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Bahn - Pofalla und die Heuchler

Die Kritik der Opposition an dem neuen Job von Ronald Pofalla ist heuchlerisch. Ausgerechnet jene Politiker, die den Einfluss der Politik auf die Bahn stärken wollen, fallen nun über den CDU-Politiker her, der der Bahn gut tun würde

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Fragt man Politiker von SPD, Linken und Grünen, warum die Bahn ein Volkseigener Betrieb sein und bleiben sollte, dann geraten sie regelrecht ins Schwärmen. Dann verweisen sie auf den Infrastrukturauftrag der Bahn, sprechen über wirtschaftspolitische Gestaltungsmöglichkeiten und über soziale Verantwortung, über eine umweltfreundliche Verkehrspolitik und über öffentliche Daseinsvorsorge. Eine Bürgerbahn wäre schnell, sauber und billig, sie brauste in Höchstgeschwindigkeit durchs Land und hielt zugleich an jeder Milchkanne. Und eine solche Bürgerbahn dürfte deshalb auch etwas mehr kosten, nicht den Bahnfahrer, aber den Steuerzahler.

Sündenbock: geplante Privatisierung


Für die vielen Bahn-Pannen der letzten zwei Jahrzehnte hingegen, für Verspätungen und Fahrplanchaos, für marode Waggons, verwahrloste Bahnhöfe und stillgelegte Strecken, für klemmende Weichen, ausfallende Stellwerke und hohe Krankenstände gibt es aus Sicht aller Bahnfans nur einen Schuldigen: die geplante Privatisierung. Eine solche ist für die Politik zwar schon seit fast zehn Jahren in Wirklichkeit mehr kein Thema mehr, aber immer noch eignen sich die alten Pläne von Union, FDP und SPD, das Staatsunternehmen an die Börse zu bringen, als Sündenbock für alles, was auf der Schiene schief geht.

Die Bahn, soviel ist klar, ist nicht irgendein Unternehmen in Staatsbesitz. Sie lässt sich weder mit einem Automobilhersteller vergleichen noch mit einem Baukonzern oder einem Pharmaunternehmen. Und dies liegt nicht nur daran, dass ihr die als staatseigener Monopolist die gesamte Schieneninfrastruktur gehört. Die Bahn ist vor allem eine politische Mission.

Trotz teurer Fehlentscheidungen vertrauen viele der Kompetenz von „Infrastrukturpolitikern“


Und bei der Bahn wird den Politikern vieles zugetraut. Zwar können diese weder Flughäfen noch Philharmonien bauen, zwar sind Politiker und nicht Bahnmanager für umstrittene Infrastrukturentscheidungen wie Stuttgart 21 oder für Streckenstilllegungen verantwortlich.

Trotzdem eint viele Bahnfans eine Überzeugung: Wenn nur endlich wieder die Volksvertreter, alle selbst ernannten Bahnexperten im Bundestag, die Verkehrsminister des Bundes und der Länder sowie Kommunalpolitiker über das Schicksal der Bahn entscheiden könnten und nicht der Markt beziehungsweise anonyme Kapitalinteressen, dann ginge es mit der Bahn endlich wieder bergauf. Dann führen die Deutschen schon bald alle zusammen auf zwei Gleisen ins Mobilitätsparadies. Die Politik muss diese Aufgabe nur endlich anpacken.

Womit wir bei Ronald Pofalla wären, dem ehemaligen Kanzleramtsminister und CDU-Politker auf Jobsuche. Seit dessen Pläne bekannt wurden, vom Kanzleramt in den Vorstand der Bahn wechseln zu wollen, ist eine ganze Nation in Aufruhr, die Opposition ist schwer empört, der Neid riesengroß. Ausgerechnet jene Politiker, die eine Bürgerbahn fordern und den Einfluss der Manager und deren Marktlogik zurückdrängen wollen, fallen nun heuchlerisch über den CDU-Politiker her. Von einem „lukrativen Job in der Wirtschaft“ ist die Rede, von einem „Versorgungsposten reinster Form“, einem besonders schweren Fall von Lobbyismus und sogar von strafbewehrter Vorteilsannahme. Pofalla sei von einem großen Konzern regelrecht gekauft worden, heißt es.

Wobei es schon etwas absurd klingt, dass es ein Staatskonzern, in dessen Aufsichtsrat die Staatssekretäre dreier Bundesministerien sitzen, nötig haben soll, sich einen ehemaligen Minister zu kaufen. Genauso abwegig ist bei einem weitgehend monopolitischen Staatsunternehmen der Vorwurf des Lobbyismus. Es kann sich ja schließlich nur um Lobbyismus in eigener Sache handeln.

Pofalla könnte das Primat der Politik bei der Bahn stärken


Dabei wird in Wirklichkeit umgekehrt ein Schuh draus. Ein erfahrener Politiker im Bahnvorstand könnte vor allem den Infrastrukturinteressen des Staates im Bahnvorstand mehr Geltung und mehr Einfluss verschaffen. Er könnte das Primat der Politik bei der Bahn stärken. Man muss es nur wollen und es ist ja tatsächlich überhaupt nicht ausgeschlossen, dass diese Interessen bei der Bahn AG in den letzten beiden Jahrzehnten etwas aus dem Blick geraten sind. Womöglich fühlen sich viele Bahnmanager immer noch dem Börsengang und nicht den Eigentümern verpflichtet.

Und eigentlich wäre Muttis Bester der richtige Mann für eine solche Herausforderung. Ronald Pofalla hat als Politikmanager viel Erfahrung, er ist in der Politik bestens vernetzt, kennt die Verkehrspolitiker in den Ländern und viele Bürgermeister. Dazu hat er einen direkten Draht zur Kanzlerin. Einen erfahrenen Politikmanager, der die unterschiedlichen Interessen der Eigentümer, der Politik im Bund, den Ländern und den Kommunen koordiniert, einen solchen Mann könnte die Bahn in ihrem Vorstand wohlmöglich gut gebrauchen.

Der Wechsel von Ronald Pofalla aus dem Kanzleramt in den Bahnvorstand ließe also durchaus selbstbewusst als politische Personalentscheidung begründen und vertreten. Um so bemerkenswerter ist das kollektive Schweigen bei Union und SPD.

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