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(picture alliance) Sophie Rois als Kommissarin mit Horst Krause: Im Frühjahr 2012 wird die Polizeiruf-110-Folge ausgestrahlt

Sophie Rois beim Polizeiruf 110 - Von der Diva zur Fernsehkommissarin

Sophie Rois ist eine kluge und moderne Diva. Warum sie sich nach einer großen Karriere auf der Theaterbühne jetzt an die Darstellung einer Fernsehkommissarin wagt und sich auch dabei treu bleiben muss

Der Brandenburger Spreewald hat seit der Eiszeit schon viel gesehen, aber so etwas noch nicht: eine Kriminalkommissarin, die herzhaft in eine Gewürzgurke beißt und dann strahlend mitteilt: „Ich bin die Polizei!“

Es muss lustig zugegangen sein bei den Dreharbeiten zum Polizeiruf „Die Gurkenkönigin“, der Mitte April ausgestrahlt wird. Sophie Rois als Gastermittlerin hat sich den kecken Satz selbst ausgedacht, erzählt sie, als wir uns am Berliner Gendarmenmarkt zum Tee treffen. „Ich wollte auf gar keinen Fall eine dieser Fernsehkommissarinnen spielen, die, kaum begegnet ihnen irgendwo ein Junkie-Mädchen, ganz traurig werden und die Sache unbedingt abends beim Rotwein mit ihrem Lebensgefährten besprechen wollen“, sagt sie. „Haben Sie es einmal mit Zivilbullen zu tun gehabt? Sie werden schlecht bezahlt, ihr Job ist gefährlich und undankbar, aber es gibt Situationen, da können sie ganz klar und vergnügt sagen: ‚Ich bin die Polizei! Alles hört auf mein Kommando!“

Sophie Rois, die im Mai für ihre grandiose Bühnenkarriere mit dem Berliner Theaterpreis ausgezeichnet wird, genießt solche Rollen. Weil sie kurzfristig für die wegen Schwangerschaft pausierende Maria Simon einsprang, konnte sie die Figur freier gestalten als in der Serie üblich. Regisseur Ed Herzog und Kollegen wie Susanne Lothar, Bernhard Schütz oder Horst Krause, den sie seit ihrem ersten Kinohit „Wir können auch anders“ von 1993 kennt, machten ihr den Ausflug in den Sonntagabendkrimi erst recht schmackhaft.

Nicht, dass sie Berührungsängste vor dem Unterhaltungsgenre hätte. In der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gibt das feste Ensemblemitglied dem Affen seit Jahren so radikal wie stilvoll Zucker. „Ich unterhalte mein Publikum ja gern!“ Rois, die in all ihren Rollen unberechenbar, ja wüst und undurchsichtig sein kann, putzt sich die Nase mit einem ordentlich gebügelten Stofftaschentuch.

Sieht man sie so, muss man gleich an ihre kokett geseufzten Worte „Herrgott, was für eine Spitzenhausfrau wäre ich geworden!“ denken, die sie seit letzter Saison als Titelheldin in Clemens Schönborns „Die Kameliendame“ ausstößt. „Käme ich nicht aus der Generation Selbstverwirklichung, weiß ich nicht, was aus mir geworden wäre.“ Sie sagt das mit ihrer unverwechselbaren Stimme, die wunderbar rau nach wind- und wettergestähltem Reibeisen klingt und etwas nach urban-verruchtem Underground. Eine Frau mit einem solchen Timbre ist nicht zu fassen, sie flaniert als ihr eigener Boss durch Kunst und Leben.

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Vielleicht lieben die Zuschauer sie deshalb so sehr, denn egal, ob sie ein Dienstmädchen in Genets „Die Zofen“, eine überkandidelte Fabrikantenwitwe in der Boulevardkomödie „Die (s)panische Fliege“ oder die androgyne Erika Mann in Heinrich Breloers Dokudrama „Die Manns“ spielt – immer wirkt sie völlig frei und überzeugend.

Die markante Kodderschnauze verrät nicht zuletzt dezent ihre Herkunft. Rois wurde 1961 in Oberösterreich geboren. Nach dem Max-Reinhardt-Seminar in Wien zog sie 1986 nach Berlin und landete 1993 an der Volksbühne. Hier konnte sie ihren Beruf endlich so absolut ausüben, wie sie es sich erträumt hatte, und wurde in Inszenierungen von Frank Castorf und Christoph Schlingensief zum Star. Bis heute gilt sie als Muse des Regisseurs René Pollesch, auch wenn sie diese Bezeichnung amüsiert, weil sie mit solchen Frauenbildern längst gebrochen hat.

Ob auf der Bühne oder vor der Kamera, stets gelingt es dieser klugen modernen Diva, authentisch und glaubwürdig zu erscheinen. Woran das liegt? „Weil ich nichts mehr mache, was ich nicht machen will, auch wenn das mal weniger gut wird oder gegen die Wand kracht. Irgendwelche Erfolgsaussichten reichen nicht mehr aus, dass ich eine Rolle annehme.“ Diese Haltung bringt große Vorteile mit sich. „Schlechte Laune hatte ich schon immer, aber mit 30 Jahren darf man die noch nicht zeigen“, lacht sie. „Aber jetzt steht es mir zu, gewisse Schrullen und klimakterische Zicken zu pflegen.“

Sophie Rois hat den Mut und die Souveränität, das zu sein, was sie sein will. Es lohnt sich. Der Erfolg und die Preise scheinen derzeit nur so auf sie einzupurzeln. Allein im vergangenen Jahr waren es vier, inklusive der Goldenen Lola als beste Darstellerin. Und im Februar erhielt sie für ihre Leistung in Tom Tykwers „Drei“ den Ernst-Lubitsch-Preis. Ihr Kamillentee schwappt gefährlich über den Tassenrand, als sie aufjuchzt: „Lubitsch, der ist der Größte! Und ich werde mit ihm in Verbindung gebracht! Was bin ich doch für ein Glückskind!“ 

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