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Adoptionsrecht - Karlsruhe stärkt homosexuelle Paare

Karlsruhe hat eine weitere Ungleichheit im Adoptionsrecht beseitigt. Welche Folgen hat die Entscheidung?

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Müller-Neuhof, Jost

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Rund 27 000 eingetragene Lebenspartnerschaften gibt es in Deutschland. Die Gleichstellung mit Ehen beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Jetzt wurde wieder eine Ungleichbehandlung beseitigt: Auch in der sogenannten Homo-Ehe soll es dem einen Partner möglich sein, ein von dem anderen bereits zuvor adoptiertes Kind selbst zu adoptieren. Bislang hat das Gesetz dies ausgeschlossen. Bis Juni 2014 muss es nun eine Neuregelung geben.

Wie hat das Gericht entschieden?

Die Nichtzulassung der „sukzessiven“ Adoption verletzt nach Auffassung der Richter sowohl die Kinder wie die Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung. Nicht verletzt sind dagegen die Rechte des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege, das Elterngrundrecht und das Familiengrundrecht.

Wie war die Rechtslage bisher?

Für Eheleute ist das alles selbstverständlich: Der eine darf Kinder des anderen adoptieren, unabhängig davon, ob es ein eigenes oder ein angenommenes Kind ist. Der erste Fall, die sogenannte Stiefkindadoption, ist seit 2005 auch homosexuellen Lebenspartnern erlaubt. Anders blieb die Lage bis zum Dienstag bei angenommenen Kindern. Mit dem Ausschluss wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Kinder mit wechselnden Lebenspartnern gleichsam weitergegeben werden.

Dürfen homosexuelle Paare in Deutschland Kinder adoptieren?

Als Paare bisher nicht. Und so bleibt es nach dem Urteil vorerst auch. Denn darüber hatten die Richter nicht zu entscheiden. Dennoch, ein einzelner Lebenspartner – oder auch ein nicht verpartnerter Homosexueller – darf sich um Adoptionen bewerben. Allerdings bevorzugen die Jugendämter regelmäßig Eheleute. Trotzdem gibt es viele „Regenbogenfamilien“ in der Bundesrepublik. Schließlich gibt es Väter und Mütter, die lieber mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zusammenleben wollen, der dann auch die Kinder mit großzieht. Kein Gesetz verbietet das. Im Gegenteil, auch das bisher geltende Lebenspartnerschaftsgesetz gewährt dem anderen Elternteil „elterntypische Befugnisse“, wie das Urteil betont.

Wie begründen die Richter ihr Urteil?

Eine Feststellung der Richter ist wesentlich: In puncto Dauerhaftigkeit und Verantwortungsübernahme unterscheidet die Ehe im Prinzip nichts von der Lebenspartnerschaft, sagen sie. In beiden Fällen erklären die Partner, füreinander einstehen zu wollen. Und Homosexuelle sind keine schlechteren Eltern: „Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe.“ Auch bei einer Sukzessivadoption gebe es durch die neue Elternschaft „stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte“. Das Kind profitiere auch in unterhalts- und erbrechtlicher Hinsicht.

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Warum sind die Eltern- und Familiengrundrechte nicht verletzt?

Das Gericht sieht hier den Spielraum des Gesetzgebers nicht überschritten. Auch Schwule und Lesben könnten Eltern und mit Kindern eine Familie im Sinne des Grundgesetzes sein, hieß es. Der Staat sei aber „nicht verpflichtet, in jedem Fall einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung das volle Elternrecht zu gewähren“.

Welche Historie hat die Gleichstellung homosexueller Paare in Deutschland?

Die Stunde null gab es für Schwule in Deutschland nicht, im Gegenteil: Das Land, das als erster der modernen Nationalstaaten 1871 männliche Homosexualität ins Strafgesetzbuch aufnahm – Frauen wurde sexuelle Selbstbestimmung ohnehin nicht zugetraut –, setzte die Verfolgung auch nach 1945 fort. Und zwar eben die der Nazis, die den kaiserlichen Schwulenparagrafen 175 verschärft hatten. In dieser Form blieb er in der Bundesrepublik in Kraft und wurde massiv angewendet. Die DDR war dagegen in sexualpolitischer Hinsicht etwas weiter: Im Osten kehrte man 1950 zum liberaleren Paragrafen 175 vor den Nazis zurück, seit 1968 – im Westen 1969 – war schwuler Sex unter Erwachsenen nicht mehr strafbar.

Seit der Einheit ist die Gleichstellung von Homosexuellen denn auch deutlich rascher vorangekommen: 1994 hob der Bundestag – mit konservativ-liberaler Mehrheit – den berüchtigten Paragrafen 175 nach mehr als 120 Jahren auf. Das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 war ein womöglich noch größerer Meilenstein auf dem Weg zur Emanzipation, zumal in einem Klima, in dem für offenes Schwulsein nicht mehr die Strafe des sozialen Todes verhängt wurde: Klaus Wowereit wurde nach seinem Bekenntnis, dem ersten eines deutschen Spitzenpolitikers, Regierender Bürgermeister von Berlin. Inzwischen tritt ein Außenminister offiziell mit Mann auf und sogar ein schwuler Christdemokrat wurde, im Jahr des „Homo-Ehe“-Gesetzes, Bürgermeister in Hamburg.

Zugleich zeigt die Geschichte des Gesetzes nach 2001, dass der Weg zur Gleichheit immer noch nur kleine Schritte kennt. Anfangs enthielt es fast nur Pflichten, die Rechte mussten sich schwule und lesbische Paare Prozess um Prozess erkämpfen, teils vor europäischen Gerichten.

Welche Folgen hat das Urteil?

Womöglich folgt jetzt ein größerer Schritt.  Die CDU, die es noch im Dezember klar ablehnte, Partnerschaften mit Ehen im Steuerrecht gleichzustellen, schwieg am Dienstag zunächst vielsagend. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, wiederholte zwar das Nein zum generellen Adoptionsrecht, äußerte aber „Verständnis“ für das Urteil. „Froh und glücklich“ darüber ist der Schwulen-Arbeitskreis der Christdemokraten.

„Alle gleichgeschlechtlichen Paare sollen rechtlich mit der Ehe gleichgestellt werden“, forderte auch Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Auch die Opposition würde einen solchen Schritt stützen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte via Kurznachrichtendienst Twitter: „Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften müssen einer Ehe gleichgestellt sein, auch im Adoptionsrecht.“

Ein Gesetzentwurf der Grünen scheiterte im Juni 2012 an der schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag.

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