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Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen - Wenn der Bodomörder zuschlägt

Am Freitag will sich Bodo Ramelow in Thüringen zu Deutschlands erstem linken Ministerpräsident wählen lassen. Doch in der SPD könnte es einen Abgeordneten geben, der ihm die Stimme verweigert – und Rot-Rot-Grün zu Fall bringt. Was dann?

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die Wahl des Ministerpräsidenten von Thüringen hat das Zeug dazu, ein Klassiker unter den Politthrillern der deutschen Nachkriegsgeschichte zu werden. Und wie auch immer dieses Drama am kommenden Freitag ausgehen wird: Hinterher ist die politische Landschaft neu sortiert, das Koalitions-Kartenspiel ganz neu gemischt.

Einiges spricht dafür, dass sich der Traum von Bodo Ramelow nicht erfüllt und er nicht der erste Regierungschef der Linkspartei in einem Bundesland wird. Auch wenn Ramelow wieder und wieder betont, er sei sich seiner 46 Stimmen von Linken, Grünen und Sozialdemokraten gewiss, so geht in der SPD doch eine Sage um: Es gebe mindestens eine Person unter den Abgeordneten der SPD, die fest vorhabe, Ramelow die entscheidende eine Stimme zu verweigern, und zwar nicht nach der Methode Wiesbaden, sondern nach der Methode Kiel.

Im hessischen Landtag hatten sich beim Versuch von Andrea Ypsilanti, Ministerpräsidentin einer rot-grünen Landesregierung mit Duldung der Linken zu werden, im Frühjahr 2008 vier Sozialdemokraten vorher zu erkennen gegeben: Wir machen da nicht mit. In Schleswig-Holstein gab es bei der Wahl von Heide Simonis im Frühjahr 2005 einen, der ihr seine Stimme verweigert hat. Bis heute kennt niemand die wahre Identität des „Heidemörders“.

Verliert Ramelow, hat die CDU ein Problem


Was also, wenn der Bodomörder am Freitag in Erfurt zuschlägt? So paradox das klingt: Dann hat die CDU ein Problem. Nach Lage der Dinge könnte dann Fraktionschef Mike Mohring mit Hilfe der Stimmen der Alternative für Deutschland gewählt werden. Damit aber kann die Union einer Frage nicht mehr ausweichen, die sie fürchtet wie die SPD jahrelang die Rote-Socken-Kampagne: Wie hält sie es mit der AfD? Lässt sie sich von ihr mindestens tolerieren, vielleicht sogar im Bund 2017? „Mit denen niemals!“ Dieser Satz hätte dann die immunisierende Funktion verloren, die er bisher noch hat. Was der SPD die Linkspartei, ist der Union dann endgültig die AfD. 

Wenn aber kein Bodomörder zuschlägt und SPD und Grüne in Thüringen ein Bündnis mit der Linkspartei eingehen, dann wird auch deren Mantra, „Im Bund auf keinen Fall!“ nicht mehr helfen. Denn die Unterscheidung in Koalitionen auf Bundes- und auf Landesebene sind künstlich. Entweder eine Partei wird als reif fürs Regieren angesehen, dann gilt das im Bund wie im Land. Oder eben nicht. Dann gilt das auch im Bund wie im Land. Natürlich zieht eine Thüringer Regierung nicht in einen Krieg. Und natürlich wird in Erfurt nicht über das Schicksal der EU und des Euro entschieden. Aber das föderale System ist nicht nur über den Bundesrat so durchlässig, dass diese feinsinnige Unterteilung einer Partei in Land und Bund nicht trägt.

Fazit: Was immer kommenden Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten läuft: Der spannendere Tatort spielt zwei Tage vorher in Erfurt.  

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