Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Wolfgang Bosbach - „Finanzielle Hilfen nur gegen durchgreifende Reformen“

Wolfgang Bosbach wird am Mittwoch im Bundestag gegen weitere Griechenland-Hilfen stimmen. Im Cicero-Interview spricht er über die Drohungen von Fraktionschef Kauder gegen Unionsabweichler und über seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Union

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

So erreichen Sie Petra Sorge:

Herr Bosbach, wie sehen Sie einer Abstimmung über das dritte Hilfspaket im deutschen Bundestag entgegen?
Auf Grund der Erfahrungen mit den beiden ersten Rettungspaketen für Griechenland mit Skepsis. Im Grunde ist es jetzt nicht wesentlich anders als 2010 und 2011. Auch damals haben wir gesagt: Finanzielle Hilfen nur Zug-um-Zug gegen durchgreifende Reformen, die Griechenland in die Lage versetzen, sich mittelfristig wieder aus eigener Kraft finanzieren zu können. Es ist jedoch ungewiss, ob die versprochenen Reformen tatsächlich umgesetzt werden und ob sie den erhofften Effekt haben. Auch hier bin ich skeptisch. Denn das griechische Parlament wird die Reformen doch nicht beschließen, weil man von deren Notwendigkeit selber überzeugt ist, sondern weil man sie beschließen muss, damit ein weiteres Rettungspaket mit einem Volumen von etwa 86 Milliarden Euro bereitgestellt wird.

Der Internationale Währungsfonds fordert einen Schuldenschnitt für Griechenland und droht, da nicht mitzumachen. Sie und weitere Unionsabgeordnete haben eine Beteiligung des IWF aber zur Voraussetzung gemacht. Warum muss der Fonds unbedingt dabei sein?
Die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds war für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion immer eine „conditio sine qua non“. Und mit „Beteiligung“ war nicht eine Beobachterrolle des IWF gemeint, sondern die direkte finanzielle Beteiligung des IWF an den umfangreichen Rettungsbemühungen. Es waren nicht nur einige Abgeordnete, die das gefordert haben. Dies hat immer die gesamte Fraktion so gesehen – einschließlich der Bundesregierung selber. Der IWF verfügt wie keine zweite Institution über weltweite Erfahrungen bei der Sanierung und Stabilisierung überschuldeter Staaten und deshalb sollten wir dessen Expertise auch unbedingt weiter nutzen.

Was spricht denn überhaupt gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland?
Einen Schuldenschnitt hat Griechenland schon vor einigen Jahren erhalten, in Höhe von über 100 Milliarden Euro, überwiegend zu Lasten privater Gläubiger. Wenn Griechenland jetzt erneut einen Schuldenschnitt verlangt, dann zu Lasten der öffentlichen Gläubiger. Im Klartext: zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in anderen Ländern der Eurozone. Der Bundesfinanzminister hat mit dem Hinweis Recht, dass ein derartiger Schuldenschnitt innerhalb der Eurozone mit geltendem Recht nicht vereinbar wäre. Anders wäre die Lage dann, wenn Griechenland selber zu der Erkenntnis käme, dass es das Land unter den Bedingungen des Euro nicht schaffen kann und man deshalb zu einer eigenen Währung zurückkehrt. Dann müsste man Griechenland bei der Überwindung der Umstellungsschwierigkeiten ohnehin finanziell unterstützen, dann käme das Thema Schuldenschnitt ohnehin wieder auf die Tagesordnung.

Die griechische Wirtschaft ist im zweiten Quartal dieses Jahres um 0,8 Prozent gewachsen. Ist das nicht ein Lichtblick?
Wenn diese Zahl tatsächlich richtig ist, wäre dies in der Tat ein Funken Hoffnung – mehr allerdings auch nicht. Von einem einzigen Quartal kann man nicht auf die wirtschaftliche Entwicklung eines ganzen Jahres schließen. Und erst recht nicht auf die zukünftige ökonomische Entwicklung. Daher sollten wir zunächst einmal die Ergebnisse des zweiten und des dritten Quartals abwarten, zumal die EU davon ausgeht, dass die griechische Wirtschaft in diesem Jahr leicht schrumpfen könnte – umso erfreulicher wäre die gegenteilige Entwicklung.

Wäre ein Grexit zu diesem Zeitpunkt nicht ein unkalkulierbares Risiko – laut Experten auch für die deutsche Wirtschaft?
Diese Argumentation ist nicht neu, es steht allerdings im Widerspruch zu den politischen Bemühungen der letzten Jahre, sowohl in der Europäischen Union als auch in der Eurozone. Es wurden doch eine ganze Fülle von politischen Entscheidungen getroffen, deren ausdrückliches Ziel es war, Ansteckungsgefahren zu verhindern. Dies gilt nicht nur für den Stabilitätspakt, die Bankenunion oder den ESM. Diese Entscheidungen wurden jedoch gerade damit begründet, dass man bei einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone Ansteckungsgefahren nunmehr ausgeschlossen oder zumindest minimiert habe – jetzt wird jedoch wieder behauptet, dass ein Austritt unkalkulierbare Risiken berge und daher unter allen Umständen vermieden werden müsse – koste es, was es wolle. Es ist ja schon fragwürdig, ob die rechtlichen Voraussetzungen für Hilfegewährung aus ESM-Mitteln überhaupt vorliegen, denn einerseits gibt es erhebliche, wohlbegründete Zweifel an der Schuldentragfähigkeit Griechenlands und zum anderen wurde bis jetzt noch nicht einmal halbwegs plausibel nachgewiesen, dass ohne erneute Hilfen für Griechenland die Stabilität der Eurozone oder der Mitgliedsländer der Eurozone in Gefahr seien.

Finanzminister Wolfgang Schäuble wurde vorgeworfen, mit seinem Verhandlungsstil den Ruf Deutschlands ramponiert zu haben. Was sagen Sie dazu?
Diesen Vorwurf gibt es in der Tat, er ist allerdings komplett abwegig. Wolfgang Schäubles Verhandlungsstil war schon immer „suaviter in modo, fortiter in res“, aber vielleicht ist es gerade diese betont sachliche, an der Rechtslage und an Fakten orientierte Verhandlungsführung, an die sich einige Länder der Eurozone nicht gewöhnen können.

Volker Kauder hat den Abweichlern in der Union damit gedroht, aus wichtigen Bundestagsausschüssen zu fliegen. War dieser Druck in der Fraktion der Grund dafür, warum Sie Ende Juli den Vorsitz des Bundestagsinnenausschusses abgegeben haben?
Nein, meine Entscheidung habe ich ja getroffen, bevor Volker Kauder das von Ihnen erwähnte Interview  gegeben hat. Seine Äußerungen haben mich auch nicht besonders erstaunt, zumal es ja bereits in der Vergangenheit die angekündigten Konsequenzen gegeben hatte. So musste beispielsweise der Kollege Willsch seinen Platz im Haushaltsausschuss räumen. Davon abgesehen bin ich für Drohungen aller Art als Empfänger komplett ungeeignet und ich kenne auch keine Kollegin, keinen Kollegen, der deshalb sein Abstimmungsverhalten ändern würde.

Fühlen sich die anderen Kritiker des Hilfsprogramms in der Union von Ihnen im Stich gelassen? Wie waren da die Reaktionen?
Nein, warum auch? Um für meine Überzeugung zu kämpfen, muss ich nicht unbedingt Ausschussvorsitzender sein, das kann ich auch als einfaches Mitglied des Bundestages. Die Reaktionen waren weit, weit überwiegend positiv. Besonders gefreut habe ich mich über einen Anruf von Sigmar Gabriel – aber was wir beide da besprochen haben, bleibt unter uns. Nachdenklich gemacht haben mich allerdings Zuschriften aus den Reihen Bündnis 90/Die Grünen und sogar von der Linkspartei, die es von Herzen bedauert haben, dass ich nicht Vorsitzender des Innenausschusses bleibe. Einerseits habe ich mich sehr darüber gefreut, andererseits aber habe ich mich auch sofort gefragt: „Was habe ich 6 Jahre lang falsch gemacht, dass ich plötzlich von der Opposition gelobt werde?"

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.