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Große Koalitionen - Sie hinterließen nichts außer Schulden

Die Deutschen haben sich die Große Koalition gewünscht. Weil die vergangenen Großen Koalitionen in der Bundesrepublik Großes geleistet hätten, heißt es dann oft. Das ist aber ein Irrtum

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, dass nun halt wieder eine Große Koalition kommt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Volksparteien als politisch größte Konkurrenten gemeinsame Sache machen können. Doch Vorsicht! Schwarz-Rot, das hat die Geschichte gezeigt, kann teuer werden.

Was war das noch für eine Aufregung vor acht Jahren. Wie können die zusammen gehen, die sich so fundamental angegriffen haben? Am Ende der Legislaturperiode 2005 bis 2009 zeigte sich: Lief doch gar nicht so schlecht mit Merkel und Münte.

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Schwarz-Rot galt rückblickend jedoch vor allem als solide, weil es gemeinsam durch die schwerste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg steuerte. Das viele Geld, das Union und SPD zur Banken- und Staatenrettung vergeben und versprochen haben, schien und scheint immer noch eine notwendige Investition gewesen zu sein gegen den Fallout der EU.

Niemand kann bisher sagen, ob und wie die Rechnung eines Tages tatsächlich aufgehen wird. Deswegen lohnt ein Blick noch weiter zurück. Wie klappte es, als CDU, CSU und SPD das allererste Mal miteinander regierten?

Erste Große Koalition: Ex-Nazi neben Ex-Kommunisten


Es heißt, die Große Koalition 1966 bis 1969 sei weitaus besser als ihr Ruf gewesen. Das ist, was die politischen Folgen angeht, ein verklärtes Bild. Der Mythos entstand aus naiver Freude über Einigkeit. Einer Einigkeit, die späterer Zusammenarbeit übrigens den Weg ebnete.

Damals saßen politische Gegner freundschaftlich miteinander am großen runden Tisch im Kanzlerpark; Kiesinger, der Ex-Nazi neben Brandt, dem Ex-Kommunisten. Den feinen Schiller nannten die Deutschen bald Plisch, weil er mit dem Plum ein Duo gab, dem groben Strauß. Sie hat sich gut inszeniert und verkauft, diese erste Große Koalition.

Aber sie war nicht viel mehr als ein demokratischer Luxus. Denn ohne Not hatten Union und SPD ein Bündnis geschlossen, für das Deutschland bis heute zahlen muss.

Dreier gemeinsamer Leistungen rühmten sich die Koalitionäre: Notstandsverfassung, Stabilitätsgesetz und Finanzverfassungsreform. Rückblickend waren das alles Misserfolge.

Um den inneren Frieden des Landes schützen zu wollen, wurden hysterisch Notstandsgesetze erstellt. Doch die wurden zur Angriffsfläche für eine gleichermaßen hysterisch wie pubertär agierende außerparlamentarische Opposition, deren Helden Jahrzehnte später politische Karriere machten. Verteidiger der Großen Koalition sagen zu Recht, dass die Ränder – die Apo links und die NPD rechts – nicht deswegen entstanden, weil Union und SPD zusammen regierten.

Die damals junge NPD hatte schon zuvor Landtagswahlerfolge, und die revolutionäre Linke war bereits ein Trend, der aus Amerika gekommen war. Dennoch: Die Ränder wurden stärker, nachdem die Mitte sich in allem einig zu sein schien. Und so könnte es jetzt wieder sein, wer immer dieser Rand dann sein wird.

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Das Stabilitätsgesetz erbrachte auch das Gegenteil dessen, was es sollte. Es brach mit Ludwig Erhards Ordnungspolitik und machte Politiker glauben, durch Konjunkturprogramme lenkend in die Wirtschaft eingreifen zu können. Dahinter stand die Idee des britischen Ökonomen John Maynard Keynes einer gesteuerten, antizyklischen Nachfragepolitik: Sind die Zeiten schlecht, gibt der Staat viel Geld aus, um die Nachfrage zu steigern; sind die Zeiten gut, spart er.

Nur Geld ausgegeben, aber nie gespart


Doch die erste große Koalition hielt sich nur an den ersten Teil dieser Idee – zum Schaden der Generation nach ihr. Das schwarz-rote Management während der Weltfinanzkrise zu Zeiten der zweiten Großen Koalition handelte ja wieder nach dem Motto, der Staat könne und müsse lenken. Immerhin beherzigte man hier Keynes‘ Geldgeben-Rat während einer echten Krisenzeit. Was die ersten beiden Großen Koalitionen vormachten, wird jedenfalls heute nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt – weder von der SPD noch der Union.

Die Finanzverfassung aus den späten sechziger Jahren schließlich, auf die alle jahrzehntelang stolz waren, sollte Bund, Länder und Kommunen an den Ein- und Ausgaben beteiligen. Daraus ergab sich die Zustimmungspflicht der Länder für Steuergesetze – und damit die Blockademacht des Bundesrats. Die fein ausgedachte Teilhabe-Idee geriet in der Praxis zu einem wirren und undurchdringlichen Knäuel aus Kompetenzen, Ansprüchen und Anmaßungen. Dieses zu entwirren, schaffte 38 Jahre später nicht einmal mehr eine ranghoch besetzte Föderalismuskommission.

Auch die zweite Große Koalition blieb hier auf halber Strecke stehen. Und es wäre die vielleicht größte Leistung einer künftigen gemeinsamen schwarz-roten Regierung, die Knoten zu zerschlagen, die ihre Ahnen so stramm zogen.

 

 

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