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(picture alliance) Mit Mutti-Image ins Kanzleramt?

Die SPD und die K-Frage - Es kann nur Eine geben

Hannelore Kraft ziert sich. Dennoch ist die Landes-Mutti aus NRW die einzige, die den Kampf mit Angela Merkel aufnehmen könnte. Sie zieht ihre Kraft vor allem aus dem gescheiterten Konzept der SPD-Troika

Es gibt gute Gründe, Hannelore Kraft nicht zu mögen: Dieses angestrengt Muttihafte,  dieses kumpelig Anbiedernde, das sie bisweilen so demonstrativ vor sich herträgt. Vor allem aber: Dieser wandelnde Populismus auf zwei Beinen, der einem da  entgegen kommt.  Im zurückliegenden NRW-Wahlkampf sülzte es auf den SPD-Plakaten inhaltsfrei von „NRW im Herzen“, selbst für einen flotten Spruch mit Currywurst war sich die Sozialdemokratin vor lauter Volksnähe nicht zu schade. Und auch bei harten Themen kann man bei Kraft längst nicht alles ernst nehmen.

Einerseits versichert sie nur allzu gern, man habe die Einhaltung der Null-Schulden-Grenze bis 2020 fest im Blick. Andererseits hat sie die Neuverschuldung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes in schwindelerregende Höhen getrieben. Insgesamt hat NRW mittlerweile 131 Milliarden Euro Schulden angehäuft, Krafts Nachtragshaushalt  2010 stoppten Verfassungsrichter - ein bislang einmaliger Akt in der Geschichte der Bundesrepublik. Manchmal fragt man sich, ob es ihr egal ist, dass sie so erfolgreich an Ihrem Image als blindwütige Schuldenkönigin bastelt.  So lange nur die Zustimmung des Volkes sie von Erfolg zu Erfolg trägt.

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Die gelernte Ökonomin ist daher nicht eben das, was man eine astreine Wahl nennen würde. Und doch ist Hannelore Kraft ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl die schärfste Waffe der SPD. Das liegt freilich nicht an eigener Stärke. Es liegt vielmehr an der Schwäche der übrigen Protagonisten, vorneweg am öden Kandidaten-Trio Steinbrück-Steinmeier-Gabriel.

Nur zur Erinnerung: Die drei waren angetreten, um die unterschiedlichen Profile der Partei in ihrer ganzen Bandbreite zu nutzen, um dann, in einem zweiten Schritt, den Kandidaten im Kampf ums Kanzleramt zu präsentieren. Wie Kai aus der Kiste sollte der SPD-Phönix daher kommen, als Überraschungs-Feger, um die eiserne Angela vom Thron zu wehen.

Das Problem ist nur: Was ursprünglich als strategische Glanzleistung gedacht war, erweist sich mehr und mehr als Totgeburt. Zu konturlos die Kandidaten, zu gering bislang ihre Fähigkeit, sich aus dem Feld der beiden Mitkonkurrenten positiv abzuheben. Statt in Profilschärfung ergehen sich die drei - neben der argwöhnischen Betrachtung der Konkurrenten - im nichtssagenden Einerlei. Steinbrück-Steinmeier-Gabriel sind zu einer langweilenden, kaum unterscheidbaren Masse geworden. Sie sind die Tick, Trick und Tracks der deutschen Politik.

Das Manko der Troika spiegelt sich auch in jüngsten Umfragen wider. Frank-Walter Steinmeier und der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück liegen in der Wählergunst nah beieinander, sie erreichen Werte um 30 Prozent. Lediglich SPD-Chef Sigmar Gabriel kommt abgeschlagen auf nurmehr 17 Prozent  - und ist damit wohl endgültig  aus dem Rennen. Wenigstens eine Entscheidung, die das schlappe Trio bislang zuwege brachte. 

Vor allem im Hinblick auf eine mögliche Schwächung von Schwarz-Gelb hat sich das Kandidaten-Gespann allerdings bislang kaum bewährt. In  Fragen rund um die Eurokrise, beim Rettungsschirm ESM und dem europäischen Fiskalpakt stellte sich die SPD in den vergangenen Wochen demonstrativ hinter die Regierung. SPD-Chef Gabriel sprach von notwendigen „Notoperationen“.

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Gut für die Kanzlerin, die derart beflügelt ungehindert schalten und walten konnte. Schlecht hingegen für die SPD: In Umfragen stagnieren die Roten, können inhaltlich kaum punkten. Gabriels Kritik am Kurs der Kanzlerin, sie habe keine Lösungsstrategie für die Eurokrise, ging nach wochenlanger Zustimmung zum Eurokurs einfach unter. Einerseits gute Rettungsaktionen, andererseits keine Lösungsstrategie – derart unentschieden bleibt der SPD wenig Spielraum, um sich glaubwürdig als Alternative zur Merkel-Truppe zu positionieren. Noch schwieriger wird das Ganze mit einem Dreier-Gespann, dessen Protagonisten für alles und gleichzeitig doch wieder - ja für was eigentlich stehen? Einer für alle – und alle für nichts?

Auch wenn die SPD-Spitze weiter darauf beharrt, den Kanzler-Kandidaten erst Anfang 2013 zu küren, wird die Frage doch immer drängender diskutiert: Wie und vor allem mit wem geht es denn nun weiter? Steinbrück, der zusammen mit Altkanzler Schmidt und freundlicher Unterstützung der ZEIT früh an seiner Nominierung feilte, hat in der Partei keinen leichten Stand. Der Norddeutsche, der sich gern als Modernisierer präsentiert, eckt mit seinen Äußerungen des öfteren an. Zudem würde er mit seinem zweifelhaften Agieren als Aufsichtsrat bei der kollabierten West LB eine willkommene Angriffsfläche bieten. Gleichzeitig hat der Vorstoß des neuen Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig, der sich pro Steinmeier aussprach, ausgerechnet Steinbrücks Position innerparteilich gefestigt: Solidaritätsbekundungen häufen sich, etwa durch den baden-württembergischen SPD-Chef Nils Schmid.

Steinmeier dagegen kann auf die Sympathien von Hannelore Kraft bauen. Seitdem sie im Mai die NRW-Wahl gewonnen hat, seitdem sie die CDU deklassierte, ist die NRW-Frau mächtiger denn je. Ohne ihr Votum wird nichts gehen in der Kandidaten-Frage. Fraglich aber, ob ihr Favorit, der blasse Steinmeier zur taffen CDU-Frau Merkel tatsächlich eine gelungene Alternative darstellt. In Wahrheit erinnert Steinmeier nach wie vor eher an die graue Eminenz, die er im Kanzleramt unter Schröder war, auch wenn Stimmen wie Albig loben, der einstige Schröder-Vertraute  sei in den letzten Jahren als Politikerpersönlichkeit gereift.

Doch reicht das wirklich aus? Im jüngsten Deutschlandtrend der ARD sahen 76 Prozent der Befragten in Merkel eine gute Staatsfrau, Lediglich 59 bewerteten Steinmeier positiv. Schon einmal unterlag der Sozialdemokrat Merkel im Duell ums Kanzleramt. Derzeit gibt es keinen Grund, warum das bei der nächsten Wahl anders sein sollte.

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Dann doch also lieber Hannelore, die auf Bürgernähe bedachte Düse aus Düsseldorf? Jene Politikerin, die lange von den übrigen Genossen belächelt wurde? Kann Sie neben reinem Populismus womöglich mehr? Kann sie, die Schuldenmacherin, beim entscheidenden Urnengang gegen die Spar-Kanzlerin reüssieren? Dem roten Kandidaten-Trio hat sie jedenfalls Entscheidendes voraus – ihre beiden Siege in NRW.

In einer Umfrage im Mai sprachen sich schon mal 43 Prozent der Deutschen für Kraft als Kanzlerin aus, 34 votierten damals für Merkel. Es gäbe somit durchaus nachvollziehbare Gründe für die SPD, auf Kraft zu setzen. Noch freilich winkt diese ab:  Sie werde auch weiterhin an Rhein und Ruhr walten, eine politische Zukunft in Berlin gebe es für sie – vorerst -  nicht.

In ihrem Ruhrpott-Dialekt pflegt Kraft bisweilen zu sagen: „Ich steh für klare Kante.“ Ob das ohne Einschränkung auch für die Kandidaten-Frage gilt, werden die nächsten Wochen zeigen. Krafts Weigerung, nach Berlin zu gehen, könnte die Wahlaussichten der Sozialdemokraten entscheidend mindern. Am Ende müssen sich Kraft und Co. fragen, wer tatsächlich im Stande ist, Merkel Paroli zu bieten. Es kann nur ein Kandidat, der diesen Namen auch verdient. Womöglich ja nur eine Kandidatin.

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