Videos von Hunter Biden - Joe Bidens Sohn raucht bewaffnet Crack - und kaum jemand berichtet

Im Internet sind Videos aufgetaucht, die für US-Präsident Joe Biden eigentlich zum Problem werden müssten. Denn darin ist sein Sohn Hunter Biden zu sehen, wie er Crack raucht, splitternackt mit mehreren Frauen posiert und mit einer Waffe herumfuchtelt. Die meisten Medien scheint das allerdings nicht zu interessieren. Wie kann das sein?

Drogenprobleme, Trunkenheit, Exzesse: Hunter Biden ist bereits bekannt für seine Eskapaden / dpa
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Moritz Eichhorn leitet das Politikressort der Berliner Zeitung. Er studierte Intl. Beziehungen und Pol. Philosophie in Großbritannien, publizierte unter anderem bei Vice und der Financial Times und war Politikredakteur bei der FAZ.

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Über das vergangene Wochenende sind im Internet Videos aufgetaucht, die Hunter Biden, den Sohn des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, beim Abwiegen und Rauchen von Crack-Kokain mit leicht bekleideten Frauen zeigen, teils bei augenscheinlich sexuellen Handlungen. Teilweise sind es neue Filme, teilweise aus den vergangenen Monaten. Auf den Aufnahmen ist Biden junior oft völlig nackt und zielt mit einer Pistole. Er hat die Videos offenbar selbst aufgenommen. Sie sollen aus seinem iCloud-Konto stammen. Es soll gehackt worden sein.

Niemand, weder das Weiße Haus noch Hunter Biden selbst, bestreitet die Echtheit des Filmmaterials, das zuerst auf dem Troll- und Hackerforum 4Chan gepostet wurde. Dem Secret Service, der nicht nur den Präsidenten selbst, sondern auch stets dessen Familie schützt, sei „der Vorgang bekannt“, teilte die Behörde gegenüber der Washington Post mit. Dennoch könne man keine „öffentliche Kommentare zu möglichen Ermittlungsmaßnahmen abgeben“.

Bekannt für Eskapaden

Nun ist es nicht so, dass die Aufnahmen all jene überraschen dürften, die Hunter Bidens Eskapaden kennen. Der Sohn von Joe und dessen erster Frau, Neilia Biden, ist über die Jahre immer wieder mit Drogenproblemen, Trunkenheit und anderen Exzessen aufgefallen. Andauernd musste er in den Entzug. In besonderer Erinnerung bleibt den Kennern der Familienverhältnisse ein Vorgang aus dem Jahr 2013. Da trat Hunter in die US-Marine ein und legte in einer Zeremonie im Weißen Haus vor seinem Vater – dem damaligen Vizepräsidenten – den Amtseid ab. Gleich an seinem ersten Tag auf dem Marinestützpunkt wurde er positiv auf Kokain getestet und entlassen.

Bemerkenswert an den neuesten Videos ist aber nicht nur, dass der immerhin 52 Jahre alte fünffache Familienvater, Yale-Jurist und Gründer eines Hedgefonds sein Leben offensichtlich nicht unter Kontrolle hat, sondern dass diese Entwicklungen zu verhältnismäßig wenig Berichterstattung geführt haben. Nur in erzkonservativen bis populistischen Sendern wird das Drama thematisiert. Dass der Präsident kaum mit Kritik konfrontiert ist – mit Ausnahme eines Störers bei einem öffentlichen Auftritt des Staatschefs –, überrascht.

Auch angesichts der Tatsache, dass Joe Biden einer jener Senatoren war, die in den 1990er-Jahren drakonische Strafen allein für den Besitz von Crack-Kokain durchgesetzt hatten, müssten die Widersprüche zwischen Bidens gesetzgeberischer und privater Auffassung zu Fragen führen. Wären ähnliche Aufnahmen der Kinder von Barack Obama oder Donald Trump publik, dürfte es keine Publikation in den Vereinigten Staaten geben, die nicht ausführlich darüber berichten müsste.

Drei Todesfälle in der Kernfamilie

Diese wahrnehmbare Zurückhaltung in der Berichterstattung hat zwei Gründe – der erste ist tragisch, der zweite gefährlich. Als Erklärung und oftmals als Entschuldigung für das Verhalten des Sohnes gilt dessen erschütternde Familiengeschichte. Das Leben der Bidens trägt Züge der Prüfung Hiobs aus dem Alten Testament. Bei einem schweren Autounfall 1973 wurde die Familie von einem Truck gerammt. Dabei starben Hunters einjährige Schwester und seine Mutter, Joe Bidens erste Frau. Er, damals knapp drei, und sein Bruder Beau, damals vier, erlitten Schädelfrakturen beziehungsweise Knochenbrüche.

Beide überlebten, doch mussten Monate im Krankenhaus verbringen, wo Joe Biden, der vor dem Unglück einen Senatssitz errungen hatte, schließlich auch vereidigt wurde. Doch damit nicht genug. Hunters Bruder, der nach einer Karriere beim Militär schließlich zum Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaats Delaware aufstieg, erkrankte 2013 schwer an Hirnkrebs und starb nur zwei Jahre später. Aus der Familie heißt es, Beau und Hunter seien sich außergewöhnlich nah gewesen. Den Tod seines Bruders habe Hunter nie überwunden. Darauf werden die Alkohol- und Drogensucht auch zurückgeführt. Wobei Beau in seinen Memoiren zugab, schon zu Schulzeiten stark getrunken und im College gekokst zu haben.

Während der erbitterten Scheidung von seiner Frau 2017 beschuldigte sie Hunter, Geld „für seine eigenen Interessen extravagant auszugeben (darunter für Drogen, Alkohol, Prostituierte, Strip-Clubs und Geschenke für Frauen, mit denen er sexuelle Beziehungen hat), während er der Familie keine Mittel lässt, um Rechnungen zu bezahlen“. Während der Trennung begann Hunter überdies eine Affäre mit der Witwe seines Bruders.

Die Angst der Medien

Der zweite Grund hingegen speist sich weniger aus Mitleid und Rücksichtnahme. Stattdessen dürfte für die Zurückhaltung maßgeblich sein, dass belastenden Informationen über die Biden-Familie in vielen großen amerikanischen Medienhäusern mittlerweile grundsätzlich misstraut wird. Schuld ist die Präsidentschaftswahl 2016. Drei Wochen vor der letzten Wahl, im Herbst 2020, hatte es einen Artikel in der New York Post gegeben, in dem über einen Laptop berichtet wurde, der angeblich Hunter Biden gehörte. Der Computer war der Zeitung zufolge in einem Elektronik-Reparaturgeschäft in Delaware vergessen worden. Auf dem Gerät, so berichtete die Post seinerzeit, seien E-Mail-Konversationen entdeckt worden; einige mit vertraulichen Inhalten.

Beispielsweise soll es um ein Treffen von Vizepräsident Biden mit dem Mitarbeiter einer ukrainischen Firma namens Burisma, in deren Aufsichtsrat Hunter damals saß, gegangen sein. Auch über Geschäftsbeziehungen nach China, die Hunter Biden pflegte und in deren Zusammenhang immer wieder auch von Joe Biden die Rede gewesen sein soll, gab es einen Bericht. Die New York Post warf Biden vor, gelogen zu haben, als er sagte, er habe nie Geschäftliches mit seinem Sohn besprochen. Die E-Mails würden das klar widerlegen.

Wenn man dem Boten nicht traut

Ähnlich wie die Bilder des vollgedröhnten, nackten, bewaffneten Hunter Biden jetzt hätten auch diese Informationen so kurz vor der Präsidentschaftswahl 2020 ein gefundenes Fressen für Journalisten sein müssen. Doch damals wie heute wurde die Geschichte nicht nur von den meisten Zeitungen und Fernsehsendern ignoriert, selbst in den sozialen Medien gab es eine Art Blackout. Auf Twitter und Co. wurde die Berichterstattung der New York Post teils versteckt und nicht mehr an Nutzer ausgespielt. Heute ist es zumindest möglich, die Videos aus Bidens iCloud-Konto in den sozialen Medien abzurufen.

 

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Doch wieso ignorierte eine Mehrheit der Medien 2020 die Vorwürfe gegen den Präsidentschaftskandidaten, er habe Berufliches und Privates vermischt und dabei Geschäfte in der Ukraine und China gemacht? Nun, der Laptop war der New York Post nicht von irgendwem übergeben worden, sondern von Rudy Giuliani, dem Anwalt des damaligen Präsidenten Donald Trump. Wo das Gerät sich auf seinem Weg vom Elektronik-Shop in Delaware bis in die Hände Giulianis befunden hatte, blieb dabei unklar. Schnell zogen Medien, Experten und Geheimdienstler in Zweifel, ob der Laptop echt, die E-Mails nicht doch gefälscht seien. Mittlerweile haben sich Laptop und Mails als authentisch herausgestellt.

Freie Presse im Dilemma

Doch die Medien wollen nicht von der Tatsache abgeschreckt gewesen sein, dass es der Widersacher im Weißen Haus war, also der Wettbewerber um die Macht, aus dessen Dunstkreis das Material der Zeitung zuging. Sie waren schwer besorgt von den Ereignissen der Wahl 2016, als russische Hacker die Konten der Demokratischen Partei gehackt und die Ergebnisse an Wikileaks gegeben hatten, von wo sie den Medien übergeben wurden, was am Ende entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang gehabt haben dürfte. So zumindest schildert ein Autor der Washington Post heute die damalige Zurückhaltung seiner Publikation:

„Nach der Wahl [2016] erfuhren wir das ganze Ausmaß der Eingriffe Russlands. Plötzlich erschien die Berichterstattung über das Wikileaks-Material in einem neuen Licht: Es wurde von einer ausländischen Regierung gestohlen, um die Politik der USA zu beeinflussen. Medienunternehmen überdachten ihre Berichterstattung; hätte man vorsichtiger sein müssen, um einer ausländischen Beeinflussungskampagne in die Hände zu spielen? Diese Frage beschäftigte die Menschen in den Monaten vor der Wahl 2020 sehr stark – insbesondere angesichts der Hinweise, dass Russland erneut hoffte, Trumps Wahl zu unterstützen.“

Diese Sorge scheint auch heute die Berichterstattung rund um Bidens Sohn, dessen Exzesse und seine Geschäftsbeziehungen zu prägen. Damit befinden sich die Fernsehanstalten und Zeitungen in einem Dilemma: Ist es tragbar, Tatsachen von erheblicher Bedeutung nicht zu berichten, weil sie womöglich von ausländischen Mächten ins Spiel gebracht wurden? Wie soll man darüber, vor allem in zeitkritischen Situation, also beispielsweise vor Wahlen, entscheiden? Wann kann man Whistleblowern trauen? Sicher ist, dass die Entscheidung, im Zweifel nicht zu berichten, auch ihre Konsequenzen hat. In den sozialen Medien, wo Millionen die Fotos und Videos sahen und sie in den klassischen Medien vermissten, geht der Vorwurf einer Zensur durch Unterlassung um.

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