Cicero im April - Feueralarm in Europa

Kurz vor der Europawahl ist von Enthusiasmus für die EU kaum etwas zu spüren. Die Briten wollen das Bündnis verlassen, wissen aber nicht wie, den EU-freundlichen Parteien laufen die Wähler davon. Im neuen „Cicero“ gehen wir der Frage nach, ob das Endspiel um Europa schon begonnen hat

Die Wähler verweigern ihren Regierungen zunehmend die Gefolgschaft. Ist die EU am Ende? picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es ist ein trauriges Bild, das der europäische Kontinent und sein politisches Bündnis abgeben. Morsch und museal wirkt Europa. In einer insolventen Werft in Norddeutschland liegt wie ein Sinnbild dessen ein vermodertes Segelschulschiff der Bundeswehr auf dem Trockendock und verschlingt 100 Millionen Euro, um das Gestern zu restaurieren. Von den Alpen über Paris bis ans Nordkap bereisen Asiaten Europa, das sie wie ein Freilichtmuseum des vorherigen Jahrhunderts bestaunen. Die Briten haben derweil beschlossen, sich aus der Veranstaltung zu verabschieden, und sei es um den Preis des eigenen Niedergangs.

Sloterdijk sieht „Versammlung ratloser Homöopathen“

Prophetisch nimmt sich da eine Passage der Tagebuchnotizen von Peter Sloterdijk aus dem Jahr 2012 aus. Der deutsche Philosoph war zu einem diskreten Tischgespräch des damaligen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy geladen, das es wert gewesen wäre, dokumentiert zu werden. Und sei es nur, schreibt der politische Seismograf, „um eines Tages belegen zu können, in welchem Maß die Melancholie in Brüssel zeitweilig den Ton angab“. Der Tagebucheintrag endet mit der sarkastischen Sentenz: „Der Empfangsraum des Herrn Van Rompuy ist jetzt die höchste Krankenstube der Welt. Wir sitzen um den Tisch wie eine Versammlung ratloser Homöopathen, die sich mit der Renitenz mancher Krankheiten gegen unsere Kügelchen abfinden müssen.“ Resistenz gegen die Globuli der  Euro-Homöopathen: Der französische Philosoph Alain Finkielkraut hat dieser Tage befunden, dass die europäischen Regierungen in den vergangenen Jahren so stark gegen den Willen ihrer Bevölkerungen Politik gemacht hätten, dass die Wählerinnen und Wähler ihren Regierungen nun die Gefolgschaft verweigerten. 

Erleben wir diesen Moment bei den Europawahlen am 26. Mai? Die Kollegen Alexander Marguier, Christoph Seils und Eric Bonse sind in den vergangenen Wochen unterwegs gewesen, um der Frage nachzugehen, ob diese letzten Tage des politischen Gebildes namens Europäische Union wirklich angebrochen sind. Der Historiker David Engels präsentiert in einem Essay einen Gegenentwurf zum derzeitigen Europa, der sich an einem frühen historischen Vorbild orientiert.

 

Die April-Ausgabe des Cicero, erhalten sie ab morgen am Kiosk oder in unserem Online-Shop. Lesen Sie außerdem im neuen Heft:

 – Im Antifa-Tunnel: der fragwürdige Kampf der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus

 – Die Kurtisane aus der Provinz: die Enthüllungen eines russischen Sexsternchens

 – Schief im Westen: wie das Ruhrgebiet versucht, eine Zukunft zu finden

 - Tyrann am Taktstock?: struktureller Machtmissbrauch in der Klassikszene













 

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