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Grünen-Krise - Moralpartei droht Verlust der Glaubwürdigkeit

Erst hatten sie kein Glück, und dann kam auch noch Franz Walter dazu: Kurz vor dem Wahltag läuft es überhaupt nicht gut für die Grünen. Probleme mit der politischen Glaubwürdigkeit gibt es auch in Jürgen Trittins Heimat Niedersachsen. Was bleibt den Grünen da als Trost?

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Christmann, Karin

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Manchmal liegt so ein Wahltermin einfach ungünstig. Zum Beispiel für die Grünen. Wer konnte auch ahnen, dass ausgerechnet dann, wenn man ohnehin gerade kein Glück hat, auch noch Franz Walter dazukommt. Die Empörung des politischen Gegners über die Wahlprogramm-Affäre ist zwar ein Stück weit wohlfeil. Trotzdem rührt der Vorgang an etwas, das für die Grünen besonders wichtig ist: ihre politische Glaubwürdigkeit, die Aufrichtigkeit des Spitzenpersonals. Trittin verteidigt sich defensiv, denn er weiß, wie gefährlich eine solche Schlagzeile für seine Partei ist - erst recht, wenn sie so kurz vor der Wahl kommt.

So wird es auf den letzten Metern überraschend interessant: Wie groß ist der Trittin-Faktor bei den Grünen, wie groß der Stinkefinger-Effekt bei der SPD? Denkbar, dass die Sozialdemokraten am Ende das Ergebnis vom letzten Mal noch unterbieten. Schwer denkbar, wie groß die Fassungslosigkeit der Genossen in einem solchen Fall wäre.

Und wie wirkt der Bayern-Schock auf das Ergebnis der FDP? An dieser Stelle sei die Prognose gewagt, dass die Liberalen sich entspannen und auf Knien den bayerischen Bürgern danken können. Die nämlich haben vermutlich die Leihstimmenverschenker zu zehntausenden aufgescheucht.

Auch in Niedersachsen haben die Grünen ein Problem

Für die Grünen hingegen geht es auf den letzten Metern nur in eine Richtung: bergab. In Trittins Heimat-Landesverband Niedersachsen kommt aktuell noch eine unangenehme Politaffäre hinzu. Auch in der geht es, bundesweit bisher nur wenig beachtet, um Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit - und zusätzlich um etwas, das eigentlich eher weniger zu den Grünen passt: um Maßlosigkeit der Regierenden. Im Januar nämlich, als die Wähler CDU-Ministerpräsident David McAllister entließen, schafften es die Grünen in die Regierungsverantwortung.

Nun musste der erste grüne Staatssekretär, Udo Paschedag, bereits wieder seinen Posten räumen. Die Affäre dreht sich um die Bestellung eines überteuerten Dienstwagens, und gegen Ministerpräsident Stephan Weil steht der Vorwurf im Raum, er habe in dieser Sache das Parlament angelogen. Es läuft also nicht gut für die Grünen und Trittin, weder im Bund, noch in Niedersachsen, noch in Göttingen, wo Trittin zu Hause ist und Politologe Franz Walter im Auftrag der Partei forscht.

Besonders bitter ist das mit Blick auf den Langzeitvergleich: In der Sonntagsfrage von infratest dimap standen die Grünen in der gesamten Zeit seit der Bundestagswahl 2009 stets bei mehr als 10 Prozent - bis zum 5. September. Noch als es nach den Sommerferien in den Wahlkampfendspurt ging, war die 15-Prozent-Marke in Sicht. Jetzt würde es nicht wundern, blieben die Grünen am Ende einstellig.

Und der einzige Trost, der der Partei bleibt, dürfte nur bei ganz Abgeklärten wirken: Mit einer Regierungsbeteiligung dürfen die Grünen wohl ohnehin nicht rechnen, um den Einzug in den Bundestag müssen sie nicht bangen. Da ist es irgendwie auch fast schon egal, ob am Ende ein paar Prozent mehr oder weniger zu Buche stehen. Und vielleicht müssen sich die Grünen sogar freuen, dass am Sonntag gewählt wird - und nicht noch später. Sonst würde sich die Frage nach dem Bangen um die Fünf-Prozent-Hürde vielleicht noch einmal neu stellen.

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