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Goldenes Europa - Eine Liebeserklärung an Rom

Am 25. Mai ist Europawahl. Entgegen den Unkenrufen der EU-Skeptiker hat die Wertegemeinschaft eine goldene Zukunft. In der Mai-Ausgabe des Cicero lesen Sie daher zehn Gründe, warum Europa großartig ist. Sybille Lewitscharoff über ihr Rom, eine Herzkammer Europas

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Lewitscharoff, Sibylle

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In der Mai-Ausgabe des Cicero schreiben namhafte Autoren, warum Europa eine goldene Zukunft hat. Sie können die Jubiläumsausgabe des Cicero ganz bequem über unseren Online Shop bestellen.

 

 

 

Alles ist lesbar in dieser Stadt, die Steine plaudern es aus, die Ruinen, die Kirchen, die Säulen, die Obelisken, bisweilen ganze Straßenzüge. Ein Geschichtsatem weht durch die Stadt, in alte Lungen gesogen und wieder herausgeblasen. Rom war die Kapitale eines antiken Weltreichs, sie ist noch immer der Kopf der weltumspannenden katholischen Christenheit.

Auch was das westliche Europa im Innersten zusammenhält, der Gedanke eines zusammenhängenden Kultur- und Wirtschaftsraumes, welcher die Ländergrenzen überschreitet: er hat natürlich mit den Römern zu tun, die einst mit Schwertern und Helmen überall präsent waren, aber zugleich den Warenverkehr belebten und für einen erheblichen technischen Fortschritt sorgten. Man denke nur an die ingeniösen Aquädukte.

Und vergessen wir nicht die Vorboten und die Blüte der Renaissance, die in Städten wie Rom, Florenz, Venedig, Ravenna, Padua eine unvergleichliche Malerei, Literatur und Philosophie hervorbrachten, deren ästhetische und geistige Zündfunken – diesmal nicht mit Hilfe von helmbewehrten römischen Kohorten – den gesamten westeuropäischen Raum eroberten. Wer Europa an der Wurzel verstehen will, der muss nach Rom reisen.

Ende des neunzehnten Jahrhunderts kamen neue Viertel hinzu, später Bauten aus der Zeit Mussolinis, eine zurückhaltende Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg – alles da! Die Stadt besitzt Sehenswürdigkeiten und Kunstsammlungen, die man schwerlich innerhalb eines Monats wird besichtigen können, selbst wenn man tagein tagaus auf den Beinen wäre.

Die Römer selbst scheren sich wenig darum, dass sie in einer Stadt mit derartig überquellendem historischem Reichtum hausen. Warum sollten sie auch? Wer lebt, der lebt jetzt, und kann den eigenen Ort nicht mit den Augen eines Touristen sehen, der die Hauptattraktionen möglichst schnell abklappert, auch nicht mit der hingebungsvollen Liebe eines wahren Aficionados, der sich Zeit nimmt, die Stadt zu erkunden.

Vor vierzehn Jahren war ich für drei Monate in Europas Herzkammer, in Rom also, und habe hügelauf hügelab so ziemlich alles erlaufen, was zu Fuß zu erreichen war. Unvergesslich, wie am Pfingstsonntag nach der Messe im Pantheon rote Rosenblätter aus dem kreisrunden Loch an der Decke herabsegelten, als Symbole der Flämmchen, die zu Häuptern der Jünger Jesu einst an Pfingsten züngelten. Diese zeigten an, dass sie ausersehen waren, die frohe Botschaft in alle Welt zu tragen.

Zum europäischen Kulturrede gehört auch die ehemals so reiche Filmlandschaft. Damals wohnte ich in Trastevere und war entzückt über die vielen Kinos, die es allerorten gab. Ich sah mir fast jeden zweiten Abend einen Film an und war überrascht, dass in Rom auch viele alte Leute in den Kinos anzutreffen waren, meist in kleinen Grüppchen, die anschließend noch gemeinsam essen gingen. Letztes Jahr war ich wieder in Rom, für elf Monate als Gast der Villa Massimo. Da musste ich erfahren, dass in Cinecittà leider keine Filme mehr gedreht werden. Das Gelände verkommt zu einem öden Vergnügungszentrum; die Hälfte der Kinos ist inzwischen eingegangen, was sehr bedauerlich ist, weil auch das Kinosterben davon zeugt, dass dem gewaltigen Strom des Tourismus immer mehr Orte geopfert werden, die hauptsächlich für die Römer da sind.

Dafür wurde ich durch andere Wonnen entschädigt. Das Viertel, in dem die herrliche Villa Massimo, umgeben von ihrem wunderbaren, von Papageien durchflogenen Park liegt, befindet sich nahe der Piazza Bologna. Ein weitgehend touristenfreies Gebiet, das noch ganz und gar in römischer Hand ist. Hier gibt es zahlreiche Restaurants von erstaunlicher Qualität, die hauptsächlich von Familien besucht werden. Grundsolide wird da gekocht, kein Chí-chí-Zeug, und die Kellner sind absolut erstklassig. Gewitzt, beladen mit Tabletts voller Speisen und trotzdem flink sich zwischen den engstehenden Tischen durchschiebend, leisten sie Schwerstarbeit, und sie tun es mit Bravour.

Unnachahmlich, die Menschenkenntnis und zugleich Noblesse, mit der ein italienischer Kellner die Leute zu nehmen weiß. Viele von ihnen haben einen scharfen Blick und erkennen einen Gast wieder, der zum zweiten Mal ihr Lokal betritt. Allein wegen des hinreißenden Kellnerballets und der verschmitzten Sprüche, die da über die Tische fliegen, dem herzlichen Händedruck, mit dem der wiederkehrende Gast begrüßt wird, bin ich fast jeden Abend ausgegangen. Ich fühlte mich sofort heimisch. Die römische Antike, der Vatikan, in welche Richtung man in Rom auch schaut: an allen Ecken und Enden sensationelle Blickfänger – aber wahrhaft herzerhebend ist die Gastronomie, in der die Italiener immer noch Weltmeister sind.

 

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