Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) Frau Merkel hat sich zuletzt Mühe gegeben ihren Euro-Kurs zu erklären und hofft auf eine Mehrheit bei der Abstimmung über den Rettungsfonds EFSF

Euro-Krise - Merkel hat das Sprechen gelernt

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war der Kurs der Kanzlerin noch ein Buch mit sieben Siegeln. Wenn am Donnerstag die Mehrheit für den Rettungsschirm steht, dann aus einem Grund: Die Kanzlerin hat ihre Rolle als „Erklärkanzlerin“ endlich ernstgenommen.

Es ist leicht gesagt, am Donnerstag gegen die Erweiterung des Europäischen Rettungsschirms zu stimmen. Es gibt gewichtige Gründe, gegen das Projekt zu sein: Die Eurozone der EU könnte zur Transferunion werden. So, wie es den Länderfinanzausgleich innerhalb Deutschlands gibt, könnte dies der Einstieg sein in einen Staatenfinanzausgleich innerhalb jener 17 EU-Staaten, die den Euro als Währung haben. So, wie innerhalb der 16 Bundesländer nur vier wirklich zahlen – Bayern, Baden-Württemberg,Hessen und Hamburg – , dürften es in der Eurozone auch kaum an Staaten mehr sein. In jedem Fall würde Deutschland zu denen gehören, die gehörig abgeben müssen.

Doch was brächte ein Nein zu dem Regierungsprojekt EFSF-Erweiterung? Würde es den eingeschlagenen Weg der Euro-Rettungspolitik versperren? Wohl kaum. Gäbe es keine Kanzlermehrheit, stimmten also mehr als 19 Abgeordnete von Union und FDP gegen das wichtigste Projekt der eigenen Koalition, dann könnte das diese Regierung sprengen. Angela Merkel würde vorerst ohne FDP weiter regieren - geduldet von der SPD. Im späten Winter könnte möglicherweise neu gewählt werden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es dann auf Rot-Grün, vielleicht aber auch abermals auf eine große Koalition hinausliefe.

Den Kritikern des Euro-Rettungsprojekts dürften beide Optionen nicht passen. Denn SPD wie Grüne wollen weit mehr Zwangssolidarität mit europäischen Pleitestaaten, als es die derzeitige Regierung anstrebt. Widerstand gegen Eurobonds lassen die Führenden der Opposition nicht erkennen, im Gegenteil: Sie halten das Konzept der Schuldenumlage für fair, zumindest für notwendig. Auch könnte sich der Internationale Währungsfonds leichter durchsetzen mit
seinem Wunsch nach einem viel umfangreicheren Rettungsschirm, der über die derzeit geplante Spannweite von 400 Milliarden Dollar weit hinaus geht.

Mit diesen Argumenten werden derzeit die Wackelkandidaten in den Fraktionen der Union wie der FDP bearbeitet. Von einem guten Dutzend Bundestagsabgeordneten weiß man, dass sie mit Nein stimmen wollen. Viele aber blieben den Probeabstimmungen fern - um sich dem Druck und den Drohungen zu entziehen. Die eigene Mehrheit, die Angela Merkel anstrebt, bleibt bis Donnerstag ungewiss.

Die Bundeskanzlerin hat allerdings aus eigenen Fehlern gelernt, die sie zu Beginn der Finanzkrise noch begangen hatte. Vor bald drei Jahren drohte sie zu scheitern, weil ihre Politik nicht verstanden wurde von den eigenen Leuten. Die Wirtschaftskrise hatte sie auf Wege getrieben, die sie nie hatte gehen wollen. Sie musste nun Staatshilfen für Konzerne wie Opel oder Schaeffler rechtfertigen, mit einer sogenannten Abwrackprämie die überwiegend ausländische Automobilindustrie subventionieren. Sie hatte Banken und deren Aktionäre zu enteignen.

Es waren nicht allein Maßnahmen wie Verstaatlichung und Enteignung, die ihr in der eigenen, damals noch zu gehörigen Teilen ordnungspolitisch orientierten Partei schadeten. Es war ihr Unvermögen, die neue Politik zu erklären. Sie wusste weder wie noch wo, fand keine Worte und kein Format. Ihr damaliger Finanzminister Steinbrück war es, der den flammenden Satz prägte, in diesen Zeiten müsse Feuer mit Feuer bekämpft werden. Die Krise schien dann löschbar - und die Kanzlerin gewann die Bundestagswahl und damit auch post festum die Zustimmung ihrer Partei zur Krisenpolitik.

Beinahe aber wäre es ihr ähnlich ergangen wie ihrem Vorgänger Gerhard Schröder, der auch eine Politik hatte verkaufen müssen, die seiner eigenen Partei zuwider war. Bei Schröder war es die "Agenda 2010". Er hatte die
Notwendigkeit der Sozialstaatsreformen 2003 erkannt, war aber nicht geneigt und auch überfordert, sie seiner Partei zu vermitteln. Eigenverantwortung und Sozialabbau, diese Politik schien der SPD auf Jahre das Kreuz zu
brechen. Schröder kuschte am Ende vor seiner Partei, er traute sich nicht zu konsequentem Handeln. Er versuchte im Zickzack, links, rechts, links voran zu kommen. Nach sieben Jahren als Bundeskanzler hatte er 175.000 SPD-Mitglieder verloren - und die Kanzlerschaft.

Angela Merkel will daher nicht abermals Schröders Fehler wiederholen. In der gegenwärtigen Krise hat sie in zwei Punkten anders gehandelt, als vor drei Jahren: Sie hat sich - wenn auch spät - für eine Richtung festgelegt. Und sie erklärt den Weg, den sie gehen will. Die Richtung lautet: Lassen wir Griechenland fallen, zerfällt der Währungsverbund, wird Deutschland am Ende größeren wirtschaftlichen Schaden als Nutzen haben. Diesen Dreisatz erklärt die CDU-Vorsitzende ihrer verunsicherten Partei auf Regionalkonferenzen. Sie legt ihn dar in den vielen Landesgruppen ihrer Fraktion. Sie spricht darüber unter vier Augen mit jedem der möglichen Abweichler. Und sie sucht die Öffentlichkeit wie zuletzt als Stargast bei Günther Jauch.

Kohärenz und Konsequenz, zusammenhängendes und folgerichtiges Handeln im Zweifel auch gegen die Mehrheitsmeinung in der eigenen Partei hatte Schröder nicht vermocht. Das war auch nicht Merkels Stärke bisher. Bei der
Absicherung aller Euro-Staaten hält sie das jedoch für dringend geboten.Sollte am Donnerstag die eigene Mehrheit stehen, wird das vor allem einen Grund haben: Diesmal hat Angela Merkel ihre Aufgabe als "Erklärkanzlerin" ernst genommen.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.