Spionage in Russland und USA - Puzzlespiel mit Explosionsgefahr

In den USA wurde Sicherheitsberater Michael Flynn wegen Kontakten nach Moskau gefeuert, in Russland wurden angebliche Doppelagenten verhaftet. Obwohl genaue Details unbekannt sind, drohen die Verwicklungen die Präsidentschaft von Donald Trump in ihren ohnehin labilen Grundfesten zu erschüttern

Sicherheitsberater Michael Flynn musste das Weiße Haus schon verlassen, doch was kommt noch ans Licht? / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Spionage, Konterspionage, Doppelagenten, Entlassungen, Verhaftungen und Ausweisungen – was sich gerade zwischen den USA und Russland abspielt, erinnert an die dunkelsten Kapitel des Kalten Krieges. Versuchen wir, die Fakten zu sortieren, was in der Schattenwelt der Geheimdienste jedoch nicht ganz einfach ist. In Moskau wurde Sergei Mikhailow verhaftet, Chef der Abteilung für Cyber-Sicherheit des russischen Geheimdienstes FSB, angeblich aus einer Konferenz heraus mit einem schwarzen Sack über dem Kopf. Zusätzlich wurden sein Stellvertreter Dmitry Dokuchayev und zwei weitere Männer festgenommen. Bei dem einen ist die Identität noch nicht geklärt, es gibt Gerüchte, dass er ein ukrainischer Journalist sein soll. Der andere ist ein leitender Mitarbeiter des Forschungslabors von Kaspersky, einer weltweit agierenden Internet-Sicherheitsfirma.

Das ist der Vorgang, der in Moskaus Medien unbestritten verbreitet wird. Was den Fall noch brisanter macht: Die beiden russischen Top-Geheimdienstler sollen für die CIA gearbeitet haben. Auch das blieb bislang undementiert.

Berüchtigte Hacker beim Geheimdienst

Jetzt kommen die Details, die schwer zu verifizieren sind, jedoch auch von der offiziösen Interfax-Nachrichtenagentur berichtet werden. Sie machen die Sache zu einem politisch hochexplosiven Wirrwarr mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen bis nach Washington und damit für die Weltpolitik. Interfax behauptet, Dokuchayew sei früher als berüchtigter Hacker mit dem Namen „Forb“ in der Szene aktiv gewesen und habe sich vom FSB anwerben lassen, um einer Strafverfolgung zu entgehen.

Offenbar führte die Spur bis tief nach Sibirien, wo „King Server“ beheimatet ist, eine Computerfirma, der man seit Langem kriminelle Aktivitäten und die Verbreitung von Porno-Material vorwirft. Dabei handelt es sich um jenen Provider, gegen den US-amerikanische Ermittler ermitteln, weil über ihn das Hacking gegen die Demokratische Partei im jüngsten Wahlkampf gelaufen sein soll – mit Verbindungen zum FSB und den jetzt verhafteten FSB-Offizieren.

Im doppelten Auftrag für CIA und FSB

Hier also ergibt sich die Verbindung nach Washington und zu dem Hacker-Angriff auf das Wahlkampfzentrum der Demokraten. Falls es zutrifft, dass führende FSB-Leute gleichzeitig für die CIA arbeiteten, dann würde das Einiges erklären. Vor allem, warum sich die amerikanischen Geheimdienstler in ihren Einschätzungen so sicher sein konnten, dass Moskau direkt an diesen Angriffen beteiligt war und sich so in den Wahlkampf zugunsten Donald Trumps einmischte. Die Chefs der Angreifer saßen vermutlich direkt an der Quelle und konnten aus erster Hand berichten. Erinnern wir uns: Die Beweise waren anscheinend so gravierend, dass Präsident Barack Obama noch kurz vor seinem Ausscheiden 35 russische Geheimdienstler aus den USA herausgeworfen hat – was in Moskau ohne Gegenreaktion blieb.

Nun drängt sich die Frage auf: Warum kommt die Geschichte jetzt an die Öffentlichkeit? Gab es eine vorsätzliche Zustimmung des Kreml, und wenn ja, warum? Oder erleben wir hier einen Machtkampf innerhalb des Systems, in dem Putin-Kritiker den Vorgang durchgestochen haben, um ihm zu schaden? Noch komplizierter wird die Geschichte, weil in Moskau auch die Version zu hören ist, zumindest einer der Verhafteten habe auch E-Mails von Kreml-Vertrauten gehackt und in den Umlauf gebracht.

Rauswurf von Flynn bringt Skandal in Schwung

Zurück nach Washington: Seit des Rausschmisses von Ex-General Michael Flynn, früher selbst Chef des militärischen Geheimdienstes, kommt die mysteriöse Skandal-Geschichte rund um die Verbindungen zwischen dem Trump-Lager und Moskau erst richtig in Schwung. Flynn arbeitete unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump als Sicherheitsberater. Einer der Vorwürfe gegen Flynn ist, dass dieser nach der Ausweisung der russischen Geheimdienstler Moskaus Botschafter angerufen und ihn um Mäßigung bei der Kreml-Reaktion gebeten habe. Nach dem Amtsantritt Trumps werde man sich ja schon insgesamt verständigen.

Trump selbst hat bei Twitter damals Putin ausdrücklich für seine Zurückhaltung gelobt, „Ich wusste immer, dass er klug ist“ schriebt Trump über den russischen Präsidenten. Jetzt musste Flynn gehen und der Trump hat per Twitter wieder einmal die Medien als Hauptschuldige an dem Skandal beschrieben, nicht etwa Flynn und andere Vertraute. Er wütete über „Verschwörungstheorien“, sprach vom „blinden Hass“ der „Fakenews Medien“, die illegal Informationen weitergeben würden und beschuldigte FBI und NSA, die sich genau wie „in Russland“ verhielten. Er merkt offensichtlich, dass sich hier etwas zusammenbraut, was er dringend eindämmen muss. Trump bezieht dazu auf Twitter Stellung: „Sehr unamerikanisch!“

Illegaler Kontakt zu Russen

Aber das wird wohl nichts daran ändern, dass diese Kontakte jetzt verstärkt im Kongress aufgearbeitet werden. Offen ist dabei, ob die US-Justiz sich noch zu Anklagen aufraffen wird, denn Flynns Kontakte zu den Russen waren vermutlich illegal. Auch der Cyber-Krieg gegen die demokratische Partei und das amerikanische politische System insgesamt sind keineswegs abgehakt. Auch hier werden noch monatelange Untersuchungen im Kongress folgen.

Die Verhaftungen in Moskau passen in dieses größere Bild. Aber wie genau diese Puzzleteile zusammen gehören, ist noch ziemlich unklar. Fest steht allerdings bereits jetzt: Der spektakuläre Rausschmiss von Trumps Sicherheitsberater wird die Affäre keineswegs beruhigen. Es ist erst der Anfang einer explosiven Geschichte, die das Potenzial hat, die Präsidentschaft von Donald Trump in ihren ohnehin labilen Grundfesten zu erschüttern.

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