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Flüchtlingsdrama im Mittelmeer - De Maizière fordert dritten Weg

Kolumne: Leicht gesagt. Tausende Flüchtlinge schaffen es nicht über das Mittelmeer hinaus – sie ertrinken. Der Bundesinnenminister sagt, wir könnten die Toten nicht einmal zählen. Die SPD fordert Soforthilfe. De Maizière hält das für die falsche Lösung - und schlägt eine dritte vor

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, Ertrinkenden müsse man helfen. Nur wie, wenn es nicht in unseren Meeren geschieht? Und wer? Fast Tag und Nacht spielen sich Dramen ab im Mittelmeer, fern von Deutschland. Doch Deutschland ist das Ziel dieser Menschen, ihr Sehnsuchtsort, für den sie buchstäblich Leib und Leben riskieren.

Die Zahl der Flüchtenden steigt
 

Eben sank ein Flüchtlingsboot vor der libyschen Küste im Mittelmeer, 400 Menschen werden vermisst. Das sagen die 150 Überlebenden, die in Italien an Land gebracht wurden von der italienischen Küstenwache. Unter den Opfern sind viele Jugendliche. Das überladene Boot sei einfach umgekippt.

Die italienischen Behörden teilten mit, allein in der letzten Woche über 8000 Flüchtlinge gerettet zu haben. Wegen des guten Wetters wagen derzeit offenbar besonders viele Menschen aus Afrika den gefährlichen Weg über das Mittelmeer - um in die EU zu gelangen. Im April letzten Jahres waren es 15.000, in den Sommermonaten dann durchschnittlich je 25.000 – die Zahl steigt.

Nun fordert die SPD zu handeln. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der Sozialdemokrat Christoph Strässer verlangt mehr Anstrengungen der Bundesregierung für den Schutz der Migranten. „Deutschland sollte beim Flüchtlingsschutz auf europäischer Ebene eine Vorreiterrolle einnehmen und auf die Schaffung eines reinen Seenotrettungsprogramms hinarbeiten.“ Der Menschenrechtspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, geht noch weiter. Bundesinnenminister Thomas de Maizière dürfe nicht darauf warten, „dass andere in der EU sich regen“, sondern müsse sich „mit aller Macht für eine neue Seenotrettungsmission“ einsetzen.

Ist das die Lösung? Deutschlands Innenminister hält sie für nachvollziehbar, aber falsch. „Was im Mittelmeer, in Libyen und in der Wüste bis zum Mittelmeer passiert ist ein wirkliches Drama“, sagt der Minister dem ZDF. Menschen zahlten an kriminelle Schlepperorganisationen bis zu 15.000 Dollar, um nach Europa zu kommen. „Viele sterben. Wir können sie halbwegs zählen auf dem Mittelmer. Wir können sie nicht zählen in der Wüste. Jetzt stehen wir vor einem Dilemma.“

Dieses Wort passt – eine ausweglose Situation. Das Dilemma des Ministers – und damit Deutschlands – ist eines zwischen leben und sterben lassen. De Maizière hat ein deutliches Argument gegen den Vorschlag aus der SPD: „Würden wir jetzt jeden, der im Mittelmeer ankommt, einfach aufnehmen nach Europa, dann wäre das das beste Geschäft für die Schlepper, was man sich denken könnte. Das wäre Beihilfe für das Schlepper-Unwesen.“

Vor Ort helfen, Schlepper bekämpfen und Flüchtlinge aufnehmen
 

Aber er gibt sich deshalb nicht herzlos, benennt die eigene Not: „Wenn wir einfach weggucken und kaltherzig Menschen ertrinken lassen, dann wäre das unmenschlich.“ Was also machen?

De Maizière macht aus dem Dilemma ein Trilemma, denn er sieht einen dritten Weg: Langfristig gehe es darum, „dass wir Libyen stabilisieren, dass wir die Not in den Herkunftsländern lindern, dass wir die Schlepper bekämpfen, indem wir sie hinter Schloss und Riegel bringen und diejenigen, die zu uns kommen, anständig aufnehmen“.

Das ist sehr ambitioniert, vielleicht mehr als das. Da nimmt sich Deutschland mächtig etwas vor. Wenn das gelänge, wäre es natürlich die bessere Lösung als jeder brain drain. Wenn!

Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer beschäftigte das Magazin Cicero auch in seiner Ausgabe vom Dezember 2014. „Das Boot ist voll“ lautete der Titel, der den zynischen Satz kommentiert, mit dem die deutsche Abschottungspolitik schon in den 1990er Jahren begründet wurde. Das Heft können Sie hier nachbestellen.

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