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(picture alliance) „Ohne eine Merkel-muss-weg-Stimmung hat kein Kandidat gegen sie eine Chance.“

Steinbrück vs. Merkel - „Der sperrige Kandidat“

Der Politblogger Michael Spreng über Peer Steinbrücks fehlende Nestwärme, die Chancen der SPD gegen Merkel und das Kalkül des Sigmar Gabriel

Herr Spreng, wird Angela Merkel im Jahr 2013 zu schlagen sein?
In Deutschland werden keine Oppositionskandidaten gewählt, sondern nur Kanzler abgewählt. Wir haben keine Wechselstimmung, das zeigen alle Umfragen. Die Menschen sind zufrieden. Merkel kann nur abgewählt werden, wenn es in Europa zu dramatischen Entwicklungen kommt – mit Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit. Aber ohne eine Merkel-muss-weg- Stimmung hat kein Kandidat gegen sie eine Chance.

Die SPD kann froh sein, dass Sie nicht ihr Wahlkampfmanager sind.
Ich bin ja nicht fürs Schönen zuständig. Dreh- und Angelpunkt wird das Bild der Wähler von Merkel sein. Ich glaube aber, dass Steinbrück besser abschneiden würde als Steinmeier. Ihm könnte es gelingen, in bürgerliche Wählerkreise einzubrechen. Er hat eine nachgewiesene Krisenkompetenz und nicht den Makel, die letzte Bundestagswahl verloren zu haben.

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Aber Steinbrück hat auch noch nie eine Wahl gewonnen.
Ja, das wäre für ihn eine Premiere. Für die anderen allerdings auch, die SPD hat nur Verlierer im Angebot. Steinmeier hat die Bundestagswahl verloren, Steinbrück die NRW-Wahl und Gabriel die Niedersachsen-Wahl.

Im Mai 2012 schrieben Sie über Peer Steinbrück: „Sein herrischer Habitus passt nicht zu einer Partei, die endlich wieder mit sozialdemokratischer Nestwärme umkuschelt werden will.“ Droht der SPD mit ihm die Selbstzerfleischung?
Die SPD hat sich häufig gegen den aussichtsreichsten Kandidaten entschieden und den genommen, der den inneren Frieden in der Partei garantiert. Das wäre Steinmeier. Steinbrück ist sperriger und vor allem für den linken Flügel kein Kuschelkandidat. Er hat seinen eigenen Kopf und seine eigene Sprache. Aber die Partei hat ja mit sperrigen Kandidaten – siehe Gerhard Schröder – schon Erfolg gehabt.

Warum macht es Gabriel nicht selber?
Er kalkuliert realistisch damit, dass ein Sieg kaum möglich ist. Zudem ist er von allen drei Kandidaten der unpopulärste. Und er ist jung genug, seine Karriere längerfristig zu planen. Er strebt zusätzlich zum Amt des Parteivorsitzenden noch den Fraktionsvorsitz an, so wie das Frau Merkel 2002 gemacht hat, als Edmund Stoiber für die Union kandidierte. Dann hätte Gabriel beide zentralen Machtpositionen, für 2017 die ideale Ausgangsposition.

Zu diesem Plan würde passen, dass Steinbrück nie wieder in einem Kabinett Merkel sitzen will?
Genau. Steinbrück stört Gabriels Karrierepläne für 2017 nicht. Er wird Kanzler, oder er tritt ins Glied zurück.

Bekommt die SPD nicht ein Riesenproblem, wenn sich die Sichtweise durchsetzt, dass Gabriel nur einen Zählkandidaten vorschickt, weil er an den Sieg der SPD gar nicht mehr glaubt?
Wenn die Mehrheit in den Umfragen und die Mehrheit der Medien im letzten halben Jahr vor der Wahl mit einer großen Koalition rechnet, kann die SPD noch so oft sagen, dass sie auf Sieg spielt. Dann spielt sie auf Platz.

Und eine Ampelkoalition?
Ach, die FDP. Sie muss ja erst mal ihre Führungskrise überstehen und dann überhaupt in den Bundestag kommen. Natürlich gilt die alte Formel von Franz Josef Strauß, nach der das einzig zuverlässig Berechenbare die Unzuverlässigkeit der FDP ist. Aber mir leuchtet nicht ein, wie man den Bogen von den FDPWirtschaftsleuten über den linken Flügel der SPD bis zu den Grünen schlagen will. Da ist doch eher die große Koalition wahrscheinlicher.

Was versprechen Sie sich von einem Wahlkampf Steinbrück gegen Merkel?
Steinmeier ist anständig und sympathisch, aber ihm fehlt das Wahlkämpfer- Gen. Mit Steinbrück würde der Wahlkampf auf jeden Fall nicht so dahinplätschern. Merkel und er sind beide anerkannt, beide haben Ausstrahlung. Es wäre das spannendste Duell.

Michael Spreng, 64, ist Journalist und Kommunikationsberater. Unter www.sprengsatz.de bloggt er über Politik. Bis 2000 war er Chefredakteur der Bild am Sonntag. Im Wahljahr 2002 coachte er den Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber gegen Gerhard Schröder

Das Interview führte Georg Löwisch

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