Trump droht mit Raketenangriff - Der Twitter-Krieger

Donald Trump kündigt auf Twitter einen Raketenangriff auf Syrien an. Offenbar verwechselt er Weltpolitik mit einem Videospiel. Doch das Getöse verdeutlicht nur seine Ratlosigkeit und Schwäche. So macht er die Welt für alle gefährlicher

Donald Trump: ein verwöhntes Kind, das tumb durch die Weltpolitik stolpert / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Ich lese gerade William Taubmans neue Biografie über Michail Gorbatschow. Ein großer Teil dieses 800-Seiten-Werks widmet sich den Machtspielen und Rankünen innerhalb von Zentralkomitee und Politbüro im tiefsten Kalten Krieg. Natürlich werden auch die Geschehnisse auf amerikanischer Seite gewürdigt, insbesondere unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan. Ältere Semester erinnern sich vielleicht noch an dessen provokativ-ironische Mikrofonsprechprobe, bei der er 1984 eine Bombardierung der Sowjetunion innerhalb der nächsten fünf Minuten ankündigte. Angeblich war das Ganze nicht für die Öffentlichkeit gedacht; trotzdem schlug es weltweite Empörungswellen.

Gute, alte Zeiten. Denn entgegen seinem Ruf war Reagan keineswegs ein unversöhnlicher Kriegstreiber, sondern durchaus an einem Dialog mit dem neuen Mann im Kreml interessiert. Der 40. Präsident der Vereinigten Staaten war auch kein Schauspieler, der sich zufällig in die Politik verirrt hatte, sondern ein erfahrener Staatsmann mit klaren Vorstellungen und einem Stab hochkompetenter Mitarbeiter. Nichts anderes galt für Gorbatschow. Obwohl sich Amerika und die Sowjetunion damals als Weltmächte in einem schwelenden und noch dazu ideologisch aufgeladenen Konflikt gegenüberstanden, agierten beide Seiten höchst rational. Was letztlich die Voraussetzung dafür war, dass die spätere Implosion des sowjetischen Imperiums ohne allzu große militärische Kollateralschäden über die Bühne ging.

Trump macht die Welt unsicherer

Inzwischen heißt der amerikanische Präsident Donald Trump, und eines ist jedenfalls sicher: Die Welt ist unter seiner Ägide deutlich unsicherer geworden. Dass der Anführer der mit Abstand wichtigsten Nato-Streitmacht jetzt via Twitter gewissermaßen Kriegserklärungen verbreitet, ist für sich genommen schon irrsinnig genug und nährt den Eindruck, der Mann verwechsele hartnäckig die Weltpolitik mit einem Videospiel. Das könnte man sogar noch als eine strategische Finte verbuchen – mit der sogenannten Madman-Theorie versuchte die US-Regierung in den siebziger Jahren ihre Gegner davon zu überzeugen, der damals amtierende Präsident Richard Nixon sei in Wahrheit unzurechnungsfähig und deshalb besonders gefährlich. Allerdings fehlt mir mit Blick auf Trump inzwischen jede Fantasie, dass er einem ähnlichen Kalkül folgen könnte. Oder sollte wirklich strategische Absicht dahinter stehen, wenn er Russland via Twitter und in Kindersprache einen Gegenschlag auf syrischem Bürgerkriegsgebiet ankündigt: „Get ready Russia, because they will be coming, nice and new and ,smart!‘ You shouldn’t be partners with a Gas Killing Animal who kills his people and enjoys it!“

Hier scheint eher ein in jeder Hinsicht überforderter, schlecht beratener und verantwortungsloser Staatschef immer noch nicht begriffen zu haben, dass Kurznachrichtendienste kein Ersatz für diplomatische Kanäle sind.

Hinter dem Getöse: Ratlosigkeit und Schwäche

Offenbar hat Donald Trump, und das ist inzwischen mehr als deutlich zu erkennen, nicht das geringste Konzept für eine amerikanische Nahost-Politik, die spätestens mit der US-Invasion des Irak im Jahr 2003 die bis heute andauernden Verheerungen in der gesamten Region wesentlich mit ausgelöst hat. Nun wird man Trump nicht unterstellen dürfen, dass er überhaupt ein Sensorium dafür besitzt, was dort im Namen der vermeintlichen Sicherheit seines eigenen Landes angerichtet wurde. Er scheint aber auch keinerlei Konzept dafür zu haben, wie wenigstens primär amerikanische Interessen zwischen Syrien, Iran, Irak und Afghanistan wahrgenommen werden könnten. Zwischen angekündigtem Totalrückzug, dem Abwurf der „Mutter aller Bomben“ in Afghanistan vor einem Jahr und der aktuellen Ankündigung „Get ready Russia“ wird bei allem Getöse nur eines deutlich: Ratlosigkeit und Schwäche. Genau diese Kombination ist es, die Trump so gefährlich macht. Er ist eben kein Nixon, der den Wahnsinn nur vorzutäuschen sucht, und erst recht kein Reagan, der mit Mikrofonproben Politik macht. Sondern ein großes, verwöhntes Kind, das tumb durch die Weltpolitik stolpert und geradewegs einem Krieg entgegentrampelt, dessen Tragweite völlig unabsehbar ist.

Putin im Vergleich ein Anker der Stabilität

Man sollte immer vorsichtig damit sein, das Handeln von Politikern allein aus einer tagesaktuellen Perspektive heraus zu beurteilen; insbesondere der zu seiner Zeit vom linksliberalen Milieu verhöhnte Ronald Reagan erweist sich in der historischen Rückschau als einer der bedeutendsten Politiker in der amerikanischen Geschichte. Aber Reagan war der Präsident einer vor Kraft strotzenden Nation. Trump ist nur deshalb gewählt worden, weil den Bürgern der Vereinigten Staaten sehr schmerzlich bewusst ist, dass sich ihr Land als Hegemonialmacht im Niedergang befindet. Durch Großmäuligkeit allein wird sich diese Entwicklung allerdings nicht aufhalten lassen, und auch nicht durch einen komplett undurchdachten, auf reinen Affekten basierenden Eskalationswillen gegenüber Russland. Verglichen mit Trump und seiner erratischen, stets wechselnden Regierungsmannschaft erscheint Putin tatsächlich wie ein Anker der Stabilität. Was er zwar nicht ist, aber eine gewisse Stringenz und Berechenbarkeit wird man der russischen Außenpolitik nicht absprechen können. Damit steht sie in einer langen Kontinuität, während Amerika inzwischen nicht mehr weiß, wohin. Schlechte Nachrichten.

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