Donald Trumps Zweistaatenlösung - Plan ohne Partner

Im amerikanisch-israelischen „Jahrhundertplan“ für Nahost kommen die Palästinenser bestenfalls als Bittsteller vor. Unklar ist, wie viele arabischen Staaten ihn unterstützen – und wer die von Donald Trump in Aussicht gestellten 50 Milliarden Dollar Aufbauhilfe für einen Palästinenserstaat zahlen soll

Pressekonferenz: Palästinenser in einem Café in Gaza-Stadt / picture alliance
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Markus Bickel ist freier Journalist. Er war jahrelang Nahostkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Großmäulig wie sein Gastgeber sprach Benjamin Netanjahu von nichts weniger als einem „historischen Tag“: Sein Land sei „gesegnet, die Freundschaft der größten Macht auf Erden zu genießen, der Vereinigten Staaten“, erklärte der israelische Ministerpräsident am Montag an der Seite von Donald Trump, nachdem dieser Israel in seinem Friedensplan weitgehende Vollmachten zugesichert hatte. Und der sich damit rühmte, auf 80 Seiten „den detailliertesten Vorschlag, der je gemacht wurde“ für eine friedliche Zukunft Israels und Palästinas vorgelegt zu haben – eine „Win-Win-Gelegenheit“ für beide Seiten.

Doch für einen Verhandlungserfolg fehlte im Ostsaal des Weißen Hauses ein entscheidender Akteur: Zwar mangelte es bei der Präsentation der von Trump schon im Vorfeld als „Plan des Jahrhunderts“ angekündigten Vision für eine Neuordnung Israels und Palästinas nicht an israelischen und amerikanischen Ministern sowie Mitgliedern der beiden Verhandlungsteams. Auch die Botschafter Bahreins, Omans und der Vereinigten Staaten waren am Montagmittag zugegen, als Trump und Netanjahu den Friedensplan abfeierten. Nicht anwesend aber war Palästinenserpräsident Mahmud Abbas – oder ein anderer politischer Repräsentant aus der Westbank oder gar dem Gazastreifen.

Seitdem Trump im Dezember 2017 Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat, sind die Gespräche zwischen Washington und Ramallah de facto zum Erliegen gekommen. Von einer Zweistaatenlösung, wie sie seit den Verträgen von Oslo 1993 und 1995 die internationale Nahostpolitik prägten, kann beim nun vorgestellten Plan keine Rede mehr sein. Er habe Abbas einen Brief geschickt, so Trump, in dem er den Palästinensern vier Jahre Zeit gebe, sich mit den Bedingungen für einen eigenen Staat vertraut zu machen – dazu zählten „friedliche Koexistenz mit Israel“ und ein Ende der Aktivitäten von „Feinden des Friedens“ wie der Hamas und dem Islamischen Dschihad.  

Ein Angebot zu ernsthaften Verhandlungen ist Trumps 80-Seiten-Plan allerdings nicht, sondern eine Carte Blanche für Netanjahu oder dessen möglichen Nachfolger Benjamin Gantz. Jerusalem bleibe „ungeteilte Hauptstadt“ Israels, versicherte der US-Präsident unter Beifall der Anwesenden, sämtliche Siedlungen in israelischer Hand. Auch die Hoheit über das Jordantal werde weiter bei Israel liegen. Weder sprach Trump die Rückkehr Hunderttausender Palästinaflüchtlinge an noch die Zukunft des Gazastreifens. Einen Staat mit beschränkter Souveränität sollte die Palästinenser erhalten – freilich nur, wenn sich ihre Vertreter an die Vorgaben seiner Vision hielten.

Trump und Netanjahu mitten im Wahlkampf

Doch das ist angesichts der Ablehnung illusorisch, die Abbas schon beim Durchsickern erster Details 2019 durchblicken ließ. Ebenso wie die von Trump versprochene Million neuer Arbeitsplätze in den kommenden zehn Jahren, die Halbierung der Arbeitslosenzahlen und die Steigerung des palästinensischen Bruttoinlandprodukts um das Zwei- bis Dreifache. Selbst wenn bislang unklar ist, ob die wichtigste Regionalmacht Saudi-Arabien Trumps Plan nicht doch unterstützt, ist völlig unklar, welche der „vielen, vielen Länder“ die 50 Milliarden Dollar aufbringen sollen, die laut Trump teilhaben wollen an „den massiven kommerziellen Investitionen in den neuen Palästinenserstaat“.

Dass Trump dennoch von einer „Win-Win-Gelegenheit“ sprach, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Sowohl der amerikanische Präsident wie auch der israelische Regierungschef stecken mitten im Wahlkampf. Der dritte Urnengang innerhalb eines Jahres steht Netanjahu bereits Anfang März bevor, Trump nannte sie unter dem Gelächter seiner Gäste „die längsten Wahlen aller Zeiten“. Bis zu den amerikanischen Präsidentenwahlen sind es noch neun Monate, aber schon jetzt diente der Auftritt an der Seite des israelischen Rechtskonservativen nicht zuletzt dem Ziel, jüdische und evangelikale Wähler zu mobilisieren.

Als medialen Win-Win verbuchen können Netanjahu und Trump ihren Auftritt darüber hinaus deshalb, weil er für einige Tage Ablenkung verspricht vom Amtsenthebungsverfahren in Washington und den Korruptionsanklagen gegen Netanjahu in Jerusalem. Zwei mit erheblichen Machtmissbrauchsvorwürfen belastete Amtsträger als Begründer eine neuen Nahostfriedens? Auch das macht den großmäuligen Auftritt im Ostraum des Weißen Hauses nicht gerade glaubwürdiger.

Ein langer Weg

Zum Ende seiner Ansprache verglich Netanjahu den 28. Januar 2020 mit einem anderen, wahrlich historischen Tag: Am 14. Mai 1948 habe David Ben-Gurion Israels Unabhängigkeit verkündet und US-Präsident Harry S. Truman den jungen Staat als erste Großmacht anerkannt. Was folgte, war der arabische Überfall auf das ehemals britische Mandatsgebiet – und die militärische Niederlage der Armeeeinheiten Ägyptens, Syriens, Libanons, Jordaniens und Iraks gegen jüdische Truppen.

In Trümmern lag damit nicht nur der UN-Teilungsplan für Palästina, auch politisch hat sich die arabische Seite von den Niederlagen in den Kriegen mit Israel 1948 und 1967 nicht wieder erholt – ungeachtet der Dekade der Hoffnung, die mit den Oslo-Verträgen in den 1990er Jahren begann und mit der Zweiten Intifada 2005 endete. So gesehen könnte Netanjahu Recht behalten, als er davon sprach, dass Trumps Plan den Palästinensern einen Weg zu einem zukünftigen Staate biete – „sie aber sehr lange dafür brauchen könnten, überhaupt zum Beginn dieses Pfades zu kommen“.

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