Hillary Clinton - Weil sie eine Frau ist

Man kann sich die Freude in Donald Trumps Wahlkampf-Team vorstellen, als Hillary Clinton in New York zusammenbrach. Die Infragestellung ihrer Gesundheit ist aber nicht nur unfein, sondern auch sexistisch. Ziel der Spekulationen ist die vermeintliche Schwäche ihres Geschlechts

Hillary Clinton muss ständig Fragen zu ihrer Gesundheit beantworten / picture alliance
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Wenn es ein Wort gab, das mit John F. Kennedy während seines politischen Aufstiegs und seiner Zeit als Präsident assoziiert wurde, dann war es Vitalität. Nach dem buchhalterischen Dwight D. Eisenhower stand Kennedy für eine neue Generation von Politikern. Männer wie Kennedy würden mit im Wind wehenden Haaren „New Frontiers“ erobern, also die Grenzen verschieben im Kampf gegen Armut und Rassismus, aber auch im Weltraum und im Technologie-Krieg gegen die Sowjetunion. Nicht zuletzt Kennedys „eisernem Willen“ war es ja auch zu verdanken, dass Nikita Chruschtschow in der Kubakrise 1962 die sowjetischen Schiffe zurückbeorderte, so jedenfalls die Folklore.  

Kennedy war ein physisches Wrack

Wie wir heute wissen, hatte das Bild des kraftstrotzenden Präsidenten nicht viel mit der Realität zu tun. Kennedy litt unter einer Reihe von ernsthaften Krankheiten, die nur mithilfe von zahlreichen Pillen und Injektionen vor der Öffentlichkeit verborgen werden konnten. Seine quälenden chronischen Rückenschmerzen ließ er sich von Max Jacobson behandeln, der später als Prominentenarzt „Dr. Feelgood“ Karriere machte. „Mir ist es egal, ob es Pferdepisse ist“, soll Kennedy seinem Bruder Robert gesagt haben, „es funktioniert.“ Die Frage ist, war das physische Wrack John F. Kennedy ein guter Präsident? Während Historiker über sein Vermächtnis streiten, ist das Votum des amerikanischen Volkes klar: Es hält ihn nach Franklin D. Roosevelt für den besten der Geschichte.  

Hillary Clinton muss ihre Gesundheit dagegen schon beweisen, bevor sie überhaupt gewählt werden kann. Das tat sie. Im Juli veröffentlichte sie ein Attest ihrer Ärztin Lisa Bardack, das ihr bescheinigte, bei bester Gesundheit zu sein. Übrigens bevor Donald Trump seine Steuerklärung veröffentlichte. Die ärztliche Einschätzung hielt Trump und die Kommentatoren des konservativen Fernsehsenders Fox News aber nicht davon ab, ein Hüsteln, ein Blinzeln oder gar „ruckartige Kopfbewegungen“ als klares Zeichen ihres schlechten physischen Gesamtzustands zu werten. Auch wenn keiner von ihnen sich bisher als Koryphäe der Medizin hervorgetan hat.

Perfide Form des Sexismus

Man kann sich die High-Fives in Trumps Wahlkampf-Team vorstellen, als Clinton bei ihrem Auftritt am Rande einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des 11. September 2001 zusammensackte. Nun hat Hillary Clinton offenbar eine Lungenentzündung. Inwieweit Stress dafür der Auslöser war, wissen wir nicht. Aus der Ferne sind Diagnosen naturgemäß schwierig, zumal ohne medizinisches Fachwissen. Darum geht es aber Trump und seinen Helfern auch gar nicht. Es geht um die Frage, ob Clinton „fit genug“ ist, Präsidentin zu sein. Die Spekulationen drehen sich dabei nur vordergründig um ihre Gesundheit, sondern vielmehr um das kleine „i“: Hat tatsächlich eine Frau die Fähigkeit, das höchste Amt des Staates auszuüben?

Attacken auf den Gesundheitszustand eines Kandidaten, das ist an sich schon Wahlkampf der unfeinen Art. Bei Clinton kommt aber ein Aspekt hinzu, für den inzwischen gar kein Platz mehr sein sollte. Es ist eine besonders perfide Form des Sexismus. Ziel der Spekulationen ist nicht ihre Gesundheit, sondern die vermeintliche allgemeine Schwäche einer Frau, die es ihr verwehre, in einer Stresssituation die richtigen Entscheidungen zu treffen. Eine hässliche Variante des Arguments, Frauen würden emotional und nicht wie Männer rational agieren – ein Klassiker, der Frauen bei Führungspositionen traditionell an gläserne Decken stoßen und in gleichen Positionen weniger als Männer verdienen lässt.

Trump will bei Männern punkten

Warum Trump auf diese Weise die „Frauenkarte“ spielt, liegt auf der Hand. Clinton wäre nicht nur die erste Frau an der Spitze des Weißen Hauses, sie wäre auch nach John Quincy Adams, James Monroe, Martin Van Buren und James Buchanan erst die sechste, die zuvor sowohl im Senat als auch als Außenministerin tätig war. Trump hingegen wäre der erste Präsident, der zuvor weder ein politisches Amt ausgeführt noch im Militär gedient hat. Warum er trotz der fehlenden Erfahrung der bessere Präsident sein würde, liegt, so scheint jedenfalls die Strategie zu sein, an der bloßen Tatsache, dass er ein Mann ist.

Trump setzt offenbar darauf, dass diese Strategie bei Männern verfängt, die den größten Teil der Wähler der Republikaner ausmachen. „Trump 2016. Endlich jemand mit Eiern“ oder „Das Hillary-Menü. Zwei fette Hüften, zwei kleine Brüste, ein linker Flügel“ waren noch die harmloseren der zahlreichen frauenfeindlichen Slogans, die beim Parteitag der Republikaner zu sehen waren. Es ist ein Treppenwitz, dass dies ein großer Fehler sein könnte. Bis 1980 haben Frauen in den USA mehrheitlich republikanisch gewählt, erst Ronald Reagan und dessen rigoroses Eintreten für ein Abtreibungsverbot ließen das Frauenvotum zugunsten der Demokraten kippen. Selbst Analysten der Republikaner argumentieren, dass ein Kandidat der Partei vor allem mehr Stimmen der Latinos und von Frauen gewinnen muss als es Mitt Romney 2012 schaffte, um Präsident zu werden. Ob Trump das mit seinem offen fremdenfeindlichen und subtil sexistischen Wahlkampf gelingen wird, darf bezweifelt werden.

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