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(picture alliance) Die NPD gibt sich familienfreundlich

NPD - Die braune Kümmer-Partei

Lange galt die NPD als Auslaufmodell, doch am Sonntag hat sie den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag geschafft. Warum haben die Rechtsextremen in Mecklenburg-Vorpommern Erfolg? Können sie ihn andernorts wiederholen?

Die NPD ist wieder drin im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Im Westen der Republik zuckt manche Schulter: So sind sie halt, die Ossis. Kommen mit der Demokratie noch nicht klar, sehnen sich nach einem starken Führer, fürchten sich vor Migranten, die es bei ihnen auf dem platten Land kaum gibt. Irgendwann erledigt sich das von selbst.

Tut es nicht. Die 6 Prozent für die rechtsextreme Partei weisen über den Tag hinaus. Nicht nur, weil die Braunen nach etlichen Wahlschlappen, Finanzproblemen und Personalquerelen wieder einmal eine Erfolgsmeldung genießen. Auch, weil die Bundespartei unter Udo Voigts sich von den Parteigenossen in Mecklenburg-Vorpommern einiges abschauen könnte.

Nach Sachsen 2009 hat es die NPD nun schon zum zweiten Mal geschafft, in einen Landtag wieder einzuziehen, in dem sie schon in der Legislaturperiode zuvor saß. Damit gilt die alte These nicht mehr, die Rechtsextremen würden sich schon selbst entzaubern, wenn sie denn erst einmal mit den Mühen parlamentarischer Arbeit konfrontiert sind. Die NPD-Abgeordneten im Schweriner Landtag kassierten in der vergangenen Legislaturperiode 486 Ordnungsrufe für ihre verbalen Provokationen. Ihr Fraktionschef Udo Pastörs ist wegen Volksverhetzung zu zehn Monaten Haft verurteilt, den Wahlkampf absolvierte er in der Bewährungszeit. Gewählt wurde er trotzdem. Oder deswegen.

Wichtiger noch: Die Nordost-NPD hat es ohne ein großes polarisierendes Protestthema über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Keine Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die rechtzeitig vor dem Urnengang wehrlose Rentner verprügelten, keine Moscheen-Debatte, ein eher entspannter Arbeitsmarkt. Der Protest derer, die ihr Kreuzchen bei der NPD machen, braucht keinen Anlass mehr. Er ist so erstarrt, dass die Protest- zu Stammwählern geworden sind.

Dagegen, dass der braune Spuk schnell endet, spricht der Anteil der NPD bei den Erstwählern: laut Forschungsgruppe Wahlen 15 Prozent. Mehr junge Menschen stimmten nur für den Wahlsieger SPD. Andere Parteien mögen Nachwuchsprobleme haben, die Ewiggestrigen von rechts sind - auch im Bund - bei der Wähler- wie bei der Mitgliederstruktur eine der jüngsten politischen Organisationen.

Das liegt auch daran, dass Pastörs gute Kontakte zu den gewaltbereiten Freien Kameradschaften und Autonomen Nationalisten unterhält: Sammelbecken für orientierungsarme junge Menschen, die Zusammenhalt suchen, überschüssige Aggressionen loswerden wollen und ihr Selbstwertgefühl aufbauen, indem sie auf Schwächere einprügeln. Politik gibt's als Dreingabe zur Action und Nestwärme.

Aber vor allem hat sich die NPD zumindest in manchen Teilen des Landes erfolgreich das Image gegeben: „Wir kümmern uns drum.“ Im wirtschafts- und strukturschwachen Raum ist es ihr gelungen, Ersatzstrukturen zumindest vorzutäuschen. Rechtsextreme veranstalten Kinderfeste, beraten bei Problemen mit dem Hartz-IV-Antrag, und wo das Jugendzentrum fehlt, treffen sich die Kids eben zum Rechtsrock-Hören unter der Reichskriegsflagge. Experten vor Ort sagen zwar, so viele Angebote dieser Art mache die Partei gar nicht - aber sie schafft es, dass die Wähler es von ihr glauben.

Andernorts wird die rechtsextreme Partei ihre Taktik nicht beliebig wiederholen können. Zum einen braucht es dazu eine halbwegs glaubwürdige Führungsfigur wie Udo Pastörs. Wer den gelernten Uhrmacher einmal bei einer seiner Hetzreden zugehört hat, kann sich über das weichgespülte Image des Zuhörers nur wundern, des landesväterlichen Kümmerers, das er sich im Wahlkampf zu geben vermochte. Bundeschef Udo Voigts versucht es schon lange mit der gleichen Doppelstrategie, hat es aber nie geschafft, die rechtskonservativen Law-and-Order-Leute mit den Springerstiefelträgern und den Nazi-Nostalgikern zu versöhnen.

Zum anderen ist das Phänomen an die Landflucht im Nordosten gekoppelt. Die NPD holte überdurchschnittlich viele Stimmen in den entvölkerten Gegenden Vorpommerns. 33 Prozent der Zweitstimmen in Koblentz, 28,9 Prozent in Postlow und Blesewitz: Die NPD geht dahin, wo andere Parteien nicht hinkommen, selbst im Wahlkampf kaum präsent sind, weil es sich in den leeren Dörfern nicht mehr lohnt.

Doch dass die NPD von der demografischen Entwicklung auf dem platten Land profitiert, bedeutet keine Entwarnung für andere Regionen der Republik: Bevölkerungsschwund und eine aus dem Gleichgewicht geratende Alterspyramide gibt es auch andernorts. Ebenso wie die Wahlmüdigkeit, die der NPD nutzt, weil sie ihre potenziellen Wähler gut motivieren kann. Desinteresse an Politik, Frustration über die Demokratie, das sind Umfragen zufolge verbreitete Phänomene - auch im Westen Deutschlands.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) glaubt, die Parteien seines Landes führten eine Art „Stellvertreterkrieg“ gegen die NPD. Er ist für ein neues Verbotsverfahren. Die meisten Praktiker, die sich in Initiativen gegen Rechts engagieren, sind dagegen: Ein Verbot lenke nur ab von der Auseinandersetzung mit den Gründen für die NPD-Erfolge, glauben die meisten. Die Basis für Ressentiments und nationalen Chauvinismus, für die Sehnsucht nach klaren Verhältnissen und eisernen Besen, die erledigt sich nicht von selbst. Und verbieten lässt sie sich auch nicht.

 

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