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Nichtwähler - Gehen Sie bitte wählen

Der Wahlkampf war langweilig? Nur langweilige Leute finden alles langweilig. Also geben Sie bitte Ihre Stimme ab. Sie sind doch kein deutscher Philosoph

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

So erreichen Sie Til Knipper:

So jetzt gilt es: Mann oder Richard David Precht? Frau oder Peter Sloterdijk? Morgen ist Wahl, da muss man hingehen, finde ich. Es sei denn, man ist Philosoph in Deutschland. Die meinen, nicht zu müssen. Ich räume ein, dass ich nach dem TV-Kanzlerduell im Fernsehen auch gedacht habe: Ok, diesmal bleibe ich zu Hause. 

Aber es geht halt doch nicht. Ich will jetzt nicht die ganzen Argumente wiederholen, warum die Partizipation zum Wesen der Demokratie gehört usw. Das können andere besser. Es gibt aber sogar sehr gute Argumente für eine Wahlpflicht. Warum soll man als Bürger nur Rechte haben? Sogar ökonomisch spricht einiges dafür, die Wähler zur Urne zu zwingen. Der Wahlkampf wird billiger, weil die Parteien nicht so viel Geld ausgeben müssen, um die Bürger zur Teilnahme zu bewegen. Vielleicht erreicht dann auch die politische Auseinandersetzung ein höheres Niveau, das ist aber nicht zwingend. Möglicherweise ist es auch ein volkswirtschaftliches Nullsummenspiel, weil die Durchsetzung der Wahlpflicht bürokratische Folgekosten und weitere Aufgaben für die Gerichte mit sich bringt.

Mich hat am Ende Wolfgang Thierse überzeugt, obwohl ich ihn nie besonders sympathisch fand. Der scheidende stellvertretende Bundestagspräsident hat zum Abschluss der letzen Sitzung des 17. Deutschen Bundestags von seinem Vater erzählt und gesagt: "Ich erinnere mich an meine erste freie Wahl am 18. März 1990, und ich erinnere mich ebenso an meinen Vater, von dem ich vermutlich die politische Leidenschaft geerbt habe. Er hat nie wirklich frei wählen können. Volljährig, also wahlberechtigt, wurde er am 31. Januar 1933. Gestorben ist er Anfang März 1990. Sein Beispiel erinnert mich immer wieder an die Kostbarkeit freier Wahlen."

Wenn Sie jetzt nicht überzeugt sind, gucken Sie bitte den "Geh wählen"-Spot der IG Metall an.

Und wenn Sie es jetzt kaum noch erwarten können, ihr Kreuz zu machen, hier noch zwei Lesetipps, damit die Zeit schneller vergeht:

1. "Das Wahllokal" – Wahlkampf in einer Berliner Eckkneipe aus dem Tagesspiegel.

2. "Ihre Stimme zählt" aus der Süddeutschen Zeitung von heute. Der Kollege Hermann Unterstöger hat die Geschichte von Annemarie Schulze aufgeschrieben, die 1932 zum ersten Mal gewählt hat und auch 2013 als 103-Jährige den Weg in ihr Wahllokal antritt, auch wenn ihr das politische Personal von heute "lieb ist, wie Leibweh". Über die Kanzlerin sagt sie aber auch: "Wäre sie genialisch, würden wir auch meckern." Noch nicht online, aber Link wird nachgeliefert, wenn Sie zu geizig sind, die Zeitung zu kaufen.

 

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