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Kulturgutschutzgesetz - Monika Grütters gegen den Rest der Kunstwelt

Kulturstaatsministerin Monika Grütters will die Ausfuhrregeln für bedeutende Kunst in Deutschland verschärfen. Kunstsammler und -händler fühlen sich bedroht und protestieren. Dabei gelten in anderen Ländern der EU längst ähnliche Regeln

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Scholz, Claudia

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Als die französischen Fahnder die Luxusjacht stürmen, treffen sie auf keinerlei Widerstand. Der Kapitän händigt ihnen sofort die Schmuggelware aus: einen Picasso, eingewickelt in Sicherheitsfolie, Marktwert 25 Millionen Euro. Es handelt sich um das „Porträt eines jungen Mädchens“.

Der Besitzer des Kunstwerkes ist der Spanier Jaime Botin, ehemals Vizechef der Santander-Bank und bereits wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ins Visier der Ermittler geraten. Nun wollte er seinen Schatz in der Schweiz gewinnbringend verkaufen. Über einen Mittelsmann schickte er es unter britischer Flagge illegal außer Landes - denn das Gemälde hatte Spanien zuvor als „nationales Kulturgut“ eingestuft und seine Ausfuhr verboten. Die Zollbehörden durchkreuzten Botins Pläne schließlich im korsischen Hafen Calvi.

Wenn es nach Monika Grütters geht, könnte es in Deutschland bald ähnliche Fälle geben. Sie möchte den Verkauf von Kunst privater Sammler und öffentlicher Kunstsammlungen in EU-Länder beschränken. Ein neues Kulturgutschutzgesetz soll dafür sorgen, dass „national bedeutsames Kulturgut in Deutschland vor Abwanderung ins Ausland“ geschützt wird. Bisher gab es solche Regeln nur in den einzelnen Bundesländern. Sie führten Listen mit den Kunstwerken, die nicht ausgeführt werden dürfen. Das betraf jedoch nur die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU. Und nur 2700 Objekte stehen bis heute auf den Listen. Vieles von Bedeutung ist bisher gar nicht erfasst. Ein Bundesgesetz gibt es noch nicht.

Unkontrollierte Ausfuhr soll ein Ende haben
 

Nun sollen alle öffentlichen Sammlungen und Kulturgüter – auch in privatem Besitz - die von einer Expertenkommission als „national bedeutend“ eingestuft werden, nicht mehr ohne Weiteres in andere Länder der EU ausgeführt werden. Gemälde, die mehr als 150.000 Euro wert und älter als 50 Jahre sind, brauchen zum Beispiel eine Ausfuhrgenehmigung.

Eine Regulierung des deutschen Kunstmarktes hält Grütters für längst überfällig. Es ärgert sie, dass bedeutende Objekte auf New Yorker oder Londoner Auktionen landen, die deutsche Museen dann „für extrem hohe internationale Preise mit Steuergeldern zurückkaufen“ müssten.

Aktuelle Beispiele scheinen ihr Recht zu geben: In Rheinland-Pfalz schickte ein Sammler seinen Goldpokal aus dem frühen 17. Jahrhundert zur Versteigerung nach New York, obwohl die Rheinland-pfälzische Expertenkommission ihn als „national wertvoll“ eingeschätzt hatte. Doch bevor er auf der Liste landen konnte, war er schon außer Landes.

Genauso umstritten war die Versteigerung zweier Andy-Warhol-Bilder aus der Sammlung des nordrhein-westfälischen Casinobetreibers Westspiel für 151,5 Millionen Dollar. Von Verscherbelung wertvollen Kulturgutes war in den Medien die Rede.

Sammler und Galeristen wehren sich gegen Regulierung
 

Mehr als 250 deutsche Galeristen und Sammler protestieren gegen das geplante Gesetz. Vor drei Wochen haben sie einen offenen Brief an die Kulturstaatsministerin unterzeichnet: Sie fürchten eine „Totregulierung“ des Kunstmarktes.

Die Galeristin Anna Jill Lüpertz etwa zeigt Verständnis dafür, dass Kunstwerke wichtig für die kulturelle Identität sind. „Was ich nicht verstehe, ist die Notwendigkeit, diese Kunstwerke unbedingt im Land zu belassen. Warum sollen diese Werke nicht in relevanten Sammlungen im Ausland – institutionell oder privat – als Botschafter für die Kultur des Ursprungslandes wirken?“

Auch Künstler geraten in Aufruhr. Georg Baselitz, der für seine kopfüber hängenden Porträts bekannt ist, zog seine Leihgaben aus Protest vom Dresdner Albertinum und anderen deutschen Museen ab. Gerhard Richter, teuerster deutscher Künstler, sagte, man solle schnell noch seine Kunst ins Ausland schaffen, bevor das Gesetz greife. SAP-Mitbegründer Hasso Plattner drohte mit dem Abzug seiner Kunstsammlung aus Deutschland.

Andere EU-Länder haben strengere Regeln
 

Grütters hält die Aufregung für übertrieben. Zeitgenössische Kunst sei doch gar nicht vom Gesetz betroffen. Baselitz‘ Bilder in Dresden sind jünger als 50 Jahre. Und auch die teuersten Werke von Gerhard Richter stammen aus den 80er Jahren oder späteren Jahrzehnten, entziehen sich also der Altersgrenze in Grütters Gesetz. Außerdem seien bisher auch schon Genehmigungen für die Ausfuhr von Kunst in Länder außerhalb der EU nötig gewesen (wenn sie denn auf der Liste standen).

Schließlich schützen auch andere Kulturnationen ihre Kunstwerke, zum Teil mit viel strikteren Regeln, als es Deutschland bisher tut. Wie Grütters betont, hätten schon 26 EU-Mitgliedsstaaten nationale Regeln für die Ausfuhr innerhalb der EU beschlossen. In Italien dürfen als national bedeutend eingestufte Kunstobjekte das Land nur dann verlassen, wenn sie nicht älter als 50 Jahre sind und ihr Urheber noch lebt. In Frankreich dürfen Kulturgüter, die sich über zwei Jahre im Land befunden haben, nur mit Genehmigung ausgeführt werden. Dagegen kann das französische Kulturministerium den Verkauf von sogenannten „nationalen Kulturschätzen“ ins Ausland verweigern. In Spanien und Frankreich herrscht zudem das Vorkaufsrecht des Staates: Sammler, die ein bedeutendes Werk ins Ausland verkaufen wollen, müssen zuvor dem eigenen Staat ein Verkaufsangebot machen.

Nur in England lassen die Gesetze dem Kunsthandel relativ freie Hand: Für Kunstwerke von nationalem Interesse gilt kein absolutes Ausfuhrverbot. Der Staat hat auch kein Vorkaufsrecht. Will ein Eigentümer ein Kunstwerk ins Ausland verkaufen, muss er zwar zuerst durch ein öffentlich gemachtes Kaufangebot englischen Institutionen und Privatleuten die Möglichkeit des Erwerbs geben. Findet sich aber kein Käufer, der die Summe des Besitzers zahlen möchte, kann der es ins Ausland verkaufen.

Kunstwerke landen auch weiterhin in London
 

Daher befürchten die Kritiker der „Lex Grütters“, dass die besten Werke vor der Verabschiedung des Gesetzes sowieso nach London abgeführt würden. Und Werke, die kurz vor der 50-Jahres-Frist stehen, könnte man ja auch in Zukunft rechtzeitig exportieren.

Die Angst der Kunsthändler und -sammler dreht sich auch ums Geld. Sie könnten nach Verabschiedung des Gesetzes keinen freien internationalen Handel mehr treiben. Im Ausland werden oft viel höhere Preise für Kunst gezahlt als in Deutschland. Sie hätten mit Gewinneinbußen und Vermögensverlusten zu rechnen. Einige Kunsthändler hätten um ihre Existenz zu fürchten. Selbst wenn Werke nicht unter die Kriterien für „national wertvoll“ fallen und also im Ausland handelbar sind, verlieren doch Galeristen und Sammler durch die Genehmigungsbürokratie mehrere Monate. In der Zwischenzeit ziehen sich Interessenten zurück, die Preise fallen.

Man darf auch nicht vergessen, dass manche Privatmuseen und Stiftungen sogar nur durch den ständigen Verkauf einzelner Werke aus ihren Sammlungen denkbar sind. Hasso Plattner betonte, dass Museen und Sammler die Flexibilität bräuchten, auch mal ein Werk zu verkaufen, um dafür andere Kunstgüter zu erwerben oder Aufwendungen zu decken.

Viele Museumssammlungen in Deutschland konnten auch nur mit Hilfe privater Stiftungen entstehen. Museen sind immer auf Schenkungen und Leihgaben von privaten Sammlern angewiesen. Sammler werden aber in Zukunft erst gar keine Kunst an Museen geben, wenn sie vorher schon wissen, dass sie die Objekte vielleicht nie wiederbekommen, wenn sie sie verkaufen wollen. Gut möglich, dass nicht nur in Dresden die Museumswände bald leer bleiben.

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