Frankreichs Reaktion auf die US-Wahl - Nur Marine Le Pen hält einen Wahlsieg Trumps für sicher

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will sich nicht zum Wahlausgang in den USA äußern, bevor das Ergebnis nicht feststeht. Dass sich sein Amtskollege Donald Trump schon vorher zum Wahlsieger erklärt hat, wertet Frankreich als Angriff auf demokratische Grundwerte.

„Ich glaube, die Wiederwahl von Trump ist besser für Frankreich“: Marine Le Pen / dpa
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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Auch Paris wartet angespannt auf das Ergebnis der US-Wahl. Aber um größtmögliche Distanz zu Präsident Donald Trump zu dokumentieren, gilt für die offizielle Politik: Kein Ergebnis – kein Kommentar. Dafür blankes Entsetzen, dass es tatsächlich so knapp ist. Oder gar pro Trump enden könnte.

Le Figaro bezeichnet Trump als „Le grand pertubateur, den großen Störenfried“. Le Monde titelt entsetzt, „Während die Auszählung der Stimmen noch läuft, versichert Trump bereits, die Wahl gewonnen zu haben“. Auch Le Parisien bemerkt, dass Trump den Wahlsieg für sich beanspruche, während die Auszählung noch in vollem Gange sei. Der Leitartikler des Blattes bezeichnet Trump als den „Präsidenten, der Regeln und Gesetze verachtet“. La Liberation verweist auf die große Unsicherheit als derzeitigen Stand der Dinge. Und: „Das schlimmste aller Szenarien deutet sich an“. Nicht die Wähler, sondern Gerichte würden am Ende entscheiden, wer Präsident der Vereinigten Staaten werde.

Der Ausstieg der USA aus Klima-Abkommen brüskiert Paris

4. November 2020, 6 Uhr mitteleuropäische Zeit: Es gibt zwar kein endgültiges Wahlergebnis , aber ein anderes Faktum – die USA sind endgültig raus aus dem Pariser Klima-Abkommen von 2015. Präsident Donald Trump, der den Klimawandel nicht für eine Tatsache, sondern für eine unbewiesene These von Linken Spinnern einerseits und der chinesischen Führung andererseits hält, hatte das Abkommen vor einem Jahr aufgekündigt. Seit heute morgen ist diese Kündigung auch rechtskräftig. Die USA sind draußen. Die Erderwärmung bremsen zu wollen, ist für sie kein anzustrebendes Ziel mehr.

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Ob das Zufall ist, fragen sich viele Franzosen, traditionell für Verschwörungstheorien offen. Auch das ein Grund, warum Donald Trump sich hierzulande nicht gerade besonderer Beliebtheit erfreut. Klimapolitik findet eine Mehrheit der Franzosen ausgesprochen wichtig. Ein Abkommen zu kündigen, dass in Paris mit einem Präsidenten der Republik abgeschlossen wurde, betrachten sie als Affront.

Trump ist Gegenentwurf zu allem, was Frankreich heilig ist

Lediglich Marine Le Pen äußert Zufriedenheit und hält das Ergebnis auch für sicher: „Ich glaube die Wiederwahl von Trump ist besser für Frankreich“. Denn, so die Chefin des ultrarechten Rassemblement National weiter, „Ein Anführer, der die Rückkehr von Nation, von Patriotismus, von Grenzen und Souveränität fordert, steht auf der richtigen Seite der Geschichte“.

Selbst viele Anhänger von Le Pen teilen diese Meinung nicht unbedingt. Dafür ist Donald Trump viel zu sehr Gegenentwurf – zu allem, was in Frankreich für wichtig gehalten wird. Dass die Linke ihn aus den nämlichen Gründen ablehnt, die Le Pen positiv bewertet, ist klar. Aber auch deutlich konservative Kreise schätzen Trump nicht: Kein Benehmen, keine Bildung, kein Charme und kein Stil, lautet ihr für französische Verhältnisse vernichtendes Urteil. Denn damit fehlt dem US-Präsidenten buchstäblich alles, was man in Frankreich für wichtig, ja unabdingbar erachtet.

Angriff auf demokratische Mindeststandards 

Den Wahlsieg für sich zu reklamieren, um ein Ergebnis vorwegzunehmen, dass noch nicht sicher bestätigt ist, gilt als Verletzung demokratischer Mindeststandards. Und auf Angriffe auf demokratische Grundwerte, reagiert man hierzulande gerade nach den Attentaten der vergangenen beiden Wochen hoch empfindlich. 

Finanzminister Bruno Le Maire, erklärt am Morgen im Radio, „die USA waren (in den letzten 4 Jahren) kein freundlicher Partner der EU“, um gleich hinzuzufügen, „Ob die Amerikaner nun Biden oder Trump wählen, macht keinen nennenswerten Unterschied für die strategische Tatsache, dass Amerika sich vom europäischen Kontinent abgewendet hat“, und dass es daher Zeit für Europa sei, die eigenen Belange auch in die eigenen Hände zu nehmen.

Die eigene Politik stärken, statt auf die USA zu starren 

Es ist eher nicht damit zu rechnen, dass Emmanuel Macron sich zum Wahlausgang äußert, bevor er nicht einem Amtskollegen zu dessen Wahl gratulieren kann. Und insofern spiegelt Le Maire eine französische Grundposition.

Die lautet, man solle aufhören, immer auf den großen Verbündeten jenseits des Atlantik zu starren und statt dessen die eigene Politik stärken. Viel mehr und groß anderes wird man aus Paris wohl nicht hören, ehe nicht definitiv ein neuer US-Präsident feststeht. Außer vielleicht „verwunderte“ Kommentare über das Demokratieverständnis in den USA.

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