Donald Trump und Kanye West - Auch Schwarze können Trump mögen

Ausgerechnet der erfolgreiche schwarze Rapper Kanye West unterstützt Donald Trump. Die liberale Elite zeigt sich empört. Doch schon einmal bekam sie die Quittung dafür, dass sie abweichende Meinungen einer Bevölkerungsgruppe verdammte

Kanye West musste harsche Kritik für seine Unterstützung Donald Trumps einstecken / picture alliance
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Autoreninfo

Andreas Backhaus studierte Volkswirtschaftslehre in Deutschland, Polen und Frankreich. 2018 wurde er an der LMU München promoviert. Er arbeitet in der europäischen Politikberatung

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Ein prägendes Merkmal der Person und des Präsidenten Trump ist, dass er keinen Respekt davor zu haben scheint, was er laut Meinung seiner Mitmenschen tun kann und was nicht. So wandte er gegenüber Nordkorea eine neue Form der Diplomatie an. Wie es scheint, durchaus erfolgreich. Während diese Weigerung zur Selbstbeschränkung gewiss auch ihre Schattenseiten hat, so sollte ihre Wirkung auf einer breiteren gesellschaftlichen Ebene nicht unterschätzt werden. Denn sie erweitert den geistigen Rahmen der Menschen mit Blick auf das, was für möglich gehalten wird. 

Der Comiczeichner Scott Adams, der seit einigen Jahren täglich die US-amerikanische Politik kommentiert, spricht von einem Ausbruch aus einem „geistigen Gefängnis“. Sobald die Begrenzungen des Lebens eher als mental denn real verstanden werden. Ein Indiz dafür findet sich ausgerechnet beim heikelsten gesellschaftlichen Thema der USA: der Situation der schwarzen US-Amerikaner. Nun hat ausgerechnet Kanye West, einer der erfolgreichsten Rapper und für viele Schwarze ein Vorbild, sich als Trump-Unterstützer geoutet. Was war geschehen? Candace Owens, eine junge, schwarze Aktivistin, vertrat zunächst linksliberale Positionen, bevor sie ins republikanische Lager gewechselt ist. Dort ist sie nun für die NGO „Turning Point USA“ tätig. In dieser Funktion hat sie kürzlich einige Protestierende der Gruppe „Black Lives Matter“ öffentlich abgefertigt, indem sie deren Fixierung auf die tragische Vergangenheit der schwarzen Amerikaner angegriffen hat.

Kritik der linken Presse

Durch einen Tweet von Kanye West erhielt Owens eine große Aufmerksamkeit. West sorgte mit nur sieben Worten für einen wahren Riss in den Weltbildern der Amerikaner, die sich links der Republikaner verordnen: „Ich liebe Candace Owens Art zu denken.“

Die Aussage ist einfach, aber gerade dadurch entfaltet sie in Zeiten der „identity politics“ ihre Wirkung. Kurz danach legte West noch mehr Aussagen nach, zum Beispiel: „Ständig die Vergangenheit herauf zu beschwören, sorgt dafür, dass man darin feststeckt“ und die Bezeichnung der selbsterwählten Opferrolle als „Krankheit“.

Welche Rolle spielte Trump bei diesem Vorgang? Augenscheinlich keine. Allerdings dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass Kanye West kurz nach seiner Sympathiebekundung für Candace Owens sogar seine Liebe für den Präsidenten erklärte: „Man muss nicht mit Trump übereinstimmen, aber der Mob kann mich nicht dazu bringen, ihn nicht mehr zu lieben.“ Der Präsident wusste die ausgestreckte Hand zu nutzen und tweete ein simples „Danke Kanye, sehr cool!“ zurück.

Innerhalb von Minuten stürzte sich eine Front aus linkslastigen Websites und Medien auf Kanye West. Er wurde als „far-right“ und Verbündeter der „alt-right“ mit einer Schwäche für den Faschismus gebrandmarkt. Das klang noch anders, als West nach dem Hurrikan Katrina über George W. Bush gesagt hatte, dieser schere sich nicht um schwarze Bürger.

Dämonisierung abweichender Meinungen

Seine Kritiker gaben West mit ihren Versuchen – ihn entweder im „richtigen“ politischen Lager zu halten oder zu diskreditieren – erst recht einen Anlass sie auf die Palme zu bringen: Bald trollte West seine Kritiker regelrecht, indem er auf Fotos mit einer von Donald Trump signierten „Make America Great Again“-Mütze posierte. Andere schwarze Musiker sprangen ihm dabei zur Seite und verdeutlichten, dass im gegenwärtigen politischen Klima die selbstverständlichsten Aussagen gleichzeitig die skandalösesten sind. Oder wie es Chance the Rapper formulierte: „Schwarze müssen keine Demokraten sein.”

Unabhängig davon, wie sehr man die Tweets von Rap-Stars auf die Goldwaage legen sollte – warum richten sie sich explizit gegen die Demokratische Partei? Während der Obama-Ära haben die Demokraten und die ihnen freundlich gesonnenen Medien es sich zur Gewohnheit gemacht, von ihrer Linie abweichende Meinungen nicht nur abzulehnen, sondern bis zum Grad der Lächerlichkeit zu dämonisieren. Inklusive der Personen, die sie äußern. Damit versuchen sie, das Korsett der Identitätspolitik um den gesellschaftlichen Diskurs zu schnüren.

Partei der bibelschwingenden Evangelikalen

Für ihre Dämonisierung des „weißen Amerikas“ verkörpert durch Donald Trump erhielten die Demokraten bereits 2016 die Quittung der weißen Wählerschaft, obwohl diese in den zwei vorherigen Wahlen noch Barack Obama unterstützt hatte. Nun könnte auch die Quittung der Schwarzen folgen, wenn letztere vermehrt den Eindruck gewinnen, dass die Identitätspolitik auch für sie keinen Vorteil darstellt. Und das, obwohl sie von den vermeintlichen Freunden der Schwarzen in der Demokratischen Partei betrieben wird. Man kann den Eifer, mit der die politische Linke diese Entwicklung aufzuhalten versucht, leicht nachvollziehen. Sollten ihre Bastionen der schwarzen und lateinamerikanischen Wähler fallen oder auch nur ins Bröckeln geraten, werden die anstehenden Wahlen für das Repräsentantenhaus für die Demokraten alles andere als ein Spaziergang sein.

Die Republikaner müssen diese Sorge nicht teilen. Das liegt ironischerweise daran, dass Trump sie als politisches Etikett in vielerlei Hinsicht entkernt und ad absurdum geführt hat. Er war zum Zeitpunkt seiner Präsidentschafts-Kandidatur bereits zum dritten Mal verheiratet und es war der Öffentlichkeit auch bestens bekannt, dass er zu Seitensprüngen neigt. Außerdem hat er gerade einen bekennenden Homosexuellen zum US-Botschafter in Deutschland ernannt und entschieden, sich nicht auf Bundesebene in die Cannabis-Legalisierung einzumischen. 

Die Republikaner werden gerne als Partei der bibelschwingenden Evangelikalen bezeichnet, die den Amerikanern mit den Zehn Geboten den Teufel austreiben wollen. Was immer man nun von Trump halten mag: Unter ihm sind sie wieder mehr zu einer Partei des Leben und leben lassen geworden. Verfolgt Trump diesem Weg weiter  und verweigert sich ebenfalls weiterhin der Selbstbeschränkung, liegt in seiner Präsidentschaft ein großes Potenzial: die Veränderung der amerikanischen Gesellschaft. Und zwar  über die tagtägliche Politik und Stormy-Daniels-Affären hinaus.

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