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Die Welt ist nicht einfach nur eine Ansammlung von Narrativen: Georg Wilhelm Friedrich Hegel / picture alliance

250. Geburtstag von Hegel - Der Weltgeist lässt die Puppen tanzen

Am 27. August wäre der Philosoph, Vielleser und Berufsoptimist Georg Wilhelm Friedrich Hegel 250 Jahre alt geworden. Seine Spuren ziehen sich durch die gesamte westliche Philosophiegeschichte. Warum es sich lohnt, sie nachzuverfolgen.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Hegel ist der klassische Philosophenphilosoph. Sein Werk erklärt sich im Grunde nur vor dem Hintergrund seiner Stellung in der Geistes- und Kulturgeschichte. Um es zu verstehen, muss man zumindest grob die Philosophiegeschichte der Neuzeit parat haben, also die Gedanken eines René Descartes, eines David Hume und Immanuel Kant, eines Fichte und Schelling. Das macht die Sache nicht einfacher.

Zugleich ist Hegel ein echter Professorenphilosoph, also jemand, der Generationen von Gelehrten dazu verleitet hat, ihn immer wieder neu und immer wieder anders zu interpretieren – ohne je zu einem befriedigenden Abschluss zu kommen. Auch nach 200 Jahren ist schwer zu sagen, worum es Hegel eigentlich ging. Das ist natürlich mehr als frustrierend.

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Holger Jürges | Do., 27. August 2020 - 10:28

Ein hehres Ziel, das an den Grenzen des Sagbaren zerschellt: "Als echtes Kind des Aufklärungszeitalters ist er davon überzeugt, man könne mit strenger Wissenschaftlichkeit und Vernunft die Wahrheit als Ganzes erkunden."

Lange nach Hegel war es einst Kurt Gödel (ein Freund Einsteins) der mit seinen beiden "Unvollständigkeitssätzen" mathematisch bewiesen hat, dass ein in einem System befindliches Etwas niemals das System selbst erklären kann. - Schlecht für die Philosophen.

Dennoch legen Hegels Gedanken, hinsichtlich praktischer Entwürfe für die Gesellschaft, fruchbare Gedanken ins Gemüt. - Seine "Ideenphilosophie" schlägt die Brücke zum letzte Grund der Einheit von Erkennen, Wissen und Wirklichkeit. - Hegels Idealismus versöhnt somit in gewisser Weise die Materialisten mit der Erkenntnis der Existenz einer rein geistigen Welt, die in die Ebenen des "Fassbaren" hineinreicht. - Vielleicht macht der Text in einem folgenden Kommentar (Das Pathos) den Gedanken deutlicher.

Holger Jürges | Do., 27. August 2020 - 10:31

"Und es gibt jene, die dem Gang durchs Dunkle enthoben sind, denn ihr Blick enteilte schon als ihr Erstes dem Übel. - Das Innere der Welt ist das ihre; über diesen Landschaften spannt die Seele einen goldnen Himmel aus Güte und Glanz; und siehe, ihr Lächeln spiegelt sich in den gewaltigen Wassern von Freude und Leid, doch ihr Schreiten ist allen Stürmen voran, denn Ewiges kennt nur den Moment der wahrhaft Liebenden. - Hör ihren Gesang: Nicht müd soll Deine Seele werden und reich soll´n Wunder über allen Zweifeln strahlen.“

Ich glaube, es ist der Autor selbst, ohne ihm damit zu nahe treten zu wollen und es ist evtl. das Wahre der Wirklichkeit und das Wirkliche des Wahren, wie ich etwas anders als Hegel erklären würde, ich glaube aber wiederum nicht ganz anders.
Aber dazu müßte ich ihn lesen.
Man habe bitte Mitleid mit mir und lege ihn mir dar.
Man erkennt manchmal an ganz kleinen Bemerkungen und Bildern, wie z.B. der Äußerung Hegels zur Elektrizität, was diese Denker wirklich umtreibt.
Bei Camus war es das Absurde und die Schwester im "Mythos von Sisyphos", bei Kant und da war ich eigentlich schon zufrieden, der gestirnte Himmel über ihm, die ich schlicht mit der Zauberflöte assoziierte.
Die Schwierigkeiten, die viele auch hier im Forum mit mir haben, resultieren evtl. aus meinem gewissermassen breiten Bildungshintergrund und -horizont, bei gleichzeitig eher nicht stringenter Lektüre, von Ausnahmen abgesehen.
Lesen mich Frauen stimmiger und ohne größere Aversionen, obgleich sicher nicht immer zustimmend?

Herzlichen Dank für Ihre Zeilen, Herr Enders. - So sehr ich Friedrich Hölderlin schätze, so sind es doch eigene Gedanken gewesen, denen der besagte Text entsprungen ist...

helmut armbruster | Do., 27. August 2020 - 11:31

„Jedoch die größte Frechheit im Auftischen baaren Unsinns, im Zusammenschmieren sinnleerer, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern vernommen hatte, trat endlich im Hegel auf und wurde das Werkzeug der plumpesten allgemeinen Mystifikation, die je gewesen, mit einem Erfolg, welcher der Nachwelt fabelhaft erscheinen und ein Denkmal Deutscher Niaserie bleiben wird.“ (WWV, S. 548)
Schopenhauer sah in Hegel einen Kathederphilosophen, der von seinen Brötchengebern abhängig war, also keineswegs unabhängig war und stellte sich selbst als frei, ohne Brötchengeber und unabhängig dar.

Das beste Totschlagargument gegen Hegels Gefasel ist immer noch seine "Definition" der Elektrizität:

Die Elektrizität ist der reine Zweck der Gestalt, die sich von ihr befreit; die Gestalt, die ihre Gleichgültigkeit aufzuheben anfängt, denn die Elektrizität ist das unmittelbare Hervortreten oder das noch nicht von der Gestalt herkommende, noch durch sie bedingte Dasein, oder noch nicht die Auflösung der Gestalt selbst, sondern der oberflächliche Prozeß, worin die Differenzen ihre Gestalt verlassen, aber sie zu ihrer Bedingung haben und noch nicht an ihnen selbstständig sind.

Wer einen derartigem Blödsinn von sich gibt, ist für einen Naturwissenschaftler gestorben.

und doch nur einen Gedanken wiedergegeben, den ich vor mehr als 40 Jahren hatte, ohne noch einmal darüber nachzudenken.
Aber an Ihrem Beispiel sieht man doch ganz leicht, dass Hegel nicht auf dem Kopf stand oder irre ich?
Er will Energie als eine Verlausform zu irgendetwas sehen und zwar Neuem, noch nicht bedingt durch Gestalt? Frei?
Das ist die Frage.
Aber genaugenommen bekomme ich auch weisse Haare, wenn ich die Kirche die Dreifaltigkeit ausbuchstabieren sehe oder wenn Naturwissenschaftler doch irgendwie Geist aus Materie sich entwickeln sehen wollen.
Scheint ja so zu sein, dass bei Hegel das Prozesshafte im Vordergrund steht.
Ich dachte, dass der Begriff der Existenz das Problem des Körper-Geist-Hiatus auflöst?
Und um Existenz kreist doch auch eher Marx, er kommt dann aber nicht zum ge/bewußten Sein, sondern zu Entwicklungen, die sich hinter dem Rücken der Produzenten durchsetzen, besser zu sichern durch die Diktatur des Proletariats.
Die Kirche kam zum Ablasshandel und Hegel zu ?

Marx aber eigentlich zur freien Gesellschaft, wenn man ihn ausführlicher liest.
Lebenslanges Lesen scheint heutzutage bittere Notwendigkeit, aber was ist dann mit lebenslanger Politik oder lebenslangem eigenen Denken?
Wie soll das gehen?
Nun, dafür habe ich eine gar nicht so schlechte Antwort:
GEMEINSAM!

Gewiss war der mittellose Hegel von den seinerzeitigen Postenvergebern genauso abhängig wie die Wissenschaftler heutzutage. Ob Schopenhauer materiell unabhängig war, vermag ich nicht zu beurteilen. Hegel verdanken wir nach wie vor die moderne Dialektik -- was Schopenhauer?

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 27. August 2020 - 11:42

nachdenken, um etwas Vernünftiges darauf schreiben zu können.
Da er aber unglaublich überzeugend geschrieben ist, nehme ich ihn einfach nur mit.
Mögen berufene Geister darauf aufbauen.
Nur mit dieser harschen Kritik an Herrn Precht kann ich mich nicht anfreunden.
Bislang scheint er mir ein Nachfolger von Prof. Sloterdijk, der es bekanntlich nicht über die Maßen mit der neagtiven Vernunft hat.
Ich habe immer so geordnet, für Kant ist Vernunft kritisches Vernehmen der Gesetze des göttlichen Kosmos, für Hegel kritisches Verneinen als Movens des Ganzen, für mich, das was man zusammennehmen, zuordnen kann. ALS LAIE
Ich schätze also Foucault.
Noch mehr schätze ich "reines Vegetieren" als höchsten Ausdruck des Lebens in der Liebe. Siehe dazu Friedrich Schlegel "Lucinde".
Vielleicht doch auch eine Grundlage für Nietzsches "Zarathustra".
Ich bete an die Macht der Liebe, die einzige Macht, die das Kämpfen in seine selbstverschuldeten Schranken weist.
Es kann scheitern... JA
Bitte auch in Liebe

Klaus Decker | Do., 27. August 2020 - 11:49

Sehr geehrter Herr Grau, eine wunderbare Einführung
in die Gedankenwelt Hegels, und damit sicherlich auch in die des "Deutschen Idealismus". Auch ein Jurist und Ökonom gewinnt so ein Interesse an Philosophie.

Andre Möller | Do., 27. August 2020 - 12:52

Antwort auf von Klaus Decker

Ein fordernder und letztlich erfüllender Text. Manchmal bin ich ja schon vom Niveau mancher Texte enttäuscht, aber der hier und der vorhergehende von Herrn Hanselle... Hut ab! Dankeschön! das sind auch wichtige Argumentationshilfen für die immer unerquicklicher werdenden bis ins Persönliche gehenden Diskussionen in der Familie oder mit Kollegen und (noch) Freunden.

Klaus Funke | Do., 27. August 2020 - 12:11

als er als das Fundament der eigenen Dialektik von Marx und Engels verwendet wurde. Marx sagte: Er habe Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt... Ansonsten hat Schopenhauer Recht. Außerdem, (nicht ganz ernst gemeint) wer aus Baden-Würtemberg kommt, hat immer den Geruch des Hausbackenen... Spätzle halt.

war Marx kein Materialist, höchstens auch ein Materialist, was
ihm aber verborgen blieb.
Statt eine "großartige" Theorie des falschen Bewustseins zu entwickeln, mit teils entsetzlichen Folgen für die Bevölkerung. hätte er bedenken müssen, was passiert, wenn er einen Automatismus der Geschichte entfaltet, der des Geistes "nicht mächtig ist".
Dafür hat er das Kapital ausgesprochen geistesmächtig, will sagen in seiner Transzendenz entfaltet und unabsehbaren Schaden durch einen nicht erkannten Kapitalismus abgewendet.
Eigentlich habe ich nur etwas gegen Leute, die predigen, kämpfen oder Macht missbrauchen, weil sie nichts erkennen.
Dann dauert mich aber wieder deren in meinen Augen teils himmelschreiende Unfähigkeit und ich weiss nicht, wo man zuerst helfen soll.
An Unfähigkeit leidet man evtl. auch entsetzlich.
Baustellen wohin man schaut, aber ich werde immer ganz laut, wenn ich denke, dass jemand etwas verstanden hat.
Zuletzt überlege ich aber immer, wo ich fehlgehe.
Alles wird gut.

Gerhard Fiedler | Do., 27. August 2020 - 13:40

Großartig geschrieben, sehr geehrter Herr Grau! Solche und insbesondere Ihre Beiträge sind es immer wieder, warum ich den CICERO so gern lese. "Alles ist historisch zu sehen". Da stimme ich Hegel voll und ganz zu. Und noch eine Textstelle gefällt mir gut, wo Sie schreiben: "Und wer das subjektive Gefühl zum Maßstab der Wirklichkeit erhebt, erkämpft kein Menschenrecht, sondern verfällt der intellektuellen Regression." Das lässt auch an den Beitrag von Henry Bernhard vom Deutschlandradio vom 25.08. denken, der in seinem Beitrag "Es hilft nicht, Nazi zu schreien" meinte, dass Journalisten, die Wirklichkeit widerspiegeln und Nachrichten auswählen, gewichten und einordnen sollten. Wäre das nach Hegel überhaupt möglich? Nein.

gabriele bondzio | Do., 27. August 2020 - 14:32

über die Beschränkungen des Verstandes."...einer meiner Liblingszitate von ihm.
Hegels Überzeugung von dialektischen Veränderungsprozessen, die die Menschheit und damit die Geschichte jedes Mal ein Stück weiterbringen,...sehe ich in dieser Zeit nicht so gewährleistet. Karl-Marx und Friedrich Engels haben sich bei ihm auch bedient.
Aber er war schon ein ganz großer Geist. "Der Geist ist absolut alles"...kein anderer Philosoph hat es gewagt, die Welt und vorallem die Kirche, derart rigoros in Gedanken zu pressen.
Zum subjektiven Gefühl habe ich ein paar schöne Sätze von Viktor Hermann gelesen."Und ganz besonders geplagt von einem nagenden subjektiven Gefühl dürften unsere Damen und Herren Politiker sein. Denn sie spüren eine Welle des Misstrauens, ja manchmal sogar der Ablehnung. Aber da können wir die Politiker beruhigen: Dieses Gefühl ist sicher nicht subjektiv, sondern ganz real." (Subjektives Empfinden und ganz reale Gefühle)

Bernd Muhlack | Do., 27. August 2020 - 21:15

"Hegel ist der klassische Philosophenphilosoph."

Werter Herr Grau, das mag sein, jedoch kann ich das nicht beurteilen. Ich war auf einer anderen Fakultät, schlichte Rechtswissenschaft.
Ist das eine Wissenschaft?
Oder nur stures PAUKEN, auswendig lernen?

Nun ja, immerhin ist dieses Studium eine solide Grundlage für ein späteres Leben im zumindest mittleren Niveau.
Die Fächer Rechtsphilosophie oder Römisches Recht gibt es ja auch - sehr interessant, der "Orchideenbereich".
Etwa die Reden des Seneca zur Verteidigung damaliger Zeitgenossen.
Das sollte jeder Strafverteidiger gelesen haben - quasi eine Einführung in das juristische Denken, Handeln.

Hegel sei ein "Philosophen-Philosoph" schreiben Sie; may be.
Dr. Edmund Stoiber dozierte einmal in der ihm eigenen Rhetorik von der "Kompetenz-Kompetenz".
Man machte sich über ihn lustig, also die Unwissenden.
Nein, das war kein Edi-Versprecher, sondern zutreffend!

Heut zu Tage ist bei vielen gar die "einfache Kompetenz" nicht mehr vorhanden!

Fritz Elvers | Do., 27. August 2020 - 22:39

ein hilfreicher Artikel zur Einordnung.

Allerdings hätte Herr Grau seinen Graus Precht lieber aus dem Spiel lassen sollen.