Trump und Nixon - Die „Madmen” und die Atombombe

Donald Trump erinnert in vielem an Richard Nixon. Letzterer spielte oft mit dem Gedanken, Atomwaffen zu zünden. Auch Trump erklärte, sich nicht davor zu scheuen. Könnte ihn jemand im entscheidenden Moment stoppen?

Ein Präsident muss unberechenbar sein, sagte Richard Nixon. Für Donald Trump ist er ein Vorbild / picture alliance
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Florian Beißwanger ist freier Journalist und lebt in Berlin.

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Richard Nixon, US-Präsident von 1969 bis 1974, erfand die „Madman-Theory”. Die Theorie vom Verrückten im Weißen Haus besagt nach Nixon: „Wenn der Gegner das Gefühl hat, dass du unberechenbar oder gar unbedacht bist, dann wird er sich hüten, dich zu sehr unter Druck zu setzen.” Auch Donald Trump wurde vor seiner Wahl von vielen Medien als „verrückt” bezeichnet. Tatsächlich gibt es zwischen beiden viele Parallelen. So wetterten beide gegen Minderheiten und deutsche Bundeskanzler. Nixon bezeichnete gegenüber Vertrauten Willy Brandt als einen „Hurensohn“. Trump äußerte sich im Wahlkampf abfällig über Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Auch ihre Wahlkampfslogans ähnelten einander. Nixon warb 1968 um die Wählergunst, indem er versprach, Amerikas Wunden heilen zu wollen, Trump ging mit der Botschaft „Make America great again“ auf Stimmenfang.

Doch eine ungleich wichtigere Parallele als Sprüche und Wahlkampfgetöse ist, dass sich beide offensiv über den Einsatz von Atomwaffen äußerten. Als militärischer Oberbefehlshaber der USA steht es dem Präsidenten, und nur ihm, zu, über den Einsatz von nuklearen Waffen zu entscheiden. Wie gefährlich ist es also, wenn es sich dabei um einen „Madman“ handelt? 

Nixons psychologische Trickkiste

Richard Nixon wandte die „Madman-Strategie” während des Vietnamkrieges an. Er wollte damit der politischen Führung Nordvietnams zeigen, dass er bereit sei, Grenzen zu überschreiten. Die Nordvietnamsen sollten glauben, dass er nicht vor dem Einsatz von Atombomben zurückschrecke.

Heute fürchten sich viele Menschen davor, dass Donald  Trump bald über den Einsatz von Nuklearwaffen entscheiden darf. Im Wahlkampf warnte seine demokratische Konkurrentin Hillary Clinton: „Wir können die Sicherheit unserer Kinder und Enkel nicht in die Hände von Donald Trump legen.” Ab dem 20. Januar von 12 Uhr an, darf er über die Sicherheit dieses Planten entscheiden – zu diesem Zeitpunkt wird er als 45. Präsident der USA vereidigt.

Der wichtigste Keks des Präsidenten

Die Vorbereitungen der Amtsübergabe sind bereits in vollem Gange. Trumps Team erfährt momentan einige sicherheitspolitische Details, die eine reibungslose Amtsübergabe gewährleisten sollen. Unmittelbar nach der Vereidigung zum Präsidenten wird ein Soldat fortan Trumps treuer Begleiter sein. Immer angekettet an die Hand des Soldaten: ein schwarzer Koffer. Im Jargon heißt der Koffer „Nuclear Football“. In ihm befindet sich „The Biscuit“, der Keks, eine Karte auf der die Nuklearcodes stehen.

Sollte Trump den Entschluss treffen, von seinem Recht Gebrauch zu machen, verwendet er die Codes zur Identifizierung gegenüber des Pentagons. Die Kontaktaufnahme läuft über ein Gerät, das sich im Koffer befindet. Zugleich kann er mit Hilfe dieses Gerätes über das Ziel des Atombombenschlages entscheiden. Dem Präsidenten steht es dabei vollkommen frei, wie viele strategische Nuklearraketen er zündet. Das in den USA verankerte System der Checks and Balances greift bei diesem Verfahren nicht. Ist der Befehl erlassen, so kann die Entscheidung des Präsidenten nicht mehr revidiert werden.

Mäßigender Einfluss von Obama?

Während des Wahlkampfes fragte Trump mehrmals in einer internen Besprechung seine außenpolitischen Berater, warum die USA nie Atomwaffen einsetzen würden, wenn sie doch verfügbar wären. Zudem erklärte er, dass Japan und Südkorea Atomraketen besitzen sollten, um sich vor Angriffen aus Nordkorea verteidigen zu können.

In einem Interview mit der Washington Post sagte Trump jedoch auch: „Das größte Risiko für diese Welt und dieses Land sind Atomwaffen, die Macht der Atomwaffen.“ Und verwies hämisch darauf, dass Präsident Barack Obama den Klimawandel als größtes Problem einschätzte.

Nach der gewonnen Wahl schlug Trump mildere Töne an. Das Treffen mit dem Friedensnobelpreisträger Obama schien ihn durchaus nachdenklich zu stimmen. Ob es die wichtigste Zusammenkunft während Obamas Präsidentschaft war, weil er auf seinen Nachfolger mäßigend einwirken konnte, darüber werden Historiker beziehungsweise Biografen einmal urteilen.

Nixon in der Abwärtsspirale

Keine Frage: Ob Trump die Madman-Theorie seines Vorbildes Nixon nicht nur für Wahlkampfzwecke einsetzen wird, ist heute reine Spekulation. Zu Wahlkampfzeiten sagte aber auch Trump, dass Amerika unberechenbarer werden müsse. Nixon wurde es gegen Ende seiner Präsidentschaft immer mehr, auch gegenüber seinen Beratern. Gezeichnet von der Watergate-Affäre und dem Alkohol, befand er sich in einer psychischen Abwärtsspirale.

Nach seinem Abgang als Präsident deckten die Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein, die Enthüller von Watergate, weiteres über Nixon auf. In ihrem Buch „Ein amerikanischer Alptraum“ zeichneten sie Nixons letzte Tage im Weißen Haus nach. Der Spiegel resümierte 1976 über ihr Buch: „Da wird Richard Nixon wieder lebendig, der gehetzte, kaum noch zurechnungsfähige, zunehmend dem Alkohol verfallene Präsident, der nachts durch die Gänge des Weißen Hauses schlurft und Zwiegespräche mit den Bildern früherer Präsidenten hält, der oft erst mittags verkatert ins Oval Office kommt.“ 

Die geistige Verfassung Nixons stellte sein Team vor ein Problem. Sollte ein Präsident in solch einem unberechenbaren Zustand, über das Schicksal der Welt entscheiden können und Atomraketen abfeuern dürfen? Der damalige Verteidigungsminister James R. Schlesinger verneinte für sich diese Frage. Er wies seine Mitarbeiter an, ihn zu informieren, sollte Nixon nicht nachvollziehbare Befehle erlassen. Hierbei dachte er vor allem an den Einsatz von Nuklearraketen. Das gibt Hoffnung, dass der Exzentriker Trump daran gehindert werden könnte, Atomwaffen wirklich zu zünden, wenn er denn wollte. 

Geistiger Horizont des Präsidenten mangelhaft - was nun?

Vergangene Woche äußerte sich Henry Kissinger, einst Außenminister unter Nixon zur Wahl Trumps. Im Interview mit der Zeit sagte er, dass Wahlkampf nicht Regieren sei.

Zu Nixon hatte Kissinger jedoch schon immer eine klare Meinung. Den Recherchen Woodwards und Bernsteins zufolge, sah er in dem Präsidenten eine Bedrohung für die amerikanische Außenpolitik. Laut Kissinger verstand Nixon wichtige Regierungsdokumente nicht. Was zur Folge hatte, dass Kissinger seine Mitarbeiter anwies: „Schreiben Sie für Nixon niemals etwas, das komplizierter ist als ein Artikel im Reader´s Digest.“

Im Cicero Online-Interview sagte Karin von Hippel, Direktorin des britischen Think-Tanks „The Royal United Services Institute”, über Trump: „Er weiß überhaupt nichts über die US-Außenpolitik. Es ist fraglich, ob er überhaupt die amerikanische Verfassung kennt. Entweder er lernt jetzt etwas oder er verlässt sich auf die Experten.” Ob es für Trump zukünftig eine Zusammenfassung komplexer Sachverhalte im Stile eines Reader‘s-Digest-Artikel geben wird?

Auf einen Burger mit dem Diktator

Trump hatte im Wahlkampf getönt, den IS notfalls mit Nuklearraketen in Grund und Boden zu bomben. Der alte Stratege Kissinger setzt beim neuen Präsidenten auf Zeit. „Ich denke Trump muss sich erst mal informieren, erst über Details, dann über Strategie. Aber wir sollten ihm Zeit dafür geben.“ Immerhin: Im Wahlkampf sagte Trump auch, dass er sich vorstellen könne, mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un Burger essen zu gehen. Nixon wäre so etwas über seinen nordvietnamesischen Feind Ho Chi Minh nie über die Lippen gekommen.

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