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CSU-Sprachempfehlung - Macht euch mal locker

Kolumne: Grauzone. Die Empfehlung der CSU an Migranten, zuhause Deutsch zu sprechen, war unsäglich. Ärgerlicher als diese Formulierung aber war noch die maßlos hochmütige Kritik an ihr

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Na, war das mal wieder eine Aufregung! Da hatte die CSU es doch gewagt, in einen Leitantragsentwurf für ihren Parteitag an diesem Wochenende folgende skandalträchtige Worte hineinzuschreiben: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie Deutsch zu sprechen.“ Auweia.

Das Schöne an solchen Formulierungen ist ja, dass sie auch dem spießigsten Kleingeist und engstirnigsten Provinzler die Möglichkeit geben, sich endlich mal so richtig liberal, weltoffen und modern zu geben. Wann bekommt man schon einmal eine solche Chance?

Ganz folgerichtig erhob sich umgehend der Chor der Entrüsteten, Empörten und Aufgebrachten, und auch die neunmalklugen Witzbolde ließen nicht lange auf sich warten. Spiegel-Online fand den Vorschlag der CSU schlicht „beknackt“, das Vorhaben sei „lächerlich und ärgerlich“, die „Frankfurter Rundschau“ fand den Vorstoß „diskriminierend und rassistisch“ und das „Schwäbische Tagblatt“ dichtete „dumpf, platter, CSU“.

Kommt doch alle mal runter!


Bei so viel medialer Aufregung durften auch die üblichen Verdächtigen des Politbetriebes nicht fehlen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi konstatierte, das CSU-Anliegen sei „zum Schreien komisch, wenn es nicht so brandgefährlich wäre“, der unvermeidliche Volker Beck stellte fest, die CSU sei „narrisch geworden“ und SPD-Fraktionschef Oppermann warnte vor einer „Sprachpolizei“. Und unter dem zugegebenermaßen komischen Hashtag #YallaCSU ergoss sich mehr oder minder origineller Spott über die CSU im Allgemeinen und die Deutschfähigkeiten der Bayern im Besonderen.

Hilfe, möchte man ausrufen, nun kommt doch alle mal runter! Ok, die Formulierung des Leitantrages war eher unglücklich, oder um es bodenständiger zu formulieren: mehr oder minder deppert. Das kommt in der Politik aber alle naselang vor, nicht nur bei der CSU. Ungleich tiefer in den rabenschwarzen Abgrund der selbstgerechten deutschen Seele lässt allerdings die Aufregung blicken, die um den Leitantrag gemacht wurde.

Doch bleiben wir zunächst beim Corpus Delicti: Klar, die Verwendung des Wortes „anhalten“ war ziemlich dümmlich. Denn unwillkürlich fragt man sich, was genau damit gemeint sein soll. Zwingen? In der eigenen Familie? Wohl nicht im Ernst. Ermuntern und anregen? Kann man machen, dann muss man das aber auch so sagen.

Zudem offenbart der CSU-Vorschlag eine relativ krude Vorstellung davon, wie man eine Sprache lernt. Richtig ist zwar, dass das nicht im Sprachkurs oder beim Einkauf an der Supermarktkasse geschieht. Sprechen lernen, erfordert Sprachpraxis – allerdings Sprachpraxis mit Muttersprachlern.

Maßlos hochmütige Kritik


Deutsch lernen Kinder von Einwanderern im Kindergarten, in der Schule oder auf dem Spielplatz. Wie sie zuhause sprechen, hat auf diese Entwicklung keinen Einfluss – wie übrigens viele sehr gut Deutsch sprechende Migrantenkinder der 2. oder 3. Generation zeigen.

Kurz und gut: Die CSU-Initiative war dumm formuliert und ging am Problem vorbei. Das war es dann aber auch.

Ärgerlicher als die unsägliche Formulierung der CSU war eigentlich nur noch die maßlos hochmütige Kritik an ihr. Und das nicht nur aufgrund ihrer Banalität, sondern vor allem wegen ihrer eitlen Selbstgefälligkeit. Wer jedoch auf billigen Applaus schielt und sich gerne mal im Bad der eigenen moralischen Überlegenheit suhlt, kann der Versuchung natürlich nicht widerstehen.

Unfreiwillig komisch war dabei die Emphase, mit der ausgerechnet leitende Vertreter der Grünen und der SPD, also von Parteien, zu deren tief verinnerlichtem Politkonzept Reglementierung und kollektive Zwangsbeglückung gehören, die individuelle Freiheit und private Lebensgestaltung für sich entdeckten. Das wird man sich merken müssen, für spätere Debatten.

Reine Politpornografie


Den Gipfel dieser anmaßenden Schmierenkomödie stellte allerdings der von scheinheiligem Opportunismus triefende Tweet des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber da: „Es geht die Politik nichts an, ob ich zu Hause lateinisch, klingonisch oder hessisch rede“, ließ der Frankfurter Historiker wissen. Toll, sollte die Twitter-Community denken, was ein lockerer, popkulturell versierter Typ dieser Tauber doch ist. So etwas von modern aber auch. Ist ja voll der weltoffene Laden, diese CDU.

Doch ertappt! Wer seine eigene Liberalität in so ranwanzender Weise zu Markte trägt, der ist sich seiner Sache selbst nicht sicher. Und wer meint, seine klemmige, aufgesetzte Modernität mit dem Hinweis auf eine 50 Jahre alte Fernsehserie unter Beweis zu stellt, der entlarvt die muffige Nostalgie seines Denkens.

Und so ist die gesamte Debatte von vorne bis hinten ein einziges Armutszeugnis der deutschen Politkultur. Man diskutiert nicht über das eigentliche Problem, man weicht ihm aus. Stattdessen schmeißt man ein Stichwort in den Ring, um unterschwellige Assoziationen zu bedienen. Und statt die Diskussion auf das eigentliche Thema – wie gehen wir mit integrationsunwilligen Einwanderern um – zu lenken, nutzen alle anderen die Gelegenheit, um sich moralisch aufzuplustern und ihre eigene Aufgeklärtheit und Progressivität zur Schau zu stellen.

An die Stelle von Politik ist die Politpornografie gerückt: das Vorspielen von Erregung zur Stimulation des Betrachters.

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