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Breitbandausbau - Dörfler, schminkt euch das schnelle Internet ab

Die Bundesregierung will mit der „Digitalen Agenda“ auch das letzte Dorf ans Hochgeschwindigkeitsnetz anschließen. Dort sollte man sich aber an den Gedanken gewöhnen, dass es ziemlich utopisch ist, je an den Standard von Berlin, Hamburg oder München heranzukommen

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Nun soll sie also kommen, die Breitbandinitiative der Bundesregierung. Jeder Deutsche soll schnelles Internet bekommen. Ziel ist es, bis 2018 alle Haushalte mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu versorgen. Die am Mittwoch beschlossene „Digitale Agenda“ spricht von einem „echten Nachteilsausgleich vor allem für die ländlichen Regionen“, von einer „Premiumförderung Netzausbau“.

Das klingt schön, so nach digitaler Dorfidylle. Auf der Wiese das Kalb, im Erdreich das Kabel. Aber das Entwicklungsprogramm fürs Dorf 2.0 wirft doch mehr Fragen auf als es Antworten gibt.

Wer sagt etwa, dass 50 Megabit pro Sekunde 2018 noch ausreichen? In deutschen Großstädten sind Geschwindigkeiten von bis zu 100 Mbit pro Sekunde – also das Doppelte – bereits heute üblich. Mit dieser Übertragungsrate wird sich auf dem Land keine „vierte industrielle Revolution“ bewerkstelligen lassen, wie sie sich Gabriel wünscht. Da lachen ja – Achtung, Kalauer – die Hühner.

Breitbandausbau ist Herzensthema der CSU


Andererseits: Warum auch sollte jedes kleine Dorf, jeder letzte Bauernhof die digitale Autobahn bis in den Vorgarten gelegt bekommen? Um dann festzustellen, dass die „Autobahn“ mittlerweile nur noch ein Trampelpfad ist? Und wieso sollte der Steuerzahler das alles eigentlich bezahlen? Knapp 80 Milliarden Euro würde es kosten, jeden Haushalt ans Glasfasernetz anzuschließen. Das soll jetzt keine Neiddebatte sein, und ja: Internet ist mittlerweile genauso wichtig wie Strom, Wasser und Telefon. Es ist nötig für die Teilnahme an Bildung, für den Medienkonsum, für die Kommunikation. Gesellschaftliches Leben ist heutzutage ohne Netz schlicht nicht mehr denkbar.

Die Eigenheimzulage wurde 2006 abgeschafft, weil sie nicht nur teuer, sondern auch unökologisch und unsozial war: Sie führte dazu, dass immer mehr Gutbetuchte sich ihr Häuschen im Grünen errichteten – Bau, Anschluss und die klimaschädliche Pendlerpauschale wurden von der Solidargemeinschaft bezuschusst, also von jenen, die in den Bettenburgen der Großstädte leben.

Es wundert nicht, dass der Breitbandausbau das Herzensthema der CSU ist. Das bäuerliche Landhaus-Klientel besteht schließlich aus potenziellen Wählern.

Dabei ist der staatliche Breitbandausbau nichts anderes als eine verkappte Eigenheimzulage: Rund 40 Prozent der Kosten werden vom Staat übernommen. Den Rest trägt das Unternehmen. Vier Milliarden Euro steckt etwa die Telekom nach eigenen Angaben jährlich in den Netzausbau. Die Kosten dafür holt sie sich vom Endkunden zurück – also auch von Studenten, Arbeitslosen und Mindestlohnempfängern.

In Tschechien ist man schon weiter


Wer dagegen auch nur einmal versucht hat, in Görlitz, der ostdeutschen „Europastadt“ an der Grenze zu Polen, ins Internet zu kommen, wird erst Recht nicht verstehen, wieso ländliche Regionen plötzlich Vorrang bekommen sollen. Kein Wunder, dass junge Leute dort fluchtartig die Stadt verlassen, sobald sie ihr Studium abgeschlossen haben und vom Breitband der dortigen Hochschule abgenabelt sind. Im tschechischen Liberec (Reichenberg), nur eine Autostunde südlich von Görlitz, ist man da viel weiter – und schneller. Im Zentrum gibt es WLAN, gratis, auf Initiative der Stadt.

Mehr WLAN nicht nur in Großstädten, sondern auch auf deutschen Dorfmarktplätzen: Das könnte eine Alternative zu den teuren Breitband-Tiefbauarbeiten sein. Bislang ist es allein der Privatwirtschaft – Hotels, Flughäfen oder Restaurants – und der Zivilgesellschaft – etwa den Freifunkern – zu verdanken, dass es überhaupt irgendwo Hotspots gibt. In Politik und Verwaltung geht es dagegen nur im Schneckentempo voran: Erst im vergangenen Jahr fand sich mit Pforzheim eine deutsche Großstadt, die erstmals freies WLAN anbietet.

Die Große Koalition kündigt in der „Digitalen Agenda“ immerhin einen Gesetzentwurf an, damit private Anbieter solcher Hotspots künftig mehr Rechtssicherheit haben und nicht mehr für kriminelle Aktivitäten ihrer Nutzer haften. Aber das reicht nicht. Kommunen sollten mit Bundesmitteln zu weiteren Schritten angeregt werden.

Zwar wäre der Netzzugang in Bauernhöfen noch immer langsamer als in Wohnungen von Großstädten. Aber eine Gleichwertigkeit der Geschwindigkeiten sollten sich die Landbewohner vielleicht ohnehin abschminken: Wenn sie U-Bahn fahren wollen, müssen sie schließlich auch in die nächste Metropole fahren.

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