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Facebook und Apple zahlen Einfrierprämie - Angriff auf die Gebärmutter

Kolumne: Zwischen den Zeilen. Facebook und Apple sind dafür bekannt, die Grenze von öffentlich und privat immer weiter aufzuheben. Jetzt schrecken sie nicht einmal mehr vor der Gebärmutter zurück

Autoreninfo

Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Emanzipation heißt, dass die Frau alles machen muss: Arbeit, Kind, Haushalt, Paartherapie. Das habt Ihr jetzt davon! Für den modernen Mann ist Emanzipation eine, der Hobbyökonom würde sagen, Win-Win-Situation: Daheim hat sie alles im Griff und Geld bringt sie auch noch nach Hause. Gelebte Emanzipation hat ihren Preis. Den zahlt vor allem die Frau.

Und der Druck auf die Frau nimmt weiter zu. Facebook und Apple wollen ihren weiblichen Angestellten bis zu 20.000 Euro für das Einfrieren von Eizellen zahlen. Wie der US-Nachrichtensender NBC berichtete, sollen die Mitarbeiterinnen ihren Kinderwunsch aufschieben können und all ihre Kraft in das Unternehmen stecken. Eine Art Soli für die Karriere auf Kosten des Kindes. 

Auch hier gilt der alte Grundsatz: It‘s the economy, stupid! Und zwar für alle Lebensbereiche. Nicht der Staat, die Wirtschaft macht Familienpolitik. Während sich die Politik seit Jahr und Tag Gedanken darüber macht, wie mehr Kinder geboren werden können, wie Arbeit und Familie zu vereinbaren sind, schaffen Unternehmen wie Facebook oder Apple ihre eigene Realität.

Man wolle den Frauen mit der Gefriermöglichkeit den Druck nehmen, sich für Kind oder Karriere entscheiden zu müssen. Gleichwohl wird ein ganz neuer Druck erzeugt: Karriere und Kind, geht doch, ist das Signal. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, brav an die Arbeit, Kind gibt’s später, rufen jene, die Beruf und Kind so wunderbar planbar machen und dem Zufall, dem Chaos, dem Leben, die rote Karte zeigen. Alles eine Frage des Zeitmanagements. Dislike!

Die Arbeit wird zum absoluten Lebensmittelpunkt erklärt. Doch ebenso wenig, wie man sein persönliches Glück von einem anderen Menschen abhängig machen sollte, ebenso wenig sollte es an den Job gekettet werden. Der Beruf macht nicht die Identität eines Menschen aus. Er kann ein Teil davon sein, ja. Mehr aber nicht.

Das passt zu Apple und Facebook. Es gehört zum Selbstverständnis dieser Oligopolisten, schon heute die Welt von morgen zu symbolisieren. Sie schaffen Arbeitswelten, in denen die Trennung von Arbeit und Freizeit, von privat und öffentlich ganz bewusst aufgehoben ist. Über ihr alle Lebensbereiche durchdringendes Wohlfühlkonzept vereinnahmen sie den Menschen. Und machen nun auch vor der Gebärmutter nicht Halt. Sie verschieben die Grenze bis in den Körper und verkaufen es als verantwortungsvolle Personalpolitik.

Frauen sind im Grunde die Idealressource


Dabei kommen derartige Innovationen wie sie Facebook und Apple ankündigen im Mäntelchen vermeintlicher Emanzipation daher: Schließlich könne die Frau nun selbst entscheiden, ohne ständig auf die biologische Uhr schielen zu müssen. Machen wir uns nichts vor: Wenn diese Marktgiganten Prämien zahlen, dann allein deshalb, um die Frau für den Arbeitsmarkt fit zu machen.

Frauen sind im Grunde die Idealressource: In der Regel sehr gut ausgebildet, teamfähig, belastbar und billiger zu haben als der vergleichsweise ähnlich gut ausgebildete Mann. Ließe sich nun auch noch der Kostenfaktor Schwangerschaft mit einer Prämie auslagern, würde der feuchte Traum der Männer an der Spitze dieser Konzerne Realität.

Insofern offenbart der Vorstoß von Apple und Facebook ein grundsätzliches Dilemma. All die wunderbaren Errungenschaften – von Kita bis Ganztagsschule – die wir so vehement und zurecht fordern, dienen gleichzeitig dem wirtschaftlichen Ziel, Frau und Mann so schnell wie möglich wieder auf den Markt zu werfen. So werden emanzipatorische Kräfte seit langem zu Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft und kurbeln an, was sie ursprünglich doch eigentlich geißelten: den Kapitalismus.

Der Markt applaudiert. Die Firma dankt’s. Die Firma zahlt’s.

Doch der Preis wäre unkalkulierbar. Denn was hieße das für eine Gesellschaft, wenn Karriere grundsätzlich vor Kind steht? Wie sähe eine Berufswelt ohne Mütter aus? Und dann ja auch ohne Väter. Ohne Eltern also, die doch einen ganz eigenen Blick auf die Welt und Arbeit mitbringen? Schließlich ändert das Gebären und Erleben eines werdenden Menschen unser Denken und Handeln.

Schaffen wir das ab, schaffen wir uns ab.

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