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(picture alliance) Es droht die Griechenland-Pleite. Verhindert sie vielleicht Schlimmeres?

Griechenland - Bankrott oder Bürgerkrieg

Auch mit dem zweiten Rettungsplan sind die Aussichten für Griechenland düster. Experten raten zu einer Pleite innerhalb der Währungsunion

Griechenland geht ins Guiness-Buch der Rekorde ein - allerdings unfreiwillig. Erst wurde dem hoffnungslos überschuldeten Land die härteste Sparkur der Neuzeit verordnet. Was EU und IWF seit dem Beginn der Schuldenkrise 2009 an Einsparungen fordern, habe noch kein Land der Welt geschafft, konstatiert der belgische Volkswirt André Sapir.

Auf diese Rosskur folgte der massivste Einbruch einer westlichen Volkswirtschaft in Friedenszeiten. Die schwere Rezession geht schon in das fünfte Jahr; erst 2014 soll die Wirtschaft wieder wachsen. Wenn der Absturz so weiter geht, wird Griechenland bald hinter Drittweltstaaten wie Peru liegen.

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Und nun kann sich die Regierung in Athen auch noch mit dem zweifelhaften Ruhm brüsten, die größte Umschuldung aller Zeiten gestemmt zu haben  Mit einem Volumen von rund 100 Mrd. Euro gelang Athen der größte „Haircut“ der an Pleiten und Zahlungsausfällen reichen Wirtschaftsgeschichte.

„Das Schlimmste liegt hinter uns“, freute sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach der gelungenen Aktion. Für die Eurozone, ihre Banken und Investoren mag dies stimmen. Für Griechenland sieht die Sache anders aus.    

Selbst wenn alles nach Plan läuft, wird der Schuldenstand 2020 immer noch bei 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen - so hoch wie heute in Italien. Und dies ist nur das optimistische Szenario. Wenn es schlecht läuft, könnte die Schuldenlast bei 160 Prozent liegen, genau wie heute.

Der „Haircut“ verschafft Griechenland also nur kurzzeitig Luft. Athen hat zwar Zeit gekauft und den Pleitegeier vertrieben - doch er könnte jederzeit zurückkehren, womöglich noch in diesem Jahr.

Keines der zentralen Probleme sei gelöst, heißt es im jüngsten Bericht der internationalen Troika, die die Sanierung des Landes überwacht. Die Tragfähigkeit der Schulden sei ebenso wenig gesichert wie die Wettbewerbsfähigkeit, vom Wachstum ganz zu schweigen.

Zwar will die EU nun ein neues Wachstumsprogramm auflegen. Bis zu 10 Mrd. Euro aus den EU-Strukturfonds will die Brüsseler „Task Force“ unter Leitung des Deutschen Horst Reichenbach in die Förderung des Mittelstands und Infrastrukturprojekte stecken.  

Doch das Geld kommt viel zu spät. Bis die Konjunkturspritze wirkt, dürften mindestens zwei Jahre vergehen. In derselben Zeit soll Griechenland aber noch einmal Kürzungen in Höhe von 5,5 des Bruttoinlandsprodukts vornehmen, fordert die Troika. Sie könnten den Untergang bedeuten.

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Denn der neue Kahlschlag soll gleich nach den Wahlen im April beschlossen und umgesetzt werden. Sollte die neue Regierung dem Folge leisten - wie Noch-Regierungssprecher Pandelis Kapsis beteuert - riskiert sie bürgerkriegsähnliche Zustände. Schon beim letzten Spardiktat aus Brüssel stand Athen in Flammen.

Sollten die neuen Volksvertreter sich hingegen weigern - was bei einem Wahlsieg der radikalen Linken wahrscheinlich ist - kann Brüssel den Geldhahn zudrehen. Ein Großteil des neuen Hilfsprogramms in Höhe von 130 Mrd. Euro geht über ein Treuhandkonto in den Schuldendienst. Es wird nicht von der Regierung in Athen, sondern von den Aufsehern aus Brüssel verwaltet. Wenn sie „Stop“ sagen, geht in Athen das Licht aus.

Schon im Juni könnte es so weit sein. Dann steht nämlich der nächste „Schuldentragfähigkeitsbericht“ der Troika an. Da die neue Regierung aber wohl einige Zeit braucht, um sich einzuarbeiten, könnte die Troika ihr eine Gnadenfrist lassen. Die Stunde der Wahrheit dürfte nach der Sommerpause im Herbst läuten, glauben die meisten Experten in Brüssel. Dann droht die Pleite - wieder einmal.

Allerdings schreckt dies diesmal niemanden mehr. Die privaten Investoren haben sich mit dem Schuldenschnitt weitgehend aus Griechenland zurückgezogen. Sie könnten eine Pleite überstehen, ohne dass dies neue Schockwellen an dem Märkten auslösen würde.

Auch die großen Gläubigerstaaten in der Eurozone - allen voran Deutschland und Frankreich - haben sich abgesichert. Sie zahlen die Hilfskredite an Athen nur noch tröpfchenweise, gehen also nicht voll ins Risiko, wie Eurokritiker behaupten.

Sorgen macht man sich in Brüssel nur noch um Portugal und Irland - denn auch sie sind von Hilfskrediten abhängig und könnten unter einer Griechenland-Pleite leiden. Doch dieses Risiko soll durch den neuen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM aufgefangen werden, der im Juli an die Arbeit geht. Schäuble hat Portugal zudem neue Hilfen zugesagt, falls dies nötig werden sollte.

Eine Pleite in Athen hat also viel von ihrem Schrecken verloren. Bleibt die Frage, wie sie über die Bühne gehen könnte. Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten: der Bankrott kann geordnet oder ungeordnet verlaufen, und Griechenland könnte ihn innerhalb der Eurozone vollziehen - oder austreten. Alle möglichen Szenarien habe Schäuble durchrechnen lassen, meldete der „Spiegel“ schon im vergangenen September. [gallery:Griechenland: Jahre des Leidens]

Die Ergebnisse wurden bisher nicht bekannt. Doch klar ist schon jetzt, dass die Eurogruppe einen Austritt aus der Währungsunion um jeden Preis verhindern will. Denn dies würde das fatale Signal in die Welt senden, dass die Eurozone auseinander bricht. Auch ein ungeordneter Bankrott scheint fast unmöglich - schließlich muss Athen dafür sorgen, dass immer genug Geld auf dem Treuhandkonto ist, um die Gläubiger zu bedienen.

Bleibt das Szenario eines geordneten Zahlungsausfalls innerhalb der Währungsunion. Damit rechnen einige Experten in Brüssel. Wolfgang Münchau vom Fachdienst „Eurointelligence“ glaubt sogar, dies wäre die beste Lösung für Griechenland. Wenn die jetzt beschlossenen Strukturreformen wirken und die Wettbewerbsfähigkeit steigt, könne Hellas frisch durchstarten - sogar mit dem Euro. 

Allerdings brauche die Regierung in Athen noch ein Jahr Zeit, um Vertrauen zurückzugewinnen und das Budgetdefizit abzubauen, schrieb Münchau in der „Financial Times“. Wenn das primäre Defizit (ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen) nahe Null sei, könne Athen den Sprung wagen und einen weit gehenden Schuldenerlass fordern.

Der Haken: Dann wären auch die Hilfskredite und die Sicherheiten bei der Europäischen Zentralbank verloren. Berlin müsste wohl den Großteil der rund 60 Mrd. Euro abschreiben, die bisher an Krediten und Garantien an Athen vergeben wurden.

Ob Bundesregierung und Bundestag dazu bereit sind, mag man aus heutiger Sicht bezweifeln. Die Alternative wäre allerdings ein dritter, milliardenschwerer Rettungsplan - und auch das scheint undenkbar.

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