Schwerpunkt - Goethe Reloaded

Meister aller Krisen, Olympier der Verdrängung - wer hätte gedacht, dass die große alte Leitfigur der deutschen Literatur wieder derart an Interesse gewinnen würde?

Er war das Glückskind schlechthin. Schon seine Lebenserzählung «Dichtung und Wahrheit» lässt Johann Wolfgang Goethe mit dem Lob­preis der glücklichen Konstellation seiner Geburtsstunde anheben, «da Jupiter und Venus sich freundlich anblickten und die Sonne im Zeichen der Jungfrau stand und für den Tag kulmi­nierte». Und im Alter, nach einer beispiellos erfolgreichen Multi-Karriere als Universal­dichter und Universalgenie, als Minister und Kultur­politiker, ging es ihm nur noch um die triumphale Krönung seines Lebens, nämlich darum, «die Pyramide seines Daseyns in die Luft zu spizzen». Welche Anstrengungen es Goethe gekostet haben mag, die Glücks- und Erfolgsfassade aufrechtzuerhalten, angesichts einer Reihe von privaten Heim­suchungen und familiären Katastrophen, davon erzählen neue Bücher von Sigrid Damm, Martin Walser oder Dagmar von Gersdorff. Sie alle nehmen den alten Goethe in den Blick – den Witwer, den unglücklichen Liebhaber in Marienbad, den Vater, der den einzigen Sohn verliert. Sigrid Löffler sieht ein anderes Goethe-Bild im Entstehen: Die neue Biografik und die jüngste Belletristik konzentrieren sich auf die großen Krisen in Goethes letzter Lebensphase. Sie zeigen aber auch das ganze Repertoire seiner Vermeidungskünste gegenüber dem Scheitern, seine Strate­gien der Todesabwehr – Entsagen, Verdrängen, Verschweigen

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