Dürre in Afrika - „In dieser Intensität haben wir das noch nicht erlebt“

UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien hatte einen eindringlichen Appell an die Weltgemeinschaft gerichtet: In Afrika drohen 20 Millionen Menschen zu verhungern. Die Internationale Gemeinschaft stehe vor der „größten humanitären Katastrophe“ seit ihrer Gründung im Jahr 1945

Ostafrika droht komplett zu verwüsten / picture alliance
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Christina Förster ist freie Journalistin und lebt in Berlin.

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Herr von Heimendahl, wie sieht zurzeit die Situation in Ostafrika aus?
Es herrscht eine Dürre, die sich von Somalia über Kenia bis nach Äthiopien erstreckt. Die betroffene Region wird von Woche zu Woche größer. Schon vergangenes Jahr ist der Regen ausgeblieben und die Wasserspiegel sind stark gesunken. Normalerweise gibt es von März bis April eine kurze Regenzeit, in der die Flüsse wieder anfangen, ein bisschen Wasser zu führen – aber der Regen ist in letzter Zeit einfach ausgeblieben.

Wie geht es der Bevölkerung?
Die Bevölkerung in der Region ist chronisch unterernährt. Weil die Regenfälle ausblieben, konnten die Menschen nichts anbauen, sie sind abgemagert und dürr. Deshalb machen wir momentan darauf aufmerksam, dass, wenn jetzt nichts passiert, man es auch im Mai, Juni und Juli nicht mehr auffangen kann. Wenn wir jetzt nichts tun, wird in diesen Monaten die Katastrophe am schlimmsten sein.

Wie viele Menschen sind akut betroffen? 
Heute sprechen wir von 5,2 Millionen betroffenen Menschen in Somalia, 5,6 Millionen in Äthiopien und circa 2,6 Millionen in Kenia.

Wie gehen die Menschen mit der Situation um?
Die meisten Menschen in dieser Region sind Nomaden. Sie haben kein großes Bankkonto auf das sie in Notsituationen zurückgreifen können. Ihr Bankkonto sind ihre Viehherden, Kühe, Ziegen oder Kamele. Man sieht jetzt schon, dass Krankheiten, die aufgrund von Wassermangel und schlechter Ernährung ausbrechen, große Teile von Viehherden dahinraffen. Wenn man in die Region fährt, sieht man die gestorbenen Rinder und Kamele. Die Ziegen kommen noch am besten mit der Dürre klar. Aber auch dort fängt es an, schwierig zu werden. Momentan gibt es verschiedene Wege der Bevölkerung im Umgang mit der Dürre: Die einen wandern von Somalia nach Äthiopien, man sieht viele Gruppen auf der Suche nach Weidegrund. Andere versuchen, in Richtung Süden abzuwandern. Was dann passiert ist, dass Familien getrennt werden. Die Frauen bleiben zurück, denn die Männer sind traditionell die Viehtreiber, die mit dem Vieh auf der Suche nach Wasser und Weidegründen umherziehen.

Clemens von Heimendahl

Was tut die Katastrophenhilfe dagegen?
Wir helfen hauptsächlich mit Wasser. Wir haben mit dem sogenannten Water Trucking angefangen, das bedeutet, dass man LKWs mit Wasser aus Tiefbrunnen belädt und diese dann in verschiedene Regionen schickt. Hauptsächlich ist das Wasser für die Menschen, aber auch für das Vieh. Wasser ist das Allernotwendigste: Man kann seine Ernährung auf eine Mahlzeit am Tag reduzieren, ohne Wasser aber stirbt man.

Bekommen Sie da Unterstützung?
Es gibt verschiedene Koordinationsgremien, in denen wir zusammen mit internationalen Hilfsorganisationen sitzen, auch mit der UN. Dort werden Pläne erstellt: Wer macht was? Wo? Wie? Für wie lange? Es wird ganz klar abgesprochen, wer wofür zuständig ist. Wir wollen, dass die wenigen vorhandenen Ressourcen für diese Region auch gezielt zu den Leuten gelangen. Und wir achten darauf, dass nicht doppelt verteilt wird. Dafür bitten wir im Augenblick dringend um Geld, weil wir ansonsten nur begrenzt arbeiten können. Der Bedarf steigt von Tag zu Tag, von Woche zu Woche.

Wie funktioniert der Transport der Hilfsgüter?
In Somalia, Kenia und Äthiopien verfügen wir über eine gewisse Infrastruktur. Es gibt Wege und Straßen und es sind LKWs vorhanden, die man anmieten oder beauftragen kann, Wasser oder Lebensmittel zu transportieren. Es ist nichts Neues für die Region, Hilfe von außen zu bekommen. Aber in der Intensität, in der sich das im Augenblick hier entwickelt, haben wir es seit langer Zeit nicht mehr erlebt.

Wo kommt die Trockenheit Ihrer Meinung nach her?
Was hier im Augenblick passiert, hat ganz klar mit dem Klimawandel zu tun. Man wird über die nächsten Jahre sehen müssen, wie sich das Klima in dieser Region entwickelt und ob der Regen sich dauerhaft reduzieren wird. Es droht eine komplette Verwüstung, also eine Ausdehnung von Wüsten in dieser Gegend, in der dann niemand mehr leben kann. Man muss hier vor Ort mit den Menschen arbeiten, ihnen neue Perspektiven schaffen.

Welche Perspektive sehen Sie für die Region?
Erst einmal müssen wir schauen, dass wir diese Katastrophe abwenden. Auf lange Sicht müssen mehr Wasseranlagen zur Verfügung gestellt werden. Es muss auf die Leute einwirkt werden, die Viehherden zu begrenzen und außerdem aufgezeigt werden, dass es auch andere Einkommensmöglichkeiten gibt. Es sind auch bereits Technologien vorhanden, durch die man an Wasser herankommt, wie beispielsweise Entsalzungsanlagen. Wichtig ist, dass allen klar ist, dass Aktivitäten wie die Kürzung von Mitteln verschiedener NGOs, Kirchenorganisationen und der UN einen sofortigen Effekt auf die Bevölkerung haben. Die Aussicht ist im Augenblick nicht rosig.

Clemens von Heimendahl ist Leiter des Regionalbüros der Diakonie Katastrophenhilfe Südliches und Östliches Afrika mit Sitz in Nairobi, Kenia. Auch in Äthiopien und an der somalischen Grenze ist er regelmäßig vor Ort.

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