Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Auslandseinsätze - Die Linke bewegt sich doch

Der Bundestag stimmte am Mittwoch für die Beteiligung der Bundeswehr an der Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Eigentlich ein Abrüstungsbeitrag Deutschlands. Doch Wagenknecht und Co. befürchten eine Militarisierung der eigenen Partei

Autoreninfo

Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

So erreichen Sie Timo Stein:

Bei der Linken geht die Angst um, die Angst um ihr Alleinstellungsmerkmal. „Nein zu bewaffneten Auslandseinsätzen. Ja zum Frieden“. So lautet die trotzige Kernbotschaft, die es für viele Traditionalisten in der Partei zu verteidigen gilt. Das ist ihre rote Linie, mit der sie sich von allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien abzugrenzen versuchen und gleichzeitig eine Annäherung an SPD oder Grüne mit Blick auf ein Regierungsbündnis im Jahr 2017 verhindern.

Innerparteilich jedoch tobt längst ein Kampf zwischen jenen, die Auslandseinsätze kategorisch ausschließen und den Reformern, die derartige Missionen zumindest mit UN-Mandat nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Die Fundis berufen sich dabei auf das Erfurter Grundsatzprogramm, das die Ablehnung von Kampfeinsätzen oder Auslandseinsätzen der Bundeswehr klar festschreibt – egal ob mit oder ohne Zustimmung der Vereinten Nationen.

Dass diese kategorische Ausschlussformel nicht von allen in der Partei geteilt wird, ist bekannt. Dass jetzt aber zum ersten Mal diese Linie von Abgeordneten der Linken übertreten wird, zeigt vor allem eines: Die Partei bewegt sich doch.

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte werden Abgeordnete der Linken einem Bundeswehr-Einsatz im Ausland im Bundestag zustimmen. Dabei ist die Mission, was ihre militärische Komponente betrifft, eigentlich doch recht harmlos und ungeeignet, um einen Grundsatzstreit zu führen: Die Bundeswehr soll die Sicherung des amerikanischen Spezialschiffes Cape Ray im Mittelmeer übernehmen, auf dem syrische Chemiewaffen mittels Hydrolyse unbrauchbar gemacht werden sollen. Der Einsatz ist UN-mandatiert. Es geht also um Abrüstung. Um die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen.

Abrüstungsmission als Blaupause für Paradigmenwechsel in der Außenpolitik?
 

Für die Fundamentalisten kein Grund, um von ihrem kategorischen Nein abzurücken. Ihnen geht es um ihre vermeintliche Kernkompetenz. Sie wollen sich die harte Linie in der Außenpolitik nicht von innerparteilichen Modernisierern verwässern lassen. Sie fürchten sich vor dem Tabubruch. Sie fürchten die stille Revolution derer, die die destruktive Nein-Formel lange schon in Frage stellen und von einer regierungsfähigen Linken träumen. Sie wollen vor dem Altar der Realpolitik nicht von ihrem Glauben abschwören. Sie fürchten die Liebichs und Paus, fürchten sich vor der schleichenden Annäherung an Rot-Grün. Sie fürchten, die Zustimmung zu dem Syrien-Einsatz könnte zu einer grundsätzlichen Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik der Linken führen. Zu einem Paradigmenwechsel.

Kein Wunder also, dass linke Prominenz, dass allen voran Sahra Wagenknecht und die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linken-Fraktion, Sevim Dagdelen, im Vorfeld der Abstimmung alles in Bewegung setzten, um Befürworter des Auslandseinsatzes umzustimmen.

In einem Positionspapier, das neben Wagenknecht und Dagdelen 13 weitere Fraktionsmitglieder unterschrieben haben, heißt es: „Bei der SPD war der Türöffner für Auslandseinsätze der Bundeswehr die Zustimmung zum Sanitätseinsatz in Kambodscha 1992. Wir möchten nicht, dass für die Linke der Einsatz einer Fregatte im Mittelmeer als Öffner für eine Zustimmung zu Auslandseinsätzen wird.“

Die Furcht vor einem Präzedenzfall hat zur Folge, dass den Friedensmissionaren keine rhetorische Verrenkung zu schade ist, um den Einsatz zu militarisieren. Dabei sollte es doch eigentlich um ein weiteres Kerngebiet linker Politik gehen, nämlich um Abrüstung. Die Verzweiflung wird toxisch, die Kausalitätsketten lausig.

An diesem Mittwoch stimmen die Fraktionslinken also nicht allein über ein Schiff ab. Nicht über gerade einmal 300 Soldaten, die eine Abrüstungsmission schützen sollen, sondern um die Deutungshoheit innerhalb der Partei. Das zumindest haben die Fundis erreicht. Sie haben eine Abrüstungsmission zum Einfallstor für die Militarisierung der eigenen Partei erhoben. Und sie haben sich damit keinen Gefallen getan. Denn sie offenbaren damit ihre wahre Kernkompetenz: Konkrete Fragen bis zur Unkenntlichkeit aufzublasen und jedem noch so kleinen Schritt Richtung Realpolitik drei Schritte Verschwörungskitsch folgen zu lassen.

Für Rot-Rot-Grün ist das in Wirklichkeit ein positives Signal. Mit so einer Fundilinken werden die Realos irgendwann ein leichtes Spiel haben.

 

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.