Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump - Nixons langer Schatten

Die Vorläufer eines möglichen Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump erinnern immer stärker an die Watergate-Affäre um Richard Nixon – auch weil teils die selben Figuren involviert sind. Der US-Präsident aber bleibt standhaft. Es steht Aussage gegen Aussage

Hände in den Schoß: Donald Trump vor Amtsenthebungsverfahren / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Der Mittwoch war einer dieser Tage, die sich wie eine Zeitreise anfühlen. Es begann mit John Dean, der auf CNN darüber fachsimpelte, wie das Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Donald Trump wohl ausgehen könnte. Niemand wäre dazu besser geeignet, denn Dean – mit vollem Namen John Wesley Dean III – war der juristische Berater von US-Präsident Richard Nixon während der Watergate-Affäre. Im April 1973 wurde er von Nixon gefeuert. Zwei Monate später trat er vor dem Senatskomitee auf, das den Einbruch in das Wahlkampfbüro der Demokraten im Watergate-Hotel in Washington untersuchte. Nixon, so sagte Dean damals aus, sei in die Vertuschung verwickelt gewesen. Und er warnte die Kollegen im Weißen Haus davor, nicht aus falsch verstandener Loyalität mit dem Präsidenten unterzugehen.

2019 ist es Gordan Sondland, auf den sich die Kameras richten. Der Botschafter der USA in Brüssel, für die EU zuständig, legte am Mittwoch einen sechs Stunden dauernden Auftritt von dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses hin. Es ging darum, ob Trump dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelensky gedroht habe, 391 Millionen Dollar US-Militärhilfe, vom US-Kongress bewilligt zu sperren, falls dieser nicht gegen die Familie von Joe Biden und insbesondere dessen Sohn Hunter Biden ermittele, der im Aufsichtsrat der ukrainischen Gasfirma Burisma saß. Biden ist der frühere Vizepräsident der USA, den Trump offenbar für seinen stärksten Konkurrenten bei der im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahl hält.

Jeder habe es gewusst

Ja, sagte Sondland, es habe dieses „quid pro pro“ um Burisma gegeben, Trump habe das angeordnet. Jeder habe das gewusst; von Außenminister Mike Pompeo, Stabschef Mick Mulvaney, der frühere Sicherheitsberater John Bolton, der (inzwischen zurückgetretene) Energieminister Rick Perry, von Botschafter Kurt Volker bis zu Vizepräsident Mike Pence. „Das war kein Geheimnis“. Neben der Militärhilfe sei es auch um einen geplanten Besuch von Zelensky im Weißen Haus gegangen. Sondland sagte, er habe die Befehle von Trump befolgt, oder jedenfalls das, was er glaube, dass der Präsident gewollt habe.

Denn der habe sich selber bedeckt gehalten, er hatte einen „privaten Anwalt“ dazwischengeschaltet: Rudy Giuliani. „Rede mit Rudy“ habe Trump ihm gesagt, jedes Mal, wenn er fragte, was er tun solle. Und mit Rudy habe er letztlich auch geredet, ungerne übrigens, denn Rudy hat gar keinen Job im Weißen Haus. Rudy und Donald, allerdings, waren schon befreundet, als Rudy Giuliani noch Bürgermeister von New York war und Trump ein Developer, der sich von einer Milliardenpleite erholte. Es gibt einen gemeinsamen Auftritt von beiden, auf einem Wohltätigkeitsball, wo sie miteinander flirten, Trump im Anzug, Rudy geschminkt und im Kleid. Das verbindet.

Vom Trump-Spender zum Verräter

Sondland wirkt selbstbewusst. Während seiner stundenlangen Vernehmung unter Eid verliert der Hotelier aus Oregon nicht das Lächeln. Dabei hat es Drohungen gegen seine Familie gegeben, auch Boykottdrohungen und Aufmärsche vor seinen Hotels. Manche sehen ihn als Verräter, auch republikanische Abgeordnete, die ihm Fragen stellen. Allen voran Jim Jordan aus Ohio, der ihn fragt, ob „Geh zu Rudy“ nicht vielleicht doch eher eine unverbindliche Idee gewesen sei und kein Befehl. Dabei ist Sondland nicht nur Republikaner, er war einer von Trumps Mega-Donors; eine Million Dollar hat er alleine für die Inaugurationsfeier gespendet. Dafür bekam er den Botschafterposten.

Mit Trump verband ihn eine ähnliche Sprache. „Zelinsky liebt deinen Arsch“, sagte er ihm einmal. Allerdings: Trump liebt Sondmans Hintern nun nicht mehr. Der Präsident erklärte noch während des Hearings, er kenne den Botschafter eigentlich nur sehr flüchtig. Wenn überhaupt. „Ich will nichts! Ich will nichts! Es gibt kein Quid pro Quo“ stand auf einem Spickzettel, von dem der Präsident am frühen Nachmittag ablas. Von Zelensky habe er nur erwartet, dass der das Richtige tue. Damit sei die „Hexenjagd“ zu Ende.

Auf Fox News dreht sich der Wind

Ist sie das? Die Schatten von Nixon sind lang. Trump und Nixon kennen sich. Der Berater des US-Präsidenten, Roger Stone, der als junger Mann auch für Nixon arbeitete – er trägt ein Tattoo des Republikaners auf seinem Rücken. Vergangene Woche wurde er wegen sieben verschiedener Delikte verurteilt; das Strafmaß wird im Februar verkündet. Auch deshalb rät John Dean – der damals wegen seiner Kooperation mit den Strafverfolgern einer Haftstrafe entging – seinen republikanischen Kollegen heute, die Reißleine zu ziehen, bevor es zu spät ist.

Derweil hat sich in Trumpland, oder wie es auch heißt, auf Fox News, der Wind gedreht. Vor ein paar Tage fanden die Kommentatoren das Hearing noch furchtbar langweilig, gestern übertrug Fox News es life, stundenlang. Zu Gast im Studio war eine weitere Erinnerung aus der Vergangenheit: Kenneth Starr, der Spezialermittler, der in den neunziger Jahren Bill Clinton wegen der Lewinsky-Affäre zu Fall bringen wollte. Erfolglos, und, wenn man heute daran zurückdenkt, geradezu niedlich. Es sehe nicht gut aus für Trump, meinte auch Starr.

Aber immerhin, solange der Präsident sich noch erinnern kann, wer Rudy Giuliani ist, ist für die Republikaner noch nicht alles verloren. Solange es kein schriftliches Beweisstück gibt, solange es in der Bevölkerung  keine deutliche Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gibt – solange kann Donald Trump weitermachen. Doch auch bei Nixon drehte sich erst nach Monaten die Stimmung gegen ihn.

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