Enthüllungen zu Donald Trump - Hysterische Verhältnisse

Die Unruhe um Donald Trump und auch dessen Nervosität könnten kaum größer sein. Neue Enthüllungen mehren Zweifel an seinen Fähigkeiten. Während die Wirtschaft boomt, sacken seine Umfragewerte kurz vor den Kongresswahlen ab

Der Präsident kämpft gegen Indiskretionen / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Ein neues Buch des amerikanischen Star-Journalisten Bob Woodward mit dem bezeichnenden Titel „Fear“ – (Angst) über den US-Präsident macht bereits vor dem Erscheinen Riesenschlagzeilen und führt zu heftigen Reaktionen von Donald Trump – wenige Wochen vor entscheidenden Kongresswahlen. Und in der Nacht kam noch mehr: Ein führender Mitarbeiter aus der Trump-Regierung bestätigt anonym in der New York Times, dass es sich rund um den Präsidenten viele zur Aufgabe gemacht haben, ihn an der Umsetzung von Projekten zu hindern, die die nationale Sicherheit gefährden. Die am häufigsten in Washington gestellte Frage ist derzeit: Wer steckt hinter diesem ungeheuren Angriff?

In Washington tut sich Ungeheuerliches. Manche Kommentatoren halten es bereits für eine Art stillen Staatsstreich, was sich da gerade im Weißen Haus abspielt. Enge Mitarbeiter des US-Präsidenten sabotieren seine Arbeit, mit einem hehren Ziel: das Schlimmste von Amerika und der Welt abzuwenden.

Das behauptet jedenfalls der anonyme Schreiber des New York Times-Artikels. Die Zeitung versichert, sie kenne den Mann, er sei authentisch. Dabei blieb offen, ob er direkt im Weißen Haus oder an anderer Stelle in der Regierung sitzt. Er gibt den zahlreichen schwerwiegenden Beschreibungen des Chaos-White House durch den Journalisten Bob Woodward zusätzliches Gewicht, der ebenfalls zu wissen glaubt, dass Mitarbeiter sogar Schreiben von Trumps Schreibtisch stehlen, um in darin zu hindern, sie zu unterschreiben.

Keine Effekthascherei, sondern Recherche

Bob Woodward ist nicht irgendwer. Er war einer der beiden Reporter, die den Watergate-Skandal durch beharrliche Recherchen aufdeckten und damit US-Präsident Richard Nixon zum Rücktritt zwangen. Er hatte damals eine anonyme Quelle, die sich „Deep throat“ (Tiefe Kehle) nannte – es sollte sich Jahrzehnte später herausstellen, dass es sich um den stellvertretenden FBI-Direktor handelte. Inzwischen hat Woodward Bücher über alle US-Präsidenten seither veröffentlicht, und jetzt über den, der am stärksten polarisiert und zu Kontroversen einlädt: Donald Trump.

Er beschreibt, und stützt sich dabei auf Video- und Tonbandmitschnitte, eine Umgebung von Donald Trump, die diesen für völlig ungeeignet für dieses Amt hält. Sein Stabschef Ex-General John Kelly soll ihn einen „Idioten“ genannt haben, sein Verteidigungsminister Jim Mattis soll ihm das Verständnis eines „Fünft- oder Sechst-Klässlers“ nachgesagt haben.

Natürlich haben beide das öffentlich dementieren müssen, und Donald Trump und seine Pressesprecherin Sarah Hackabee Sanders werden nicht müde, sowohl das Woodward-Buch wie vor allem den Essay in der New York Times volles Rohr zu attackieren.

Eine Zersetzung der Regierung Trump

„Verrat?“ twitterte Trump nun umgehend und verlangte, wenn diese „ anonyme, feige Person“ wirklich existiere, dann müsse ihn die New York Times „aus Gründen der nationalen Sicherheit sofort der Regierung überstellen“. Und seine Pressesprecherin verlangte in einer offiziellen Erklärung: „Dieser Feigling sollte das Richtige tun und zurücktreten“.

Nur: Bisher weiß man noch nicht, wer er ist. Wer ist der neue „Deep throat“?  Die Suche läuft mit Hochdruck, und sowohl auf Seiten der Regierung wie auch bei den Medien wird das in der überschaubaren Zukunft alles andere überschatten. Aber sowohl der Essay dieses Mitarbeiters wie auch das Woodward-Buch finden seit Monaten Bestätigung in vielen anderen Zeugnissen von gegenwärtigen und Ex-Mitarbeitern, die im Kern ein Bild von einem Präsidenten bestätigen, der für dieses Amt unfähig ist.

Dabei betont der Essay-Schreiber, dass er wichtige Richtungsentscheidungen von Donald Trump ausdrücklich unterstützt, vor allem, was die Wirtschaft betrifft. Sie hätten Amerika bereits reicher und sicherer gemacht. Um dann jedoch umso heftiger auszuteilen, was Trumps Befähigung angeht, das Land zu führen.

Angst vor der Verfassungskrise

Kostproben: Trump sei „ungestüm, feindselig, gemein und uneffektiv”. Rund um ihn gebe es jedoch „Erwachsene im Raum“, die sich im Kabinett auch schon die Frage gestellt hätten, ob man nicht einen Verfassungsartikel (25. Amandment) anwenden müsse, der Trump wegen Unfähigkeit aus dem Amt entferne. Aber letztendlich habe niemand eine Verfassungskrise gewollt.

Während man eigentlich „den Erfolg der Regierung“ wolle, so glauben „wir, dass unsere erste Pflicht dem Land gehört, und der Präsident weiterhin auf eine Art handelt, die schädlich für die Gesundheit der Republik ist“. Um dann zu beschreiben, welche Schlüsse man in seiner Umgebung daraus zieht: „Deshalb haben viele von Trump Berufene geschworen zu tun was wir können, um unsere demokratischen Institutionen zu erhalten,  indem wir Trumps mehr fehlgeleitete Impulse vereiteln, bis er sein Amt verlässt“.

Auch Bob Woodward beschreibt diese Anstrengungen von Mitarbeitern in seinem Buch im Detail – was Trump als „ein totales Stück Fiktion“ bewertet. Beide übereinstimmende Analysen von Donald Trumps Präsidentschaft kommen zu einer Zeit, wo sich in den vergangenen Wochen eine Trendwende in der öffentlichen Meinung erkennen lässt. Laut jüngsten Umfragen verfügt der Präsident nur noch über eine Unterstützung von 36 Prozent. Auch bei den Republikanern, die in ihrer großen Mehrheit bisher zu Trump standen, sinken derzeit die Zustimmungsraten – all das vor diesen neuen Veröffentlichungen. Und natürlich kommen sie zur Unzeit.

Totaler Crash oder alles wie immer?

Am 6. November gibt es Kongresswahlen. Dabei geht es zwar nicht direkt um Trump, aber sie werden dennoch das entscheidende Stimmungsbild sein, wie es tatsächlich um das Ansehen dieser Präsidentschaft bestellt ist. Im Augenblick werden die Schlagzeilen über die neuen Enthüllungen das öffentliche Bild beherrschen. Die Republikaner halten sich bislang zurück, kommen aber zunehmend unter Druck, sich zu erklären, wie sie es mit Donald Trump halten. Dieser reagiert indes per Twitter immer hektischer und greift seinen eigenen Justizminister Jeff Sessions und damit die unabhängige Justiz immer heftiger an.

Aber die eigentliche Herausforderung steht nach wie vor aus. Noch immer ermittelt der FBI-Sonderermittler Robert Mueller rund um die Russland-Einmischungen in den US-Wahlkampf. Eine stattliche Reihe von Beschuldigten aus dem Trump-Orbit sind bereits angeklagt oder schon verurteilt. In einem Fall rund um die Schmuddel-Affären mit seinen Frauengeschichten hat es auch schon Trump direkt getroffen, aber der eigentliche Bericht kommt erst noch.

Im Augenblick bleibt die Frage: Treibt die Trump-Präsidentschaft einem Crash entgegen, mit weltweiten Folgen? Oder ist das nur ein Riesensturm in einem Wasserglas, den Trump abwettern wird, der sich immer noch auf Millionen von Anhängern glaubt verlassen zu können, die zu ihm stehen, egal was er tut?

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