehrheit bilden, kaum wahrgenommen wird, hätte er sich nie den Status erarbeitet, den er jetzt unter den Kandidaten besitzt.

Laut den letzten Umfragen wird es ein sehr knappes Ergebnis. Wenn er, die Senatorin Elizabeth Warren oder auch Senator Bernie Sanders, die alle nicht so ein diverses Wählerfeld ansprechen wie der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, in Iowa jedoch gewinnen sollten, könnte sie das vielbeschworene politische Momentum davontragen. Der Sieg zum Auftakt bedeutet immer eine Favoritenrolle, was im Umkehrschluss mehr mediale Aufmerksamkeit, mehr potentielle Wähler und Spenden mit sich bringt.

Und schon schüren die erfüllten Prognosen noch mehr Erwartungen.

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