Ein Aktivist zwischen Putin und Trump - „Putin denkt ständig an mich“

Bill Browder ist ein britischer Menschenrechtsaktivist. Mit seiner Kampagne ist er dem Kreml ein Dorn im Auge. Seit Putin ihn gegenüber Trump in Helsinki erwähnte, steht Browder auf einmal im Zentrum der Weltpolitik. Muss er jetzt um sein Leben fürchten? Wir haben mit ihm gesprochen

Bill Browder: „Putin ist nicht mehr der, der er vor fünfzehn Jahren war“ / picture alliance
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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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William („Bill“) Browder (54) hatte einen berühmten Großvater. Earl Browder war der Chef der Kommunistischen Partei in den USA der dreißiger Jahre. Sein Enkel Bill wurde mit dem Investmentfonds Hermitage Capital sechzig Jahre später der größte ausländische Kapitalist in Russland.

Dann ging einiges schief: 2005 überwarf sich Browder mit Wladimir Putin. Er musste Russland verlassen. 2009 starb sein Anwalt Sergej Magnitzky in einer Moskauer Gefängniszelle, nachdem er korrupte Beamte angezeigt hatte. Bill Browder wurde daraufhin in seiner Wahrnehmung vom Saulus zum Paulus: Der Financier mutierte zum Menschenrechtsaktivisten. Unermüdlich kämpft er für seine Kampagne „Gerechtigkeit für Sergej Magnitzky“ – mit Erfolg: 2012 nahmen die USA den Magnitzky-Akt an. Die Russen, die am Tod des Anwalts beteiligt waren, dürfen nicht mehr in die USA einreisen, ihr Vermögen kann eingefroren werden und ihr Name ist öffentlich gelistet. Kanada, Estland, Litauen und Lettland schlossen sich an. Im Mai 2018 stimmte nach der Vergiftung von Sergej Skripal auch das Parlament in Großbritannien dafür.

Beim Gipfel mit US-Präsident Donald Trump in Helsinki am vergangenen Montag erwähnte der russische Präsident Wladimir Putin, dass er mit Robert Mueller kooperieren würde bei der Untersuchung zur russischen Einmischung in die US-Wahlen 2016, wenn Russland im Gegenzug Zugriff auf Bill Browder bekäme.

Herr Browder, wie fühlt es sich an, dass Ihr Name in der Pressekonferenz von Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki erwähnt wurde?
Ich glaube, das ist Putin ganz spontan passiert. Am Freitag hatte ja US-Sonderberichterstatter Robert Mueller zwölf russische Geheimdienst-Offiziere angeklagt, die in den amerikanischen Wahlkampf 2016 eingegriffen haben sollen. Das stellte für die beiden Präsidenten bei ihrem Treffen am Montag dann ein Problem dar. Wie soll man auf den Vorwurf reagieren, dass das eine Land versucht habe, im anderen Land demokratische Wahlen zu beeinflussen, wenn man gerade versucht, miteinander auf Harmonie zu machen? Ich glaube, die beiden haben improvisiert. Das einzige, was Putin einfiel, war mein Name.

Warum ausgerechnet Ihr Name?
Putin denkt offenbar ständig an mich. Der Magnitzky-Akt sitzt ihm wie ein Stachel im Fleisch. Dieses Gesetzeswerk ist ein internationaler Erfolg geworden und behindert die Freiheit von Putins korrupten Beamten – und ihrem gestohlenen Geld. Meine Kampagne ist viel erfolgreicher geworden, als ich es mir je erträumt hätte. Dass Putin mich Trump gegenüber ins Spiel gebracht hat, ist aber sinnlos. Ich bin nicht mehr amerikanischer Staatsbürger, sondern haben seit Jahren einen britischen Pass. Dass er meinen Namen beim falschen Staatschef anbrachte, zeigt nur, dass er nicht mehr der ist, der er vor 15 Jahren war.

Vielleicht hat er am Tag davor einfach ein bisschen zu viel gefeiert, schließlich war die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland ein großer Publikumserfolg.
Es ist natürlich möglich, dass er noch euphorisiert war vom Fußball. Wenn es aber stimmt, dass er so ein Top-Geheimdienst-Offizier ist, dann hätte er schon seine Hausaufgaben richtig machen können. Putin weiß nur, dass ich mit amerikanischem Akzent spreche und das war genug für ihn. Das wäre ihm früher nicht passiert.

Möglicherweise war es auch der Einfluss von vier Stunden Gespräch mit Donald Trump und dessen mitunter merkwürdigen Wahrnehmung? Fakten spielen da oft eine untergeordnete Rolle.
Sicher nicht, wenn es um den Magnitzky-Akt geht. Die Kreml-Propaganda richtete sich schon mehrfach gegen mich persönlich. Als ich im Juni in Spanien aufgrund eines russischen Interpol-Haftbefehls kurzfristig festgenommen wurde, sagte Juri Chaika, der russische Generalstaatsanwalt: „Browder soll nicht mehr ruhig schlafen können.“

Wollen Sie jetzt nicht lieber untertauchen wie der Schriftsteller Salman Rushdie nach der Fatwa gegen ihn im Jahr 1989?
Ich vergleiche mich sicher nicht mit Salman Rushdie. Meine Lage ist ganz anders. Jeder fanatische Muslim auf der ganzen Welt hätte Rushdie umbringen können. In meinem Fall ist es so: Wenn ich sterbe, dann weiß jeder, wer mich umgebracht hat: Wladimir Putin. Ich glaube eher, dass das russische Regime mich gerne nach Russland bringen würde, um dann zuzusehen, wie ich im Gefängnis sterbe.

Sie meinen, man würde Sie in London auf der Straße kidnappen wollen?
Ich habe schon einmal im Jahr 2015 vom amerikanischen Justizsystem eine Nachricht bekommen, dass sie von so einem Plan gegen mich gehört hätten.

Im Grunde genommen haben sie doch Gerechtigkeit für Sergej Magnitzky erreicht: Jene, die an seinem Tod beteiligt waren, können nicht mehr reisen, ihre Vermögen werden eingefroren.
Das ist erst die halbe Miete. Großbritannien hat das Gesetz zwar endlich angenommen, muss es jetzt aber noch implementieren. Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Ich bin gerade jetzt engagiert wie nie. Dass Putin mich bei Trump erwähnt hat, beflügelt die Magnitzky-Kampagne. Mein Telefon klingelt ununterbrochen. US-Senatoren fragen, welche Namen man noch der Liste hinzufügen könnte. Fünf Abgeordnete von europäischen Parlamenten haben angerufen und wollten wissen, wie sie in ihren Ländern die Magnitzky-Liste auf die Tagesordnung setzen können.

Auch aus Deutschland?
In Deutschland arbeiten wir mit Norbert Röttgen zusammen, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses. Er möchte den Magnitzky-Akt den Bundestagsabgeordneten näher bringen.

 

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