Enormes Regressionspotential fortgesetzter Angst-Zustände: „Der Nachtmahr“ (1781) von Johann Heinrich Füssli / Wikimedia Commons

Angst, Regression und Infantilisierung als politisches Programm - Angst zu(m) Ersticken - Teil 1

Statt auf den mündigen Bürger setzte die Corona-Politik auf Angsterzeugung. Ein Novum oder die Fortsetzung und Vertiefung einer längeren Entwicklung? Kontext und Folgen des Angst-Framings sind noch lange nicht ausreichend verstanden.

Autoreninfo

Professor Dr. med. Matthias Schrappe ist Internist und war Vorstandvorsitzender der Universitäts-Klinik Marburg, Dekan und wiss. Geschäftsführer der Univ. Witten/Herdecke, Generalbevollmächtigter der Frankfurter Universitäts-Klinik, Dir. Institut Patientensicherheit Universität Bonn (in den Jahren 2002 bis 2011).

So erreichen Sie Matthias Schrappe:

Die Forderungen nach einer Aufarbeitung der Corona-Krise reißen nicht ab. So wünschenswert eine Aufarbeitung wäre, um die tiefen Gräben aus der letzten Krise zu überbrücken und für weitere Krisen Handlungsfähigkeit zu generieren, so sehr wird sie von den Verantwortlichen abgelehnt. So bleibt die drängende Frage offen: Wie konnte es passieren, dass eine auf dem Idealbild des aufgeklärten Bürgers basierende Gesellschaft sich innerhalb von Wochen zu einer Gemeinschaft angstgetriebener Individuen entwickelte? Denn zuvor man war ja stolz darauf gewesen, dass die Bürger mitreden, dass die Einrichtungen der Zivilgesellschaft aktiv einbezogen wurden und dass Patienten bei ihrer Therapie mitentscheiden. 

Denn plötzlich gab es nur noch Zahlen mit geringer Glaubwürdigkeit (aber enormer Suggestivkraft), widersprüchliche Appelle ans Mitmachen („Gemeinsam mit Abstand“), drakonische Maßnahmen ohne Beachtung der Folgen (einsam Sterben im Pflegeheim), Fehleinschätzungen wie zur Rolle der Kinder (noch weitere Zunahme der sozialen Spaltung), Impfpflicht statt Patientenautonomie (nach Patientenrechtegesetz 2013). Politische Beschlüsse wurden in Gremien getroffen, die gesetzlich nicht dafür vorgesehen waren (Ministerpräsidentenkonferenz), man legitimierte politische Entscheidungen durch „die“ Wissenschaft; Wissenschaftler, deren Fachexpertise zu anderen Einschätzungen kam, wurden bedroht. Sogar die grundlegende Forderung der Diskursfreiheit wurde eingeschränkt bis zu einem Punkt, an dem ein einzelner Virologe zu einem Maulkorb aufrufen konnte: Nur noch ausgesuchte Wissenschaftler dürfen zu bestimmten Themen Stellung beziehen, die anderen haben zu schweigen .

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Gerhard Lenz | Sa., 2. Dezember 2023 - 16:22

So wird das nichts mit der "Aufarbeitung", die ohnehin nur einen begrenzten Leserkreis interessieren dürfte. Wer immer nur die gleichen Maßnahmenkritiker zu Wort kommen lässt, bekommt vielleicht verlässlich den Beifall von Querdenkern, Corona-Leugnern und Covidioten zu hören. Allerdings wird irgendwann offensichtlich, dass es gar nicht wirklich um"Aufarbeitung"geht, sondern nur noch um sture Rechthaberei. Denn vermutlich will der Cicero auch gar nichts aufarbeiten, sondern lediglich eine bereits für das "mittlerweile Übliche" anfällige Leserschaft zufriedenstellen.

Und so kann man sich das Lesen des Beitrags fast ersparen, wenn man sieht, wer verantwortlich zeichnet. Aber wie fulminant der Autor sich dieses Mal im Ton vergreift: Corona-Warnungen arbeiteten mit der selben Grundangst, wie die Folterer in Guantanamo und im Irakkrieg. Was sagt uns das? Zweierlei: Jeder diskreditiert sich selbst so gut er kann, und auch ein Professorentitel schützt vor Torheit nicht.

Klassisches Eigentor!

Ronald Lehmann | Sa., 2. Dezember 2023 - 18:11

Antwort auf von Gerhard Lenz

Da kann man sich ja lieber Herr Lenz die Staatsanwälte sparen

weil die Übeltäter jeglicher Art
sich in Zukunft selbst beurteilen & dadurch sich selbst aburteilen

weil diese ALLE zur Erkenntnis gekommen sind, nicht mehr zu Lügen & nur die Wahrheit & nichts als die Wahrheit sagen
Hmm - & was machen wir bei den Erinnerungslücken??????

Naja, Herr Lenz - einigen wir uns darauf
alles sind nur Worte, die aus Buchstaben bestehen & solange nicht die DREI BUCHSTABEN - die keiner sagen oder denken darf - nicht in der richtigen Reihenfolge ausspricht, ist doch die Welt für neue linksgrün gedrillte Welt in Ordnung

Wo ich gerade jetzt beim schreiben innerlich ablachen musste ist folgende Tatsache

Wir Deutschen Freigeister & Querdenker sind also Idioten, (Laien =>Nichtfachkräfte) Rechthaber & Leugner

Bei den Palästinenser, wo ist da die NEGATIVE DEUTUNG?

Außerdem welche Idioten (Laien) haben ständig was
BEHAUPTET

was nicht eintraf
was eine Lüge war
(Erreger der nicht aus einem Labor)
wo ANGST ...😱

Werner Gottschämmer | So., 3. Dezember 2023 - 10:50

Antwort auf von Gerhard Lenz

.der FDGO, ist was sie mit allem Verkörpern. Lebten wir noch in einer solchen, müssten sie doch im Faden vom Verfassungsschutz sein. Ganz oben auf der Liste.Erspare mir zu erklären warum es nicht so ist, das weiß mittlerweile der letzte in diesem Forum. Lustig das alles mit ihnen.

Kai Hügle | Sa., 2. Dezember 2023 - 17:38

Das mit der Angst ist so eine Sache. Aus meiner Sicht waren es vor allem die Maßnahmenkritiker, die durch völlig irrationale Ängste und Angstreaktionen auffällig wurden. Dazu gehörten die Warnungen vor einer bevorstehenden "Corona-Diktatur", in der Wahlen "verschoben" werden sollten, um Merkel und Lauterbach auf unbestimmte Zeit zu installieren.
Auch beliebt: Die Angst vor dem Impfen. Wer wissen will, wie die Impfstoffe gewirkt haben, der informiere sich über die Bundesländer mit den niedrigsten Impfquoten und die Bundesländer den meisten Corona-Toten.
Ob es diese irrationale Angst war, die dazu geführt hat, dass im Zuge der Proteste Polizisten, Journalisten, medizinisches Personal und Unbeteiligte immer wieder Opfer z. T. schwerer körperlicher Gewalt wurden, oder eine Mischung aus soziopathischer Veranlagung und staatsfeindlichen Bestrebungen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass der Cicero hier extrem einseitig berichtet.

Denn es handelt sich ja nicht um "Berichte", sondern um immer gleiche Meinungsäußerungen, die der Cicero jetzt schön hintereinander gereiht als "Aufarbeitung" bringt. Von immer gleichen Kritikern, die vorher schon wussten, was nachher immer noch nicht bestätigt ist.

Herr Schrappe hat seine "Angstthesen" z.B. bereits 2021 veröffentlicht - damals wurde er von Kollegen ziemlich dafür zerrupft.

Derartige Kritik hat er hier, im für Covid-Leugner oder Maßnahmenkritiker geschützten Raum, natürlich nicht zu fürchten.

Lieber klopft man sich ziemlich laut gegenseitig auf die Schulter. Man wusste es ja schon immer. Und irgendjemand (Sie wissen, an wen ich denke), wird garantiert auch noch mal den Bhakdi oder den Wodarg in höchsten Tönen loben und als Opfer einer hinterfotzigen Regierungspolitik (oder von Sorros oder irgendwelchen Echsenmenschen) darstellen. Und endlich Köpfe fordern.

Kennt man ja zur Genüge, solchen Unsinn.

Aber der Cicero gibt natürlich keine gute Figur ab.

Ihr Bruder im Geiste, etwas weiter oben, nannte den Artikel ein „Eigentor“.
Nun denn, wenn er meint, der Herr Diederich Heßling, dann soll er.
Aber Sie argumentieren hier gg. Herrn Schrappe mit dem Argument, es seien v.a. die Gegner der Maßnahmen gewesen, die mit „Angstszenarien“ angekommen seien,womit Sie ja zugeben, dass diese Masche funktioniert.
Aber es gibt einen großen Unterschied. Sie mögen ja in Teilen Recht haben, es gab viele übertriebene Szenarien, die von d Gegnern heraufbeschworen wurden. Doch waren dies individuelle Meinungen.(Und das willkürliche, völlig irrsinnige (Parkbankverbot, Ausgehsperren)Aussetzen von Grundrechten in Folge d Entsch. demokratisch nicht legitimierter Runden, hat nun mal diktatorische Züge.)
Was Schrappe hier aber sehr gut aufführt und woran sich jeder, der keine Scheuklappen trägt oder seinen Gehirnzellen Dauerurlaub gegeben hat, genau erinnern kann, waren staatlich betriebene (mit Angst begr). Maßnahmen, um die Menschen bei der Stange zu halten

Jens Böhme | Sa., 2. Dezember 2023 - 20:09

"Wichtig für die Diskussion ist vielmehr, unter welcher Vorstellung man zu Beginn der Corona-Krise auf Angst und nicht auf den selbständig handelnden Bürger zurückgriff." - Ich finde den Beginn der Corona-Krise schon richtig angewandt (April 2020). Was dann folgte, hatte mit medizinischer Wissenschaft und daraus ressultierenden politischen Entscheidungen nichts mehr zu tun. Dies wurde von allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen unterstützt. Da kann man gegen opponieren, wie man will. Die Mehrheit der Gesellschaft ist am Ende und sehnt nach nächsten gesellschaftlichen Notstand, um mit albernen Videos, wie mit Armee-Fahrzeugkonvoi oder heulenden Krankenschwestern (die sich über Arbeit im Job beschweren), dabei zu sein. Das über siebzig Jahre erfolgreiche System ist unwiderbringlich von innen zerstört. Nicht erst seit Corona.

Ines Schulte | Sa., 2. Dezember 2023 - 21:06

Die meisten überzogenen Warnungen haben sich bereits in diesem Winter in Schall und Rauch aufgelöst. Wo nichts gemessen wird, wo nicht mehr berichtet wird, findet auch nichts statt. Die Leute haben andere Sorgen, denn momentan sind die "Schneewalzen-Zange", "Kältepeitsche", "Deutschland schneit ein", "Schnee-Alarm", "Graupelgewitter", "Schneeungeheuer", "Blitzeis", das Thema. "So gefährlich ist es für Kinder, Schnee zu essen", ( "...auch wenn er noch so frisch und sauber aussieht"), titelte heute ein Blatt. Natürlich von einem Experten untermauert. Gefahren, die uns drohen, sollten schon realistisch und nachvollziehbar dargestellt werden, sonst droht eine Abstumpfung, wie es sich bereits beim Szenario zum Klimawandel abzeichnet.

Martin Janoschka | So., 3. Dezember 2023 - 10:22

Sich hierzu auch der Artikel "was von corona übrigblieb" aus der Welt. Hier vor allem die Statements der EMA, die man der Bevölkerung bewusst vorenthalten hat, obwohl von Anfang an bekannt.
Das gilt vor allem für unsere linken "Menschenfreunde " und coropaniker. Allerdings wird man von denen weder Einsicht noch verstehen erwarten können. Auf geht's, mit Scheuklappen!

Sabine Jung | Mo., 4. Dezember 2023 - 14:59

Antwort auf von Martin Janoschka

sehr guter Beitrag von Ihnen, besser kann man es nicht ausdrücken.
Ich finde es immer wieder so befremdlich, wie man gerade das Statement der EMA einfach ignorieren kann und so tut, als gebe es dieses nicht. Die EMA ist eine offizielle Institution und keine Verschwörungsinstitution, auch wenn es unsere beiden Foristen lieber gern hätten.
Nein hier läuft etwas ganz gewaltig schief, Corona gibt es auch noch heute. Haben wir gerade selbst in unserer Verwandschaft erlebt. Eine Grippe mit den entsprechenden Symptomen, einmal getestet und positiv. Nur heute interessiert es niemanden, man könnte alles machen. Was ist heute an Corona anders als damals? Und nun kommen Sie mir bloss nicht mit den Impfungen Herr Lenz, die schützen nun wirklich nicht. Jeder bekommt Corona, ob mit oder ohne Impfung. Es war niemals für alle Menschen gedacht, die Impfung, nur für Hochrisikopatienten. Geimpft wurden alle, vom Kleinkind bis zum Greis und das sogar als teilweise Pflicht.
Was für eine besondere Schwere!

Urban Will | So., 3. Dezember 2023 - 14:13

Umgekehrt klingt es noch logischer: Wer Verantwortung trägt, muss in der Lage sein, zu führen. Hierzu gehört die strukturelle Entscheidungsfindung. Wer das nicht kann, der darf nie und nimmer eine verantwortungsvolle Position innehaben, denn er kann verheerenden Schaden anrichten.
Beispiel aus dem Schiffsverkehr: Kapitän Schettino. Er hat verantwortungslos sein Schiff versenkt und ist dann auch noch abgehauen.
Die politische Führung in D wurde anfänglich vom Virus überrumpelt und musste schnell Entscheidungen treffen (so mein Eindruck) und das waren in Teilen sogar nachvollziehbar keine guten. Aber spätestens nach einigen Wochen hätte man zur strukturellen, faktenbasierten abwägenden Entscheidungsfindung kommen müssen. Das ist nie geschehen und deshalb hat die Politik hier auf ganzer Linie versagt. Man kann, gerade weil die Angst immer und überall hoch gehalten wurde, hier klare Absicht erkennen, in Teilen natürlich auch Unfähigkeit.
Auf jeden Fall m u s s eine Aufarbeitung her!

Frank Klaus | Mo., 4. Dezember 2023 - 10:43

Die strukturelle Gleichsetzung linker und rechter Identitäspolitik halte ich für einen Trugschluss. Rechte Identitätspolitik verzichtet gerade nicht auf Fragen, sondern will erst wieder einen Fragehorizont eröffnen, der im unterschiedslosen Universalismus und Globalismus verschwimmt.
Und die ethnische Zusammengehörigkeit als gruppenbezogenes Dogma zu begreifen, ist so absurd, dass es sich selbst widerlegt. Natur und Tradition sind das Gegenteil von Dogmen.
Diese strukturelle Gleichsetzung linker und rechter Identitätspolitik ist eine billige Ausrede, um sich nicht mit rechter Identitätspolitik beschäftigen zu müssen. Da ist dann wohl auch die Angst leitend. Denn wenn ein Wissenschaftler sich kritisch äußern will, wie Prof. Schrappe das hier dankenswerter Weise hier tut, dann muss er zumindest den Kotau vor dem Distanzierungsgebot gegenüber "Rechts" vollführen.