Münchner Sicherheitskonferenz - Merkels Mantra verhallt ungehört

Während ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Anliegen einer multilateralen Welt. Doch der Auftritt von US-Vizepräsident Mike Pence zeigte deutlich, wie tief die Risse im transatlantischen Bündnis sind

Am Ende ihrer Rede bekam Angela Merkel sogar von ihren Kritikern Applaus / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Sie war wie befreit. Selbstbewusst, offen, klar. Angela Merkel hat in einem außenpolitischen Rundumschlag vor dem wohl wichtigsten internationalen Forum für Außen- und Sicherheitspolitik dargelegt, wo sie und damit Deutschland in dieser weiterhin angespannten Weltlage steht. Das hochrangige Publikum dankte ihr mit stehendem Applaus. Vielleicht ja auch, weil jedem im Saal klar war, dass die Ära Merkel zu Ende gehen wird. Und sie nutzte die Bühne, um ihre wichtigste Botschaft noch einmal unmissverständlich klarzumachen: Es geht nur mit allen zusammen – das Merkel-Mantra für eine multilaterale Welt.

Chinas Vertreter, Yang Jiechi, mächtiges Mitglied im chinesischen Politbüro, bestätigte das und stellte als obersten Grundsatz für Pekings Außenpolitik nachdrücklich heraus: „Die Welt braucht Multilateralismus mehr als je zuvor“.

Zur Sicherheit gehört Entwicklungshilfe

Gleich nach Merkels Auftritt wurden dann allerdings auch die Risse sichtbar, die weiterhin mit dem wichtigsten Partner auf der anderen Seite des Atlantiks bestehen. Denn US-Vizepräsident Mike Pence hob ebenso eindeutig hervor, worin die Unterschiede bestehen. Er bedankte sich bei allen in Europa, die sich gegen die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 gewandt haben – „Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen“ – ein Projekt, dass Merkel wenige Minuten zuvor noch nachdrücklich verteidigt hatte. Allerdings mit dem Hinweis, dass die Amerikaner nun auch ihr Flüssiggas in Deutschland in neu zu bauenden Terminals anlanden und verkaufen können. Aber, so Merkel auch ganz klar mit Blick auf Russlands Gaslieferungen an China: „Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen“. Die Botschaft war unüberhörbar: Nord Stream 2 wird weiter gebaut.

Nicht zu vergessen: die Nato. Die USA, so Pence, erwarteten weiterhin, dass die Nato-Partner bis 2024 das Ziel erfüllen, das 2-Prozent-Ziel vom Bruttosozialprodukt zu erreichen und 20 Prozent für Investitionen für das Militär auszugeben. Merkel hatte das vorhergesehen und würdigte zwar auch die Rolle der Nato. Und bis 2025 werde man dann bei 1,5 Prozent beim deutschen Beitrag landen. Aber sie wiederholte erneut die deutsche Position, dass eben auch Entwicklungshilfe dazu gehöre, wenn es um Sicherheit gehe. „Wir müssen in vernetzten Strukturen denken. Die militärische Komponente ist davon eine.“ Aber eben nur eine. Die Bundesregierung habe die Mittel für die Entwicklungshilfe hochgefahren und sei jetzt eines der größten Geberländer. „Wir müssen die Probleme vor Ort lösen“. Das sei genauso wichtig wie Bündnisfähigkeit.

Atomabkommen als kleiner Anker

Auch beim Iran-Konflikt wiederholte Pence die Forderung, die störrischen Europäer sollten aus dem Atomabkommen mit Teheran aussteigen und sich den weiteren US-Sanktionen anschließen, statt sie mit eigenen Schutzmaßnahmen für die europäischen Firmen abzuwehren.

Merkel hatte zuvor auch hier durchaus kämpferisch begründet, dass Deutschland dem Druck der USA nicht nachgeben wird, jedenfalls nicht durch die Kündigung des Abkommens. Man müsse sich doch fragen, ob man die „schwierigen und schädlichen Wirkungen des Iran“ wirklich eindämmen könne, indem man das einzige noch bestehende Abkommen aufkündigt. „Oder helfen wir der Sache mehr, wenn wir den kleinen Anker, den wir noch haben, halten und daraus vielleicht auf anderen Gebieten Druck zu machen?“

Stolz auf die deutschen Autos

Nein, sich vor diesem Publikum von Trump und seinem Stellvertreter beeindruckt zeigen, das wollte Merkel offensichtlich nicht. Dass die Trump-Regierung nun wieder deutsche Autos als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA bezeichneten und  mit Strafzöllen belegen wollen, das erschrecke sie. „Wir sind stolz auf unsere Autos, und das dürfen wir ja auch.“ Und viele dieser Autos würden doch in den USA produziert. Das größte BMW-Werk sei nicht in Bayern, sondern in South Carolina. „Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander.“

Gefragt, was sie denn rückblickend gut oder nicht so gut finde, gab sie sich ebenso selbstkritisch wie selbstbewusst: „Wir brauchen oft sehr, sehr lange, bis wir uns entscheiden“, sagte sie. Aber dann, wenn man sich entschieden habe, dann bleibe man auch. „Wir hauen nicht einfach wieder ab“.

Reizthema Rüstungsexporte

Bezüglich Deutschlands Rolle in der Welt, sagte Merkel, ginge es nicht mehr so weiter, sich immer nur auf die deutsche Geschichte zu berufen. Das habe man auch mit „Bequemlichkeit“ gesehen. Die Verpflichtung laute, Verantwortung zu übernehmen. Und dann packte sie ein heißes Thema an: deutsche Rüstungsexporte. Und hier war sie erneut klar: So restriktiv wie bisher könne es  nicht weitergehen. Wenn man in Europa auf dem Gebiet der Rüstungskooperation weiterkommen wolle, „dann wird das nicht anders gehen.“ Will heißen: Das ständige deutsche Bremsen, innenpolitisch getrieben, bei Rüstungsexporten auch in schwierige Länder wird nicht mehr funktionieren, weil die übrigen Kooperationspartner in Europa dann einfach nicht mitmachen werden.

Am Ende gab es Applaus fast wie auf einem deutschen Parteitag, auch von Merkel-Kritikern. Und auch eine, auf die man immer wieder mal schaut, wenn es um Merkels Nachfolge im Kanzleramt geht, meldete sich schon mal zu Wort. Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die auch im Publikum saß, veröffentlichte hinterher einen Tweet: „Eindrückliche Rede von Angela Merkel auf der MSC19. Wir wollen gemeinsam mit anderen die Welt zusammenhalten statt sie auseinanderfallen zu lassen.“ Zumindest in dieser Hinsicht passte also zwischen Merkel und AKK kein Blatt Papier.

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