AfD-Rede - Gaulands kalkulierter GAU

Alexander Gaulands Rede vor der Jugendorganisation der AfD ist das Werk eines atemberaubend skrupellosen Politikers. Für den Erfolg geht er historisch über Leichen. Ein Scheitern ist ihm zu wünschen

Alexander Gauland – tiefgekühlt bis ans Herz und affektfrei / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Jeder Redner kennt das. Es gibt diese Versuchung, im Rausch einer Rede über alle Grenzen zu gehen, aufgepeitscht vom Beifall der Zuhörer und dem Gefühl: Wenn ich denen hiervon mehr gebe, dann rast der Saal.

Dieses Phänomen aber ist bei der Ursachenforschung für Alexander Gaulands Totalverfehlung auszuschließen. Und damit die in diesen Fällen mögliche einhergehende Entschuldigung. Man muss ihn nur einmal genau in Talkshows studieren. Oder leibhaftig erleben. Er sitzt zusammengesackt in seinem Sessel, die Augen zu Boden gesenkt, den stoischen Gesichtsausdruck einer Schnappschildkröte. Dann richtet er sich, wenn er dran ist, kurz auf, lässt seine Sätze ungerührt vom Stapel – und sackt danach wieder in sich zusammen. Es ist ihm völlig einerlei, was die anderen daraufhin sagen.

Es ist alles Kalkül, alles

Dieser Mann ist tiefgekühlt bis ans Herz und affektfrei. Also passiert ihm so was wie bei einer Veranstaltung der Jugendorganisation der AfD auch nicht im Affekt. Das ist eiskaltes Kalkül. Nicht nur bei der Wahl des ordinären Wortes, an dem sich jetzt die ganze Aufregung entzündet. Sondern auch bei der Nennung des Zeitraums, des Milleniums. Es ist alles Kalkül, alles.

Und abgrundtief widerlich. Denn, ohne das Zitat jetzt zu wiederholen: Die Monstrosität der Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland bemisst sich nicht in Jahren, sondern in Menschenleben. Die einzige Zahl, die in diesem fürchterlichen Zusammenhang zählt, sind die 6 Millionen ermordeten Juden (und die vielen weiteren Millionen Toten, etwa in der Sowjetunion, die ursächlich auf das Konto Nazi-Deutschlands gehen). Beim Zeitraum ist allenfalls auf schrecklichste Weise bemerkenswert, wie so viel Massenmord in so wenigen Jahren passen kann.

Ein atemberaubend skrupelloser Politiker

Alexander Gauland, die unumstrittene Nummer Eins der AfD, war einmal ein geschätzter Kollege, dessen Kommentare und Kolumnen auch und gerade dann lesenswert waren, wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprachen. Diesen Alexander Gauland gibt es nicht mehr. Der späte Alexander Gauland ist nichts weiter als ein atemberaubend skrupelloser Politiker, der in seiner Rache an der CDU vor nichts, aber auch gar nichts zurückschreckt.

Früher, als Alexander Gauland noch jung war, gab es mal Uhren mit Handaufzug. Wenn man da das Rädchen überdrehte, dann machte es irgendwann „knack“, und das Uhrwerk war im Eimer. Es ist inständig zu hoffen, dass der alte Gauland das Rädchen nunmehr überdreht hat. Sonst würde ernsthaft etwas nicht stimmen in diesem Land.

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