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() Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz
„Ich sehe die Gefahr, dass mehr Überwachung stattfindet“

Nach 30 Jahre langer Diskussion über den Datenschutz für Arbeitnehmer kommt am Freitag erstmals ein Gesetzentwurf dazu in den Bundestag. Arbeitgeber und Gewerkschaften kritisierten die Vorlage. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zieht dagegen ein positives Fazit, mahnt aber auch Nachbesserungen an.

Seit 30 Jahren wird über den Datenschutz von Arbeitnehmern diskutiert. Warum hat es derart lange gedauert, bis ein Gesetzentwurf dazu in den Bundestag kommt? Schaar: Ja, das ist fast eine unendliche Geschichte. Man hat den Eindruck, dass sie sich nun einem Ergebnis nähert. Das ist positiv. Der Beschäftigtendatenschutz ist ein wichtiges Thema, vor allem weil immer mehr Technologie am Arbeitsplatz Einzug hält. Es geht nicht mehr nur um Anwesenheitszeiten und Zahlungsdaten wie in den Frühzeiten des Datenschutzes, die ja gar nicht solange zurückliegen. Als Nebenprodukt der Technik fällt eine Vielzahl von Daten an, die sich zur Überwachung eignen. Nach den Skandalen der letzten Jahre (Anm. der Redaktion: bei Lidl, Telekom und der Deutschen Bahn) macht nun die Politik erstmals Ernst - wenn man von dem Gesetzentwurf von Olaf Scholz als Arbeitsminister eine Woche vor der letzten Bundestagswahl absieht, der daher keine Chance hatte, im Bundesgesetzblatt zu landen. E-Mails sind im Büro seit Mitte bis Ende der 90er Jahre gängig. Warum hat es sich dennoch so lange hingezögert, bis dann 2009 dieser erste Gesetzentwurf erstellt wurde? Der öffentlich wahrgenommene Problemdruck war offenbar bei diesem Thema nicht so intensiv. Zudem hatten die Gewerkschaften und die Unternehmensverbände kein allzu großes Interesse an einer detaillierten Regelung. Man konnte im Rahmen von Dienst- und Betriebsvereinbarungen vieles regeln. Offenbar wurde befürchtet, dass der Gesetzgeber diese Spielräume einschränken könnte. Dabei wurde außer Acht gelassen, dass in vielen Betrieben, insbesondere kleineren, keine Arbeitnehmervertretungen bestehen. Gerade dort aber erscheint eine gesetzliche Regelung notwendig. Und bei der Telekom und der Deutschen Bahn haben die damaligen Betriebsvereinbarungen den Datenmissbrauch nicht verhindert. Was kritisieren Sie am Gesetzentwurf, der nun in die Lesung im Bundestag kommt? Zunächst teile ich vollständig das von der Bundesregierung formulierte Ziel, die Überwachung zu begrenzen. Mein zentrales Problem mit dem Entwurf ist folgendes: Die heimliche Videoüberwachung wird gänzlich verboten. Das begrüße ich. Allerdings war sie nach der Rechtsprechung auch bisher nur in extremen Ausnahmefällen zulässig. Quasi zum Ausgleich enthält der Gesetzentwurf eine Vielzahl von Tatbeständen bis hin zur Qualitätskontrolle, die eine offene Überwachung erlauben sollen. Da sehe ich die Gefahr, dass letztlich mehr und nicht weniger Überwachung stattfindet, wenn auch offen. Sind die Erlaubnistatbestände zu vage formuliert? Bezüglich der Videoüberwachung sind sie sehr vage und der schon heute vorzunehmende Interessenausgleich wird zugunsten der Arbeitgeber verändert. Das finde ich problematisch. Es gibt auch noch Ungenauigkeiten und Nachbesserungsbedarf in anderen, weniger gravierenden Punkten. Ich denke hier an den wichtigen Bereich der Gesundheitsdaten. Ich wünsche mir eine engere Regelung, wann Gesundheitsuntersuchungen von Arbeitnehmern vorgenommen werden dürfen. Präzisierungsbedarf gibt es auch beim Umgang mit Verkehrsdaten aus der Telekommunikation, insbesondere wenn die private Nutzung von E-Mails und Internet im Betrieb erlaubt ist. Da wird nicht mehr Rechtssicherheit geschaffen. Ein weiteres Problem ist die gut gemeinte Klausel, wann man sich an die Aufsichtsbehörde wenden darf. Die Hürden dafür sind inakzeptabel. Das verfassungsmäßig verbürgte Petitionsrecht gilt auch gegenüber den Datenschutzbehörden. Ein Arbeitnehmer muss sich auch künftig direkt an die Aufsichtsbehörden wenden dürfen, ohne vorher den Arbeitgeber zu fragen. Im Großen und Ganzen finde ich aber den Gesetzentwurf positiv. Sowohl der Präsident des Arbeitgeberverbands Dieter Hundt als auch der DGB-Vorsitzende Michael Sommer haben sich aus unterschiedlichen Gründen zum Gesetzentwurf kritisch geäußert. Sie ziehen eher ein positives Fazit. Was entgegnen Sie den Kritikern? Der derzeitige Rechtszustand ist weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer besonders positiv, weil wir viele unterschiedliche Auslegungen sehr allgemeiner Vorschriften haben. Die Rechtsprechung ist auch nicht einheitlich. Selbst wenn der Arbeitnehmer vor Gericht Recht bekommt, ist danach das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört. Mehr Klarheit wäre deshalb im Interesse beider Seiten. Wie regelt der Entwurf die Nutzung sozialer Netzwerke, zum Beispiel wenn der Arbeitgeber die Facebook-Profile von Bewerbern studieren möchte? Er darf soziale Netze, etwa StudiVZ oder Facebook nutzen, soweit die Informationen einer allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich sind und zum Beispiel durch Suchmaschinen gefunden werden können. Macht man die Informationen nur einer geschlossenen Benutzergruppe zugänglich, so dürfen sie nicht im Beschäftigungsverhältnis oder bei Bewerbungen verwendet werden. Umso wichtiger sind die Datenschutzeinstellungen der sozialen Netzwerke und vergleichbarer Dienste. Verfolgt das Netzwerk das Ziel der beruflichen Vernetzung, so dürfen die Daten für Einstellungsverfahren benutzt werden. Diese Differenzierung halte ich für sinnvoll. In der Diskussion ist die Anonymisierung von Bewerbungen, wie sie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgeschlagen hat. Könnte diese Initiative grundsätzlich in den Gesetzgebungsprozess noch einfließen? Das könnte ich mit durchaus vorstellen, ist aber meines Wissens noch nicht vorgeschlagen worden. Ich begrüße diese Initiative, wobei es dabei nicht primär um den Datenschutz geht. Ob sich anonyme Bewerbungen bewähren, sollte aber noch abgewartet werden. Der Testlauf der Antidiskriminierungsstelle soll Anfang 2012 beendet werden. Dann wissen wir mehr. Herr Schaar, vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Ulrich Hottelet.

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