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Golda Meirs Enkelin

Geheimagentin, Anwältin, Ministerin. Zipi Livni hat bereits einigeKarrieren hinter sich – und, wie viele glauben, die ganz große noch vor sich. Die neue israelische Außenministerin könnte eines Tages sogar Regierungschefin werden.

Avi Primor: Der letzte General Die Außenministerin hatte ihren Amtseid für die neue Legislaturperiode noch nicht abgelegt, da hagelte es schon die ersten Rücktrittsforderungen. In einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender ABC hatte Zipi Livni gesagt: „Jemand, der israelische Soldaten angreift, ist ein Feind und wird von uns bekämpft werden, aber ich glaube nicht, dass Übergriffe auf Soldaten unter die Definition von Terrorismus fallen.“ Sollte Livni nicht um die Sprengkraft ihrer Aussage gewusst haben? Nein, eine Zipi Livni verplappert sich nicht. Sie verfügt vielmehr über eine unter Politikern nicht besonders ausgeprägte Charaktereigenschaft: Sie ist ehrlich, sagt, was sie denkt. Das kann zu unangenehmen Situationen führen. Als die damalige Justizministerin im vergangenen Jahr den Sperrwall zum Westjordanland besichtigte, gab sie der begleitenden Presse zu Protokoll, es bedürfe keiner besonderen Fantasie, sich angesichts dieses Bauwerkes den künftigen Grenzverlauf auszumalen. Da hatte sie einmal mehr nur ausgesprochen, was doch alle dachten. Die Rechtsanwälte ihres Justizministeriums aber waren wenig begeistert, versuchten sie doch seit Monaten die obersten israelischen Richter davon zu überzeugen, dass der Sperrwall gar nichts mit irgendeiner Grenzziehung zu tun habe, sondern nur eine Sicherheitsfunktion erfülle. Livni weiß, dass diese scheinbare politische Tolpatschigkeit ihr im Endeffekt zugute kommt. Längst gehört sie zu den beliebtesten Politikern des Landes, viele sehen in ihr gar eine potenzielle Ministerpräsidentin. Livni wurde 1958 in eine hochpolitische Familie hineingeboren. Ihre Eltern waren im Irgun aktiv, einer jüdischen Widerstandsgruppe gegen die britische Mandatsmacht, die auch vor Terroranschlägen nicht zurückschreckte. Eitan Livni war als Chef der „operativen Einheit“ des Irgun direkt mit der Planung und Ausführung von Anschlägen beschäftigt. Hat Livnis vorsichtige Terrordefinition ihre Wurzeln deshalb vielleicht auch in der Vergangenheit ihrer Eltern? Wie Regierungschef Ehud Olmert wuchs Livni im revisionistischen Umfeld der Betar-Jugend auf, sie erinnert sich noch gut an die samstäglichen Familienbesuche bei Menachem Begin. Auf dem Grabstein ihres 1991 verstorbenen Vaters prangt eine Landkarte seines Wunsch-Israels, die auch das Gebiet östlich des Jordans mit einschließt. In Interviews übt sich die hochintelligente Livni heute in einem seltsamen ideologischen Spagat. Auf der einen Seite bleibt sie dem Andenken ihrer Eltern treu und sagt: „Ich glaube – wie meine Eltern – an das Recht des jüdischen Volkes auf das ganze Land Israel.“ Andererseits habe sie aber in ihrem Elternhaus eine Erziehung genossen, in der demokratische Werte über alles gestellt worden seien. Deshalb sei ihr der demokratische und jüdische Charakter des Staates wichtiger als der prinzipielle Anspruch auf Nablus und Jericho. Nach dem obligatorischen Militärdienst verließ Livni die Armee im Rang eines Oberstleutnants und ging für vier Jahre zum Auslandsgeheimdienst Mossad. Dass sie über diese Zeit heute nicht sprechen will, nährt Gerüchte über abenteuerliche Einsätze als Spionin. Die Wahrheit war wohl weniger spektakulär: Mit ihren herausragenden analytischen Fähigkeiten war Livni prädestiniert für die Auswertung von Informationen – also Büroarbeit. Einem Jurastudium folgten zehn Jahre als Rechtsanwältin für Arbeits- und Wirtschaftsrecht. 1996 kandidierte sie erstmals für die Knesset, konnte aber in der Likud-Vorwahl keinen aussichtsreichen Listenplatz erringen. Als Generaldirektorin der Behörde für staatliche Betriebe begann sie damit, den staatlichen Regulierungsdrang aus der sozialistischen Anfangszeit des Staates vorsichtig einzuschränken. 1999 gelang ihr dann der Sprung in die Knesset. Zwei Jahren auf der Oppositionsbank folgten eine Vielzahl Ministerämter in der Regierung von Ariel Scharon. Zunächst als Ministerin für Regionales, dann als Ministerin ohne Geschäftsbereich, Landwirtschaftsministerin, Ministerin für Immigration und Integration und Wohnungsbauministerin – auch auf wenig angesehenen Posten zeigte Livni vollen Einsatz und hinterließ einen guten Eindruck. Als Scharon sie im Dezember 2004 zur Justizministerin ernannte, sprach sie davon, ihren „Traumjob“ gefunden zu haben. Das ist lange her: Ihr neuer Traumjob ist die Leitung des Außenministeriums. Und wieder macht sie eine ausnehmend gute Figur: In kurzer Zeit ist es ihr gelungen, eine erstaunlich stabile internationale Front gegen die Hamas-Regierung in Ramallah zu bilden. Sie verprellt ihre westlichen Gesprächspartner nicht mit überzogenen Forderungen, kann gut zuhören, auf Englisch und Französisch antworten und geht doch keinem Konflikt aus dem Weg. Als intelligent, charmant, gebildet und weltläufig gilt die Außenministerin. Wenn es sein muss, kann sie aber auch eine sympathische Bescheidenheit an den Tag legen. Als nach Scharons Schlaganfall Gerüchte über einen Machtkampf zwischen ihr und Olmert in den Medien auftauchten, zögerte sie nicht und versicherte Olmert öffentlich ihrer Unterstützung. Wenig später räumte sie freiwillig den zweiten Platz auf der Kandidatenliste der Kadima-Partei für Schimon Peres. Belohnt wurde sie mit dem Außenministerium – ein Amt, auf das traditionell Peres Anspruch erhebt. Zufall oder Kalkül? Mit einem derart untrüglichen Machtinstinkt jedenfalls könnte der Aufstieg der Zipi Livni noch nicht abgeschlossen sein. Ein Amt wäre da noch erstrebenswert, ein „Traumjob“, ganz oben.

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