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Trotz Merkel-Sieg - Kommt jetzt Rot-Rot-Grün?

Angela Merkel hat mit ihrer Union einen historischen Wahlsieg eingefahren. Sie könnte das Kanzleramt dennoch verlieren. Denn nie war die Chance für Rot-Rot-Grün größer als heute

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Andreas Theyssen ist einer der beiden Gründer der Website opinion-club.com, eines digitalen Debattierclubs, der auf Kommentare, Analysen und Glossen spezialisiert ist.

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Angela Merkel wird Helmut Kohl, ihrem einstigen Mentor, immer ähnlicher. Nicht in puncto Bräsigkeit oder gar Optik, aber ansonsten werden die Parallelen immer deutlicher. Wie Kohl, der in seiner Frühphase als Reformer galt, hat sie die CDU geöffnet. Wie Kohl hat sie schon zum dritten Mal eine Bundestagswahl gewonnen. Und nun könnte sie auch die gleiche Erfahrung machen wie Kohl 1976: Damals fuhr er mit 48,6 Prozent der Stimmen ein historisches Ergebnis ein – und landete dennoch in der Opposition.

Merkel nicht mehr Kanzlerin? Nach diesem triumphalen Wahlergebnis? Obwohl die Mehrheit der Deutschen per Wahlzettel signalisiert hat, dass sie weiter von Merkel regiert werden will? Obwohl etwa die britische Zeitung „Guardian“ das „Zeitalter von Merkel“ ausgerufen hat? Ja, das ist möglich, und gar nicht mal so unwahrscheinlich.

Die Union hat die absolute Mehrheit knapp verfehlt, Merkel braucht nach dem Absturz der FDP einen neuen Koalitionspartner. Doch am Wahlabend haben sich die Spitzenvertreter von SPD und Grünen sehr verstockt gezeigt in puncto Koalition mit Merkel.

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Die SPD ist traumatisiert


Die Unlust bei der SPD ist sehr nachvollziehbar. Sie ist immer noch traumatisiert von der Bundestagswahl 2009. In der Finanzkrise hatte sie als Merkels Juniorpartner mittels Konjunkturprogrammen, Kurzarbeiterregelung und Abwrackprämie maßgeblich dafür gesorgt, dass Deutschland vor einer schweren Wirtschaftskrise bewahrt wurde. Die Wähler bescherten ihr zum Dank dafür das schlechteste Bundestagswahlergebnis seit 1949. Warum also sollten die Sozialdemokraten noch einmal Merkels Juniorpartner werden?

Die Grünen haben die Wahl vergeigt. Pädophilen-Debatte, Veggie-Day, falsche Themenschwerpunkte – die Partei wird in den nächsten Wochen genügend mit sich selbst zu tun haben, überdies versuchen, den übermächtigen Jürgen Trittin loszuwerden. Der aufgewühlten Partei zusätzlich noch ein schwarz-grünes Bündnis zuzumuten, wäre eine schwere Belastungsprobe.

In dieser Situation ist folgendes Szenario durchaus denkbar: Sowohl SPD als auch Grüne verhandeln zwar mit Merkel, lassen aber beide die Koalitionsgespräche platzen. Ein Grund dafür läßt sich immer finden: unüberbrückbare inhaltliche Differenzen. Und dann kann sich SPD-Chef Sigmar Gabriel, der unbedingt Kanzler werden will, hinstellen und eine rot-rot-grüne Koalition ausrufen. Schließlich, so die Argumentation, hätten die Wähler diesen drei Parteien eine Mehrheit im Bundestag verschafft und man nehme den Wählerauftrag ernst. Angela Merkel könnte sich in ihre Datsche in der Uckermark zurückziehen.

Natürlich ist die Operation Rot-Rot-Grün hochriskant. Die SPD stünde als wortbrüchig da, da sie eine Koalition mit der Linkspartei immer ausgeschlossen hat. Peer Steinbrück wäre auf keinen Fall bei so einer Koalition dabei, und Sigmar Gabriel müsste fürchten, schon bei der Kanzlerwahl nicht alle Stimmen aus den eigenen Reihen zu bekommen. Angesichts des knappen Stimmenvorsprungs wäre dies ein sehr schlechtes Omen für die künftige Regierungsfähigkeit von Rot-Rot-Grün.

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Merkel hat einen Pyrrhus-Sieg errungen


Deutschland würde zudem regiert von drei Parteien, die sich alle drei Steuererhöhungen ins Wahlprogramm geschrieben haben. Angesichts der durch die Eurokrise immer noch fragilen Konjunktur wäre dies ein verheerendes ökonomisches Signal. Und durch die Bundesrepublik würde ein tiefer Riss gehen angesichts des Wortbruchs der Sozialdemokraten und der Frage, ob man von Rot-Rot-Grün regiert werden möchte.

Das Vabanque-Spiel ließe sich vermeiden. Die SPD müsste zu ihrem Wort stehen und genauso wie die Grünen ihre Verantwortung für das Land, sprich: eine stabile Regierung zu stellen, über Parteiinteressen stellen. Gleichzeitig müsste Angela Merkel ihrem künftigen Koalitionspartner inhaltlich sehr weit entgegen kommen, sei es beim Mindestlohn, sei es bei der Abschaffung des Betreuungsgeldes. Das wiederum wäre eine schwere Belastungsprobe für die Union.

Am Wahlabend stand Angela Merkel als strahlende Siegerin da. Doch die nächsten Wochen werden zeigen, dass sie einen Pyrrhus-Sieg errungen hat. Und das unabhängig davon, ob sie eine Große oder eine schwarz-grüne Koalition führen wird oder ob Rot-Rot-Grün kommt.

 

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