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Frau Fried fragt sich... - ...wo eigentlich die neuen Väter sind

Die neue Generation der Väter tut alles bis aufs Stillen, dachte Amelie Fried. Zu sehen sind jedoch hauptsächlich Show-Wickler, die nur engagiert sind, solange Publikum zugegen ist. Frau Fried fragt sich, wo eigentlich die neuen Väter geblieben sind

Autoreninfo

Amelie Fried ist Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin. Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst noch an Fragen aufwirft

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Ich bin gerade Oma geworden, gewissermaßen. Unser Pflegesohn (der uns so lieb ist wie ein eigener) hat eine Tochter bekommen. Und nun tut er, was junge Väter eigentlich tun sollten: alles, bis aufs Stillen. Er wickelt, trägt herum, kauft ein, kocht, kümmert sich. Außerdem arbeitet er, und nicht wenig. Sobald seine Partnerin in ihren Job zurückkehrt, wollen die beiden sich die Kinderbetreuung teilen. Ach, dachte ich gerührt, so sind sie also, diese neuen Väter. Wie wunderbar. Da hat sich doch eine Menge verändert.

Dann fiel mir eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Thema „Wege in die Vaterschaft“ in die Hände – und schon war ich geheilt von meinem Irrtum. Rund 95 Prozent der Befragten nannten darin nämlich als ihre Aufgabe, der „Familie ein Heim zu bieten“ und den „Lebensunterhalt zu verdienen“. In weiteren Umfragen behaupten fast alle Männer, sie wollten sich Zeit für ihre Kinder nehmen, aber kaum die Hälfte ist bereit, nach der Geburt beruflich zurückzustecken – im Gegenteil. Jüngere Väter arbeiten zwei, ältere sogar bis zu fünf Stunden mehr in der Woche als kinderlose Männer. Nur jeder vierte Vater geht in Elternzeit – und die meisten auch bloß zwei Monate. Dafür sind die Buchhandlungen voll mit Erfahrungsberichten von Männern, die sich mit ihren Heldentaten an der Wickelfront brüsten. Auch unter nicht publizierenden Vätern finden sich jede Menge Show-Wickler – super engagiert umsorgen sie ihr Kind, solange Publikum zugegen ist. Die neuen Väter sind vor allem in einem wunderbar: in der Selbstdarstellung. Im Kopf sind viele von ihnen kein Stück weiter als ihre Väter oder Großväter.

Wer ist schuld? Auch die Frauen. Aus ihrer Kernkompetenz Kinderkriegen entwickeln viele die fixe Idee, für den Nachwuchs hauptverantwortlich zu sein. Sie halten sich für unersetzlich und sorgen gern dafür, dass sie es auch werden.

Und die Wirtschaft ist schuld. Solange Männer 20 Prozent mehr verdienen als Frauen, ist klar, wer nach der Geburt zu Hause bleibt. Und solange viele Gehälter fürs Wärmen des Bürostuhls bezahlt werden, ist klar, wer spät nach Hause kommt. Natürlich ist auch die Politik schuld. Solange Kinderbetreuung ein Luxus ist und berufstätige Mütter gefragt werden: „Und wer passt auf Ihr Kind auf, solange Sie hier sind?“, bleibt eben in vielen Familien der Mann der Haupternährer. Viele junge Väter hätten das inzwischen bestimmt gerne anders. Aber viele andere sonnen sich im tollen Neue-Väter-Image und flüchten dann so schnell wie möglich zurück ins Büro. Seien wir ehrlich: Dort ist es ja auch weniger anstrengend als zu Hause. Dort nervt einen doch nur das „Kinderwuselzeug“, wie der Schauspieler Matthias Schweighöfer nölte. Deshalb ist er jetzt auch getrennt. 

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