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Ein falscher Messias

Er hält die Welt in Atem, droht mit der Herstellung von Atomwaffen und der Vernichtung Israels. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist beseelt von seinem Sendungsbewusstsein.

Lesen Sie auch: "Wie gefährlich ist Iran?" von Bruno Schirra "Der talentierte Mr. Atom" von Antonia Rados "Kanonenfutter der Mullahs" von Matthias Küntzel Vom gefährlichsten Staatsmann der Welt wissen wir nicht viel. Wer ist Mahmud Ahmadinedschad? Seine Familie kommt vom Rand der zentral-iranischen Wüste. Am 28. Oktober 1956 wurde er in Garmsar, etwa 100 Kilometer östlich von Teheran als viertes von sieben Kindern eines armen Schmieds geboren. 1957 zog die Familie in den Süden Teherans. Der Vater ließ den Familiennamen vom handwerklichen Sabordschian („Teppichfärber“) zum frommen Ahmadinedschad ändern, was so viel bedeutet wie „tugendhafte Rasse des Propheten“. Der fleißige und unauffällige Mahmud versucht bald, dem großen Namen alle Ehre zu machen. Ein Schulfreund erinnert sich: „Wenn wir anderen uns rauften, ging er dazwischen, brachte uns auseinander und befahl uns, stattdessen zu beten.“ Die Strebsamkeit zahlt sich aus – 1975 erreicht Ahmadinedschad bei den landesweiten Eignungsprüfungen für die Universität den 130. Platz. Er studiert Tiefbau, macht seinen Doktor als Bauingenieur im Bereich Transportwesen und Verkehrsbauplanung. Als Student engagiert er sich in der Anti-Schah-Bewegung. Nach eigenen Angaben gehörte er zu den radikalen „Studenten der Linie Imam Chomeini“, die sich mit anderen oppositionellen Gruppen gerne Saalschlachten lieferten. Seine heutige Frau lernt er als Studentin kennen. Auch sie hat ein Ingenieursdiplom. Das älteste der drei Kinder, eine Tochter, macht gerade ihren Abschluss als Elektroingenieurin. Der ältere Sohn steht kurz vor dem Abschluss als Bauingenieur, der jüngere vor dem Abitur. Die Familie gehört, wie viele revolutionäre Aufsteigerfamilien, zur volkstümlich frommen, technischen Intelligenz. Als Saddam Hussein 1980 den Iran überfiel, ging Ahmadinedschad mit anderen jungen Revolutionären in die Kurdengebiete des Westirans nahe der irakischen Grenze. Dort kämpfte man gegen die Iraker ebenso wie gegen die Aufständischen der Demokratischen Partei Kurdistans. Mit Mitte zwanzig wurde Ahmadinedschad Vizegouverneur der Provinz Kurdistan. Die jungen Freiwilligen wurden von Krieg, Kameradschaft und tausendfachem Märtyrertod geprägt. Das Land, für das sie zu sterben bereit waren, lag ihnen zu Füßen. Zehntausende so genannte Bassidschi, oft noch Schuljungen, fanden bei Himmelfahrtskommandos den Tod. Sie waren die Vorbilder der ersten „Märtyrerkommandos“, die im Libanon der frühen Achtziger den Selbstmordterrorismus einführten. Fast schon folgerichtig wurde Ahmadinedschad 1986 Mitglied eines Sonderkommandos der Revolutionären Garden. Bei der Sepahe Ghods (Armee Jerusalem) war er für Auslandsoperationen zuständig – zum Beispiel für Aktionen gegen die iranische Opposition in Europa. Er soll 1989 in Wien bei dem Mord an einem kurdischen Exilpolitiker beteiligt gewesen sein. Die erste Hälfte der neunziger Jahre verbrachte Ahmadinedschad als Provinzgouverneur in Ardabil. Dann kam 1997 der überraschende Sieg der Reformer um Khatami bei den Parlamentswahlen. Für Ahmadinedschad und seinesgleichen war dies ein traumatisches Erlebnis des Verrats und der Dekadenz. Die Freikorps-Veteranen der Revolution, die dem islamischen Staat alles verdankten, betrachteten die zaghafte Öffnung der Gesellschaft als Ausverkauf der Werte des Ayatollahs Khomeini, als Dolchstoß in den Rücken der Revolution. Mahmud Ahmadinedschad ist der Repräsentant dieser Generation. Es wäre ein Missverständnis, sie wegen ihres rigiden Glaubens als Konservative zu sehen. Sie sind vielmehr ewige Revolutionäre, die zu dem reinen, aufopferungsvollen Islam von 1979 und zu der Kameraderie des Fronterlebnisses zurückwollen. Ahmadinedschads karges Blouson („das Ahmadi-Jackett“), sein alter Peugeot und die ärmliche Wohnung sind beliebte Objekte des Spotts der verwestlichten Jeunesse dorée. Doch seine Anhänger in der technokratisch-militärischen Mittelschicht und unter den Armen im Lande sehen in dem nach außen aggressiven, nach innen bescheiden-frugalen Auftreten des Präsidenten die Versprechen der Revolution eingelöst – moralisch-religiöse Erneuerung, nationale Unabhängigkeit und Aufstiegschancen für alle. Während die Reformer in den vergangenen Jahren den Iran an den Westen heranzurücken versuchten, wandte sich Ahmadinedschad immer stärker der mystizistischen Lehre vom Mahdi zu, einer Art schiitschen Messiaskultes. Der 12. Imam der Schiiten war im Jahr 941 n. Chr. verschwunden, seither warten die Gläubigen auf seine Wiederkehr. Er wird sieben Jahre lang herrschen, bevor er das Ende der Welt und das jüngste Gericht herbeiführt. Seiner Herrschaft wird großes Leid vorangehen. In seiner Ansprache vor der UN-Generalversammlung widmete der iranische Präsident vor verdutzten Diplomaten eine Viertelstunde seiner Redezeit dem verborgenen Imam. Die Ayatollahs waren keineswegs amüsiert über so viel Sendungsbewusstsein. Aus gutem Grund. Ahmadinedschads Messianismus klingt skurril und sektiererisch, hat aber im Gefüge des Gottesstaats eine umstürzlerische politische Bedeutung. Wer sich in Kontakt mit dem Mahdi wähnt wie dieser Präsident, ist eine Gefahr für den Machtanspruch der klerikalen Hierarchie, die seit der Revolution den Staat führt. Nicht nur für sie: Wie soll die Welt mit einem Land umgehen, das von einem apokalyptischen Revolutionär regiert wird, der von der Gewissheit beseelt ist, dass großes Leid in der Welt ein Zeichen dafür ist, dass das Paradies auf Erden näherrückt?

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