EU Beitritt der Balkanländer - Zähe Prozedur

Das Gymnich-Treffen hat eine lange diplomatische Tradition. Dieses Jahr fand es in Sofia statt. Im Mittelpunkt stand die mögliche Erweiterung der EU um die Länder des Westbalkans. Doch große Fortschritte gab es nicht. Der Name eines Staates sorgt immer noch für Streit

Sigmar Gabriel auf dem Weg von Kosovo nach Bulgarien zum Gymnich-Treffen / picture alliance
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Frank Stier ist Korrespondent für Südosteuropa und lebt in der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

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Lange bevor Schloss Gymnich in den neunziger Jahren als Residenz der Kelly-Family zu Popularität gelangte, war es der Ursprungsort einer besonderen Art diskreter Diplomatie. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher lud 1974 europäische Amtskollegen zu einem Treffen auf die Wasserburg in der rheinländischen Erftaue ein. Sie sollten in idyllischer Umgebung und zwangloser Atmosphäre über politische Probleme der Zeit und mögliche Lösungsstrategien konferieren. Der Inhalt ihrer Gespräche blieb vertraulich, Journalisten war der Zutritt verwehrt. Genschers Idee erwies sich als nachhaltig und Gymnich-Treffen wurden zur Tradition. Jedes EU-Land richtet im Rahmen seiner halbjährlichen EU-Ratspräsidentschaft ein solches aus.

Das Gymnich-Treffen, das in diesen Tagen in Sofia stattfand, war indes kein typisches. Bereits im Vorfeld wurde kommuniziert, worüber gesprochen werden sollte: Syrien, Nordkorea und den Westbalkan. Zwar lud auch Bulgariens Außenministerin Ekaterina Sacharieva ihre Kollegen in einen Palast, doch Sofias Nationaler Kulturpalast (NDK) hat so gar nichts gemein mit der Gymnicher Wasserburg. Er ist eine architektonische Megastruktur und ein Kulturdenkmal des Bulgariens der spätsozialistischen 1980er Jahre. „Es ist nicht intim, aber bequem, schön, sehr schön“, lobte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini den frisch renovierten, noch nach Farbe riechenden Konferenzsaal des NDK höflich.

Sorge über Konflikt zwischen Türkei und USA

Statt sich zwanglos auszutauschen, mussten Europas Top-Diplomaten zähe protokollarische Prozeduren durchlaufen. Beim „Doorstep“ hatten sie den am NDK-Eingang in eisiger Kälte lauernden Journalisten kurze, meist belanglose „Statements“ in die Kameras zu sagen. „Was erwarten Sie vom heutigen Treffen?“. „Es ist ein Gymnich-Treffen. Ich erwarte, dass wir über die Themen Syrien, Nordkorea und Westbalkan sprechen werden“. Beim „Handshake“ standen sich Gastgeberin Ekaterina Sacharieva und Federica Mogherini über eine Stunde die Beine in den Bauch, um mit jedem Minister einmal in die Kamera gelächelt zu haben. 

Von einem Besuch in der kosovarischen Hauptstadt Pristina kommend, absolvierte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) seinen Doorstep mit einstündiger Verspätung. Er äußerte sich besorgt über die Konfrontation zwischen der Türkei und den USA im Nordirak und forderte, die EU müsse „den politischen Prozess in Gang" bringen, um die militärische Eskalation zu stoppen. Die Frage zu seiner persönlichen Situation ließ er unbeantwortet. „Die Situation in Syrien wird immer schwieriger und dramatischer“, gestand EU-Außenbeauftragte Mogherini zu. Die EU sei bereit, Ressourcen für die Wiederherstellung des Landes und den demokratischen Übergang zu sichern. Am 24. und 25. April 2018 werde es eine weitere Syrien-Konferenz in Brüssel geben, kündigte sie an. „Aber alle Wege führen nach Genf.“ Es seien vor allem die Vereinten Nationen, die in dem Konflikt vermitteln müssten. Die Sanktionen gegen Nordkorea will die EU „trotz ermutigender Signale von den Olympischen Spielen“ nicht aufheben, so Mogherini. Zu einer der nächsten Ministerratssitzungen will sie Südkoreas Außenministerin Kang Kyung Hwa nach Brüssel einladen 

Glaube an das Regatta-Prinzip

Der zweite Tag war dem Schwerpunkt Westbalkan gewidmet. Bundesaußenminister Gabriel und sein britischer Amtskollege Boris Johnson waren dann schon wieder weg. Dafür stießen die Außenminister von Albanien, Bosnien-Herzegovina, Mazedonien, Montenegro und Serbien dazu. Albaniens Außenminister Ditmir Bushati begrüßte die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 6. Februar 2018 verkündete EU-Westbalkanstrategie. Sie nennt das Jahr 2025 als zeitlichen Horizont für eine mögliche EU-Erweiterung durch Westbalkanstaaten, definiert Schwerpunktbereiche für verstärkte Kooperationen und verspricht eine Erhöhung der finanziellen Beitrittsvorbereitungsunterstützung. „Ich würde mir genauere Informationen wünschen über die nächsten Schritte, die von den Beitrittskandidaten erwartet werden und über die Maßnahmen und Finanzinstrumente, die die Europäische Union anbieten kann“, sagte Minister Bushati. 

Montenegros Außenminister Srdjan Darmanovic erhofft sich für sein Land einen früheren EU-Beitrittstermin. „Wir glauben an das Regatta-Prinzip und daran, dass jedes Land an seinen Verdiensten gemessen werden sollte“, sagte er, 2025 sei ein Zeitrahmen, aber kein fixer Termin. Eine frühere EU-Erweiterung befürwortet auch sein ungarischer Kollegen Péter Szijjártó. „Serbien und Montenegro sind durchaus bereit, auch schon zum Jahr 2022 der EU beizutreten“, sagte er. 

Namensstreit um Mazedonien nicht beigelegt

Es war erwartet worden, die Außenminister Griechenlands und Mazedoniens, Nikos Kotsias und Nikola Dimitrov, würden am Rande des Gymnich-Treffens über den seit nunmehr 27 Jahren anhängigen Streit um den Staatsnamen Mazedonien sprechen. Dazu kam es nicht. Dennoch wird für die kommenden Tage erwartet, dass Griechenland einen Namensvorschlag unterbreiten wird, nachdem die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien (EJRM) bereits signalisiert hat, einen geographischen Zusatz zum Landesnamen Mazedonien akzeptieren zu können. Die Lösung des Namensstreits gilt als Voraussetzung für Mazedoniens Beitritt zur NATO und zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. 

Noch im Rahmen der bis Ende Juni 2018 dauernden bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft könne der Namensstreit beigelegt werden, hofft EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Skeptischer ist er bezüglich der Beziehungen der EU zur Türkei; da gebe es „keine ausreichenden Signale für eine Wiederannäherung an die EU“. Deshalb sei es zu früh, um von Entspannung im Verhältnis zu Ankara zu sprechen. Nach wie vor seien die rechtsstaatliche Entwicklungen in der Türkei „nicht zufriedenstellend". Am 26. März 2018 wird es in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Varna einen EU-Türkei-Gipfel geben.  

Während auf dem Gymnich-Treffen in Sofia die Integrationsperspektiven der EU-Beitrittskandidaten erörtert wurden, äußerte sich Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissov auf der Münchner Sicherheitskonferenz unzufrieden darüber, dass die EU-Integration seines Landes zehn Jahre nach seinem Beitritt noch immer unvollständig ist. „Nachdem wir seit Jahren alle Kriterien erfüllt haben, wird es Zeit für die Aufnahme unseres Landes in den Schengener Raum und die Eurozone“, sagte er. Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder hat sich beim politischen Aschermittwoch indes explizit gegen eine Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Eurozone ausgesprochen. 

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