Begehrenswertes Grönland - „Die Arktis wird der neue Wilde Westen“

Donald Trump würde gerne Grönland kaufen. Dänemark will es aber nicht verkaufen. Der US-Präsident sagte deshalb seinen angekündigten Staatsbesuch ab. Ist das alles lächerlich oder muss man das Ansinnen ernster nehmen, als es zunächst wirkt? Antworten von Völkerrechtler Daniel Thym

Geht das Eis, kommt der Mensch / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Daniel Thym ist als Professor Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Konstanz.

Herr Thym, der US-Präsident sagt, er wolle Grönland käuflich von der dänischen Regierung erwerben. Ist das ein übliches Ansinnen?
Nein, mit Sicherheit nicht. Allerdings haben die USA in ihrer Geschichte große Teile ihres Landes erkauft. Im 19. Jahrhundert etwa durch den Louisiana Purchase, bei dem ein riesiger Landstrich von Kanada bis hinunter nach Texas von Frankreich an die Vereinigten Staaten ging. Das war historisch mit mehr als 2 Millionen Quadratkilometern der größte Grundstückskauf überhaupt. Ein paar Jahrzehnte später kaufte man dann noch das 1,6 Millionen Quadratkilometer große Alaska vom russischen Zarenreich.

Daniel Thym, Universiät Konstanz

Aber im 21. Jahrhundert wirken solche staatlichen Landkäufe doch aus der Zeit gefallen?
Das ist komplett absurd. Dagegen steht vermutlich schon das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Grönland hat innerhalb von Dänemark ja einen Autonomiestatus. Es wäre es also hochproblematisch, wenn die dänische Regierung das Land der Grönländer einfach so an die US-Regierung verkaufen würde.

Was sie ja auch nicht wollen. Aber angenommen, die dänische Regierung würde es sich überlegen.
Tatsächlich ist das Völkerrecht diesbezüglich äußerst vage. Es gibt da nicht die eine Regel, die man wie etwa beim Mietrecht mal eben anwenden kann. Es gibt aber Prinzipien, die eingehalten werden sollen. Dazu gehören das Selbstbestimmungsrecht und die internationalen Menschenrechte. Dänemark könnte nicht einfach über die internen Eigentumsrechte an Grund und Boden verfügen. Die müssten weiterhin in Privatbesitz bleiben.

Es wäre zumindest ein friedlicherer Akt als mit einer Art Schattenarmee fremdes Land, wie die Halbinsel Krim zu besetzen.
Ja, aber dennoch mutet es absolut lächerlich an und erinnert eher an das Brettspiel „Risiko“ als an realistische Politik. Dänemark ist immerhin Nato-Verbündeter der USA. Dort hat man das Ansinnen von Donald Trump wohl ohnehin nicht ernst genommen. Er aber offenbar schon, wenn er nun deshalb seinen geplanten Staatsbesuch absagt.

Trump dürfte kaum an Eisbären interessiert, sondern durchaus ernsthaft an den unmittelbaren Folgen des Klimawandels. Das ewige Eis schmilzt, neue geostrategisch wichtige Meeresrouten entstehen. Bodenschätze werden freigelegt. Was kommt da noch auf uns zu im nächsten Jahrzehnt?
Eine ganze Menge. Derzeit wird der Klimawandel vor allem als Risiko diskutiert, das er für die meisten Regionen auch ist. Doch es gibt neben den vielen Verlierern auch ein paar Gewinner im hohen Norden, wenn Bodenschätze freigelegt werden, geostrategisch wichtige Meeresrouten entstehen und neue Gegenden besiedelt werden. Die bizarre Trump-Idee hat insofern einen rationalen Hintergrund. Die Arktis wird der neue Wilde Westen.

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