Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) Krimiautor James Ellroy

James Ellroys „Hilliker-Fluch“ - Selbstverständliche Uninspiriertheit

In James Ellroys Kindheit klafft eine schmerzende Wunde: Seine Mutter fiel einem Sexualverbrechen zum Opfer und wurde ermordet. In seinem neusten Roman „Der Hilliker-Fluch" blickt der Krimiautor auf eben diesen biografischen Wendepunkt zurück

So geht es zu, wenn das ganze Leben durch einen Moment in der Vergangenheit bestimmt wird: Ein Zehnjähriger wünscht seiner Mutter bei einem Streit den Tod. Drei Monate später, im Juni 1958, wird die Leiche der erdrosselten Jean Hilliker in Los Angeles gefunden; das Verbrechen ist bis heute nicht aufgeklärt. James Ellroy, den Sohn des Mordopfers – der einer der erfolgreichsten amerikanischen Krimiautoren ist–, treibt es immer wieder zurück zu diesem biografischen Wendepunkt. Seine Beziehungs- und Drogenprobleme, die Gier nach Erfolg und immer neuen Frauen – alles, alles bezieht Ellroy auf den „Hilliker- Fluch“ und schreibt seinen Wünschen damit also eine nachgerade magische Kraft zu. Nach seiner investigativen Recherche über den Muttermord im Band „Die Rothaarige“ lässt der vorzugsweise in abgedunkelten Schreibhöhlen brütende Ellroy uns jetzt an seiner manischen Frauenjagd teilhaben, die in den Teenagerjahren mit Spanner-Streifzügen in der Nachbarschaft begann. Mit Lust und Erotik hat das alles wenig, mit zwanghaftem Verhalten dagegen sehr viel zu tun; entsprechend ermüdend liest sich Ellroys obsessive Dauersuche nach der erlösenden Über-Frau.

Jenseits seiner Eroberungsliste gleitet der Autor so berühmter Hardboiled- Krimis wie „L.A. Confidential“ gern in sentimentale Gefühligkeit ab und inszeniert sein Leben als Psychodrama: „Die Anrufe wurden sanfter. Ich spielte den Joan-Baez-Song Diamonds and Rust, während ich im Dunkeln wartete. Das Lied beschrieb eine romantische Schicksalsverfallenheit und alte Liebhaber als Retter und Zerstörer. Ich spürte, dass ein weiterer Absturz drohte.“ Erschöpfend arbeitet sich Ellroy an seinem selbst geschaffenen biografischen Mythos ab, und vermutlich gäbe es dieses Buch gar nicht, wenn der Name des Autors nicht so bekannt wäre: “Sie sah an diesem Tag anders aus. Frisch geschrubbt und noch intensiver als sonst“, schreibt Ellroy etwa in selbstverständlicher Uninspiriertheit über eine seiner Ehefrauen.

Ob diese Bekenntnis-Prosa ihn von seinen Dämonen befreite, ist unklar. Dass man andererseits exzentrische Erfolgsschriftsteller privat nicht unbedingt kennenlernen möchte, wusste man auch schon vorher.

James Ellroy: „Der Hilliker-Fluch“, Roman, aus dem Amerikanischen von Stephen Tree. Ullstein, Berlin 2012. 252 S., 19,99 €

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.